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  Ubergriffe an Der Eliteschule

taz
January 28, 2010

http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/uebergriffe-an-der-eliteschule/

In einem Berliner Elitegymnasium der Jesuiten sind Schuler sexuell missbraucht worden.

Im Berliner "Canisius Kolleg" der Jesuiten wurden bis 1985 mindestens sieben Jungen sexuell missbraucht. Der Orden tut sich mit der Aufarbeitung schwer.

BERLIN taz | In einem Berliner Elitegymnasium der Jesuiten ist es in den Siebziger- und Achtzigerjahren zu Fallen systematischen sexuellen Missbrauchs gekommen. Nach Auskunft von Ursula Raue, der Beauftragten des Ordens fur Missbrauchsfalle in den deutschen Institutionen der Jesuiten, gibt es in diesen "immer wieder" solche Falle.

Die Berliner Anwaltin und Mediatorin sagte der taz, es gebe "Anhaltspunkte", dass es im aktuellen Fall des Berliner Canisius Kollegs eine "gro?ere Zahl" von Ubergriffen gab. Der Schulleitung sind bisher zwei Tater und sieben Opfer namentlich bekannt, sie befurchtet aber mehr. Zum Charakter der Missbrauche an der katholischen Privatschule sagte Raue: "Wir wissen von keinen Penetrationen."

Die Missbrauchsfalle gerieten in die Offentlichkeit, nachdem sie der derzeitige Rektor der Schule am Tiergarten, Pater Klaus Mertes, vor gut zwei Wochen in einem internen Brief an etwa 500 ehemalige Schulerinnen und Schuler der Jahrgange 1975-83 offen angesprochen und sich fur sie entschuldigt hatte. "Mit tiefer Erschutterung und Scham habe ich diese entsetzlichen, nicht nur vereinzelten, sondern systematischen und jahrelangen Ubergriffe zur Kenntnis genommen", schrieb der Rektor.

Es habe bei den Lehrern des Kollegs auch "ein Wegschauen" gegeben. Er habe in den Gesprachen mit den Opfern besser verstanden, "welche tiefe Wunden" ihnen zugefugt wurden - "und wie die ganze Biografie eines Menschen dadurch jahrzehntelang verdunkelt und beschadigt werden kann".

Mertes schrieb, der deutsche Ordensobere der Jesuiten habe schon vor einiger Zeit uber Missbrauche "in der Vergangenheit" und "durch einzelne Jesuiten" berichtet. Bundesweit gibt es etwa 900 Schulen in katholischer Tragerschaft. Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Matthias Kopp, sagte der taz: "Ob es Missbrauchsfalle in anderen Schulen gegeben hat, kann die DBK nicht sagen, da es sich hier um eine Bistums- beziehungsweise Ordensangelegenheit handelt. Uns liegen dazu keine Angaben vor."

In Berlin machten sich nach dem bisherigen Wissen der Schulleitung mindestens zwei Patres des Missbrauchs von Jungen im Alter von etwa 13 bis 16 Jahren schuldig. Beide haben allerdings 1985 das Canisius Kolleg und bis Ende der Achtzigerjahre den Orden von sich aus verlassen. Nach Angaben des Schulrektors leben beide Tater noch. Zumindest einer der Tater soll die Taten nicht bestreiten. Sie sind jedoch verjahrt. Wenn eine Penetration des Opfers erfolgt ist, tritt 20 Jahren nach Erreichen der Volljahrigkeit Verjahrung ein. Sonst nach 10 Jahren.

Das Erzbistum erklarte, Erzbischof Kardinal Georg Sterzinsky habe "tief betroffen" reagiert, als er nun von den Missbrauchsfallen gehort habe. Er bestarke den Rektor in seiner Aufklarungsarbeit: "Wir finden gut, wie er das macht." Der Journalist und Buchautor Frank Nordhausen hat das Canisius Kolleg bis zur 10. Klasse besucht. 1973 hat er die Schule verlassen. "Dass es sexuellen Missbrauch gegeben haben konnte, war in der Schule ein offenes Geheimnis", sagte Nordhausen der taz. Warum haben die Schuler nichts unternommen? "Wir waren links und hatten ganz andere Interessen, als irgendwelchen Geruchten nachzugehen."

Das Landeskriminalamt hat am Donnerstag ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs gegen Unbekannt eingeleitet. Die Polizei hat ihre Informationen bislang nur aus der Presse. Nicht mal Mertes Schreiben lag am Mittag vor. "Wir stehen ganz am Anfang", so ein Polizeisprecher. "Es gibt keine Hinweise auf aktuelle Falle."

 
 

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