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  Canisius-rektor Nennt Die Namen Der Tater

Markische Allgemeine
January 29, 2010

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Bis in den fruhen Morgen hat Jesuitenpater Klaus Mertes E-Mails beantwortet. Rund 300 Menschen aus ganz Deutschland hatten sich am Donnerstag an den Rektor des Berliner Canisius-Kollegs gewandt. Eine Reaktion auf das, was Mertes als Tsunami bezeichnet, der am Donnerstag uber das von Jesuiten gefuhrte Elitegymnasium im Berliner Diplomatenviertel hereinbrach. Da war bekannt geworden, dass zwei Jesuitenpatres zwischen 1975 und 1983 mehrere Schuler sexuell missbraucht haben sollen.

Viel Zuspruch fur seine offensive Strategie habe er erhalten, sagt Mertes, als er gestern die Presse uber den Fall informierte. Auch Hass-Mails waren darunter. Und 15 Briefe von ehemaligen Canisius-Schulern, die selbst Opfer sexuellen Missbrauchs wurden.

Damit erhoht sich die Zahl der bekannten Opfer auf 22. Sie alle belasten die beiden mutma?lichen Tater, zwei Patres, die das Kolleg 1982 beziehungsweise 1983 verlie?en. Mertes glaubt, dass sich weitere Opfer offenbaren.

Er gehe davon aus, so Mertes, dass der Weggang der beiden Kollegen im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwurfen steht und das auch in den Akten des Archivs der norddeutschen Jesuitenprovinz stehen durfte. Mit der Untersuchung ist die Rechtsanwaltin Ursula Raue befasst. Raue hat auch Kontakt zu den Verdachtigen aufgenommen. Einer hat ihr gegenuber die Taten voll eingeraumt. Auf Nachfrage von Journalisten bestatigt Mertes schlie?lich die Namen der mutma?lichen Tater: Pater Peter R. und Pater Wolfgang S. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit gestern.

Gestern erhartete sich der Verdacht, dass die sexuellen Ubergriffe gegen Schuler des Kollegs schon lange bekannt waren – und zwar nicht nur als Gerucht. Mertes, der selbst erst seit 1994 an der Schule unterrichtet, spricht vom Canisius-Kolleg der 70er und 80er Jahre als „wegschauende Institution“. Dies hatten ihm die Opfer glaubwurdig beschrieben.

Auch Mertes selbst hatte zunachst geschwiegen. Schon 2004 und 2005 hatten sich ihm zwei ehemalige Schuler anvertraut und von Mertes absolutes Stillschweigen verlangt. „Das ist ein hochkomplexes Problem“, sagt der Rektor. Er habe die Falle an den Provinzial des deutschen Jesuitenordens gemeldet. Warum das keine Konsequenzen nach sich zog, ist bislang unklar. Erst als sich ihm kurzlich weitere Absolventen offenbarten, wandte sich der Rektor in einem Brief an rund 600 ehemalige Kollegiaten. „Ich wurde gebeten, meinen Beitrag zum Brechen des Schweigens zu leisten“, sagt Mertes. Dann zitiert er frei nach dem Johannes-Evangelium: „Die Wahrheit macht frei.“

Offenbar haben sich Peter R. und Wolfgang S. den Schulern vor allem wahrend der Nachmittagsbetreuung genahert und die Schuler erpresst. „Sie haben den Schulern Gratifikationen in Aussicht gestellt“, sagt Mertes, ohne Details zu nennen. „Die Tater haben sich zuruckgezogen, wenn ein Opfer nicht ihrem Jagdschema entsprach.“

Wie das alles passieren konnte, ist Sache der Aufarbeitung, die Pater Mertes verspricht. Das Image seiner renommierten Schule durfe dabei keine Rolle spielen, sagt er. „Wichtiger ist, dass die Wahrheit ans Licht kommt.“

Klar ist fur ihn, dass die Strukturen der katholischen Kirche sexuelle Ubergriffe auf Kinder und Jugendliche begunstigen. „Die Kirche hat ein Angstproblem“, sagt Mertes und nennt als Beispiel die Tabuisierung von Homosexualitat. Hinzu komme das Problem der Sprachlosigkeit: „Wenn sich die Lehre der Kirche so weit von den realen Erfahrungen junger Menschen entfernt, fuhrt das die junge Generation zu gro?en Teilen in eine Sprachlosigkeit.“

Wahrend Klaus Mertes dies alles erklarte, wurde gestern ein weiterer Missbrauchsfall innerhalb des Erzbistums Berlin bekannt. Die Kirche ermittelt gegen einen katholischen Gemeindepfarrer, der sich 2001 an Kindern vergangen haben soll. (Von Torsten Gellner)

Immer wieder sexuelle Ubergriffe

* Der Verdacht des Missbrauchs an katholischen Einrichtungen ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Ubergriffe bekannt. Eine strafrechtliche Verfolgung war wegen Verjahrung oft nicht mehr moglich. Einige Falle aus Deutschland und dem Ausland: Juli 2008: Ein ehemaliger Domkapitular der Erzdiozese Bamberg wurde von seinen kirchlichen Amtern enthoben. Ermittlungen hatten ergeben, dass der 64-Jahrige zwischen 1978 und 1984 in zehn Fallen in einem Schulerwohnheim sexuelle Handlungen an Kindern vorgenommen hatte. Da die Vorwurfe jedoch verjahrt waren, musste sich der Mann nicht vor Gericht verantworten. Oktober 2008: Der Pfarrer eines Internats in Bayern hatte sich zwischen 1972 und 1976 an mindestens 16 Jungen vergangen. Einige Schuler mussten zusehen, wie sich der Mann im Schlafsaal an ihren Freunden vergriff. Der Mann gestand die Taten, konnte wegen Verjahrung aber nicht mehr belangt werden. Nach einem Bittgesuch an Papst Benedikt XVI. entzog das Oberhaupt der katholischen Kirche dem Mann alle Rechte und Pflichten, die mit dem Klerikerstand verbunden sind. Der Mann sollte aber noch Mitglied des Ordens bleiben.

* Auch in Irland wurden in katholischen Einrichtungen unzahlige Kinder missbraucht. Wie Ermittlungen im Mai 2009 ergaben, erniedrigten und missbrauchten Priester, Nonnen und Monche uber Jahrzehnte tausendfach Kinder. Die Jungen und Madchen wurden in Schulen, Heimen oder Erziehungsanstalten zwischen den 30er und 90er Jahren vergewaltigt, geschlagen und gequalt.

* In den USA wurde die katholische Kirche vor einigen Jahren von einer Serie von Padophilen-Skandalen erschuttert. Bis 2002 waren 25 Priester nach Missbrauchsvorwurfen zuruckgetreten oder des Amtes enthoben worden. dpa/MAZ

 
 

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