BishopAccountability.org
 
  Bistum Aachen Untersucht Neue Verdachtigungen Gegen Geistliche

Aachener Zeitung
February 9, 2010

http://www.az-web.de/lokales/euregio-detail-az/1201673?_link=&skip=&_g=Bistum-Aachen-untersucht-neue-Verdaechtigungen-gegen-Geistliche.html

Aachen. Der priesterliche Griff in den Schritt auf dem Titelbild der aktuellen Ausgabe des «Spiegels» geht dem Aachener Bistum zu weit. Kommentieren wollte man das am Montag nicht. Aber in eigener Sache bemuht man sich um Aufklarung.

Der Missbrauch von Kindern und anderen Schutzbefohlenen galt in der Diozese lange Jahre als Tabu-Thema. Doch mit dem Fall von Pfarrer K., der aus Willich stammt und derzeit in Sudafrika auf seinen Prozess wartet, machen die ekelhaften Verbrechen, womoglich unter dem Schutzmantel der katholischen Kirche, bundesweit Schlagzeilen - und dies streckenweise in bewusst rei?erischer Aufmachung.

Licht ins Dunkel soll im Bistum Aachen seit 13 Monaten Hans-Willi Winden bringen. So lange untersucht der Oberstudiendirektor der Montessori-Gesamtschule in Krefeld im Auftrag von Bischof Heinrich Mussinghoff Vorwurfe gegen Priester, die beschuldigt werden, Kinder oder Jugendliche sexuell missbraucht zu haben.

Dazu zahlt Pfarrer K. nur insoweit, wie Missbrauchsverdachtigungen sein «Wirken» in hiesigen Pfarreien vor seiner Abreise nach Sudafrika betreffen. Gar nicht zustandig ist Winden fur ein weiteres Verfahren, das im November 2009 gegen einen Lehrer einer Bischoflichen Schule in Monchengladbach eingeleitet wurde. Die Staatsanwaltschaft verdachtigt den Mann des sexuellen Missbrauchs, woraufhin das Generalvikariat den Padagogen suspendiert hat. Und der ist inzwischen aus dem Bistumsdienst ausgeschieden.

«Keine akute Gefahr»

Beratend zur Seite steht Winden eine neunkopfige «Kommission fur die Prufung von Vorwurfen sexuellen Missbrauchs Minderjahriger durch Geistliche im Dienst des Bistums Aachen». Aktuell liegen dem Missbrauchsbeauftragten Vorwurfe gegen zwei Priester vor, die unter gro?ter Geheimhaltung auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft werden. Beschuldigte, Zeugen etc. werden von Winden befragt.

Die Staatsanwaltschaft hat man bislang au?en vor gelassen. «Aus meiner Sicht besteht im Zusammenhang mit diesen Fallen keine akute Gefahr fur Kinder oder Jugendliche», sagt Winden am Montag auf Anfrage unserer Zeitung. Zu den konkreten Sachverhalten wurde kirchenintern Stillschweigen vereinbart. «Einerseits wollen wir die potenziellen Opfer schutzen, andererseits keine Unschuldigen offentlich an den Pranger stellen», erklart der Schuldirektor.

Der Grat zwischen einem zufalligen Blick auf das Dekollete eines Madchens und strafwurdiger sexueller Belastigung ist aber nicht immer so schmal. «Das ist ein sehr sensibles Feld, das von 'Schief anschauen' bis zu 'Eindringen in den Korper' reichen kann», formuliert Winden. Doch manchmal steckt eben auch gar nichts hinter den Vorwurfen. Wie dramatisch sich die aktuell zu klarenden Falle entwickeln, ist vollig unklar. «Ich werde Ihnen nicht mal bestatigen, dass die Beschuldigten noch am Leben sind», beantwortet Winden weitere Nachfragen.

Aus dem Leben geschieden sind unterdessen etliche Priester, die sich nachweislich im Bistum Aachen an Schutzbefohlenen vergangen haben. So schickte etwa das Krefelder Landgericht 1994 den Pfarrer Dieter I. fur vier Jahre hinter Gitter, weil er einem arglosen Kind zunachst pornografische Videos gezeigt und dann von dem Jungen Nacktfotos und -filme angefertigt hatte. Er wurde nach dem Absitzen seiner Strafe noch jahrelang vom Generalvikariat beschaftigt.

Oder der Fall von Pfarrer M.: Er war bereits 1978 wegen sexuellen Missbrauchs Minderjahriger verurteilt worden, wie Bistumssprecher Franz Kretschmann am Dienstag bestatigte. Spater setzte die Bistumsleitung den vorbestraften Padophilen als Geistlichen in der Aachener Innenstadt-Pfarre St. Foillan ein. M. starb 2005.

Das Weite gesucht hat unterdessen Pfarrer L: Er hatte als Gefangnisseelsorger in der JVA Heinsberg Strafgefangene missbraucht. Verurteilt wurde der Priester im Jahr 2000. Jahre spater wurde L. an die deutsche Gemeinde in London versetzt - im Auftrag des Bistums Aachen. Kenner der innerkirchlichen Gepflogenheiten sprechen im Zusammenhang mit diesen Beispielen von «der Spitze des Eisbergs».

Immer wieder werden Vorwurfe laut, die katholische Kirche verschleiere Sexualverbrechen in den eigenen Reihen und verfahre mit uberfuhrten Straftatern zu harmlos. Widerspruch kommt vom Missbrauchsbeauftragten der Aachener Diozese. «Allein die Einrichtung der Kommission als Folge der Missbrauchsfalle, die ab 2001 erst in Irland und den USA, dann auch in Europa und Deutschland bekannt wurden, hat schon vieles geandert», betont Winden.

«Die Problematik wird kirchlicherseits viel ernster genommen als fruher. Jeder Verdachtsfall wird konsequent gepruft und verfolgt», sagt er. Dass in der Offentlichkeit der Eindruck entstehe, man verschweige Informationen zu Ermittlungen, sei ausschlie?lich auf den Schutz von Opfern und womoglich zu Unrecht Beschuldigten zuruckzufuhren. Sonst nichts.

Verdachtsfalle sofort melden

Wer den Verdacht hat, dass Minderjahrige von einem Geistlichen missbraucht werden, sollte dies sofort der Kommission von Hans-Willi Winden unter Telefon 02151/561394 oder 02181/48217 melden. Auch entlastende Zeugenaussagen zu bekannten Fallen oder Selbstanzeigen von Tatern werden unter diesen Nummern entgegengenommen.

 
 

Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.