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  Sexueller Missbrauch in Der Katholischen Kirche

Der Spiegel
February 26, 2010

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,680638,00.html

Kloster Ettal: "Es geht hier nicht um Streicheln unterm T-Shirt"

Der Missbrauchsskandal im Benediktinerkloster Ettal weitet sich aus: Inzwischen haben sich rund 20 mutma?liche Opfer gemeldet, die Staatsanwaltschaft ermittelt in zwei Fallen aus dem Jahr 2005. Der stellvertretende Abt und Schulleiter des Internats ist zuruckgetreten.

Munchen - Der Skandal um sexuelle Ubergriffe katholischer Mitarbeiter an Internaten zieht immer weitere Kreise. Im Fall der oberbayerischen Abtei Ettal haben sich inzwischen rund 20 mutma?liche Opfer von Missbrauch oder Misshandlung bei den beiden von der Kirche eingesetzten Ombudsmannern gemeldet, wie diese am Freitag bei einer Pressekonferenz in Munchen bekanntgaben.

Es gebe Vorwurfe gegen insgesamt vier Patres, von denen einer bereits tot sei, sagte der bischofliche Beauftragte fur die Prufung von Missbrauchsvorwurfen und Ombudsmann Siegfried Knei?l. Au?er uber Missbrauch berichteten ehemalige Schuler inzwischen auch uber korperliche Gewalt und harte Prugelstrafen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt demnach in zwei Fallen von sexuellem Missbrauch aus dem Jahr 2005, von dem zwei Schuler als Betroffene berichtet hatten. "Die Vorwurfe sind handfester Missbrauch", sagte Knei?l.

Rechtsanwalt Burkard Gopfert, der am Dienstag zusammen mit Knei?l als Ombudsmann eingesetzt worden war, fugte hinzu: "Es geht hier nicht um Streicheln unterm T-Shirt." Die Schuler hatten sich schon 2005 an die Leitung des Internats gewandt. Sie hatten aber nicht den Eindruck gehabt, dass ihre Angaben in der Form weitergetragen worden seien, wie sie es erwartet hatten, so Gopfert.

Am Freitag trat in Ettal nach dem Abt auch dessen Stellvertreter und Schulleiter des dortigen Internates, Pater Maurus Kra?, von seinen Amtern zuruck. Er ubernahm damit die Verantwortung dafur, dass Verdachtsfalle aus dem Jahr 2003 und 2005 nicht gemeldet worden waren.

"Konstante und furchtbare Schlage"

Der Generalvikar des Erzbischofs von Munchen und Freising, Pralat Peter Beer sagte, die Vorwurfe mussten ruckhaltlos aufgeklart und Taten "ohne jeden Kompromiss" geahndet werden: "Als Priester und Padagoge erschuttert es mich zutiefst, welche gro?e Kluft es zwischen Anspruch und Wirklichkeit offenbar geben kann."

Die meisten der Opfer, die sich seit Dienstag bei den Ombudsmannern gemeldet hatten, seien inzwischen erwachsen. Die Falle stammten aus den siebziger und achtziger Jahren und seien strafrechtlich damit verjahrt. Moglicherweise falle es Erwachsenen leichter, heute uber die Vorfalle zu sprechen. Von den derzeitigen Schulern gebe es praktisch keine Meldungen, sie wurden aber von dem vom Kloster eingesetzten Sonderermittler befragt.

Die Ombudsmanner zitierten aus Mitteilungen, die sie erhalten hatten. "Mit Grauen erinnere ich mich an die konstanten und furchtbaren Schlage", schrieb ein Schuler aus den achtziger Jahren. Eine Mutter berichtete davon, dass ihr Sohn als Folge erlittenen Leids heute Alkoholiker sei. Ein ehemaliger Schuler erklarte den Ombudsmannern: "Fur mich war es eine Holle, die oft wieder hochkommt."

Gopfert sprach von einer Mauer des Schweigens im Kloster, Knei?l von einem beharrlichen Schweigen, durch das in der Vergangenheit die Moglichkeit neuer Falle nicht verhindert worden sei.

Vorwurfe gegen Erzabtei St. Ottilien

Zudem gibt es weitere Vorwurfe gegen die Erzabtei St. Ottilien. Dort gingen Beschuldigungen gegen ein ehemaliges Ordensmitglied ein. Eine Beauftragte des Klosters habe "bereits Kontakt mit dem Opfer aufgenommen", erklarte das Missionsbenediktiner-Kloster.

Der Beschuldigte war in den sechziger Jahren Erzieher und Lehrer am Internat des Klosters. Bereits damals habe es Vorwurfe gegeben, sagte Pressesprecher Martin Wind. Der Beschuldigte sei daraufhin aus allen Aufgaben mit Kindern abgezogen worden. 1969 habe er den Orden verlassen. Die Staatsanwaltschaft hat ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet.

Kritik an der Deutschen Bischofskonferenz

Unterdessen wurde Kritik an der Deutschen Bischofskonferenz im Zusammenhang mit den von ihr angekundigten Schritten gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche laut. Der Sprecher der Missbrauchsopfer, Norbert Denef, sprach im ZDF am Freitag von mangelndem Aufklarungswillen und sogar einer "Verhohnung der Opfer".

Erzbischof Robert Zollitsch hatte sich Donnerstag dagegen ausgesprochen, bei jedem Missbrauchsfall in der Kirche sofort und automatisch die Staatsanwaltschaft einzuschalten.

Auch die Bewegung "Wir sind Kirche" halt die Reaktionen der Bischofe laut WDR nicht fur ausreichend. Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens sagte im ZDF, sie hatte eine Aufklarung durch Au?enstehende fur besser gehalten.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete die Erklarung der Bischofskonferenz dagegen als einen Schritt in die richtige Richtung. Aus der CSU-Fraktion im Bundestag kam die Forderung, Kindesmissbrauch kunftig als Verbrechen einzustufen, so dass die Mindeststrafe ein Jahr betrage. Zudem solle die Hochststrafe von 10 auf 15 Jahre erhoht werden.

 
 

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