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  Staatsanwaltschaft Im Kloster Ettal

Frankfurter Allgemeine
March 2, 2010

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Kloster Ettal im Landkreis Garmisch-Partenkirchen

02. Marz 2010 Im Skandal um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hat es eine Durchsuchung in einem Kloster gegeben. Am Dienstag durchsuchte die Munchner Staatsanwaltschaft das oberbayerische Kloster Ettal, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Dort sollen Schuler von Geistlichen sexuell missbraucht worden sein. „Seit Nachmittag laufen Ermittlungen vor Ort in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft“, bestatigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Munchen II. Ob es uberhaupt schon einmal eine Razzia in einem Kloster gegeben habe, konnte ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz auf Nachfrage nicht beantworten.

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft steht im Zusammenhang mit Vorwurfen von etwa 20 Personen, die angegeben hatten, als Schuler von Ordensbrudern geschlagen oder missbraucht worden zu sein. Einem mittlerweile verstorbenen Pater, der trotz der Beschuldigungen noch bis 2004 an der Klosterschule unterrichtet hatte, werden Ubergriffe in den 70er und 80er Jahren vorgeworfen.

Die Durchsuchungen in dem oberbayerischen Vorzeigeinternat des Benediktinerordens sind ein vorlaufiger Tiefpunkt in dem Skandal um Gewalt und sexuellen Missbrauch in katholischen Erziehungseinrichtungen. Seitdem Ende Januar erste Missbrauchsfalle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden sind, haben sich bereits mehr als 150 Betroffene gemeldet. Die meisten Falle in verschiedenen katholischen Einrichtungen in ganz Deutschland liegen Jahrzehnte zuruck. Missbrauchsskandale haben die katholische Kirche bereits in Irland, den Vereinigten Staaten und Osterreich erschuttert - und auch eine Diskussion uber den Zwangszolibat - das Keuschheitsgebot fur Priester - entfacht.

Drei Monche aus Kloster Wechselburg suspendiert

Im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwurfen an dem Benediktinerkloster wurden auch drei Monche aus dem Kloster Wechselburg in Sachsen suspendiert und von ihren seelsorgerischen Aufgaben entbunden. Gegen sie lagen Missbrauchsvorwurfe aus ihrer Zeit an der Schule und dem Internat in Ettal vor, teilte das Bistum Dresden-Mei?en am Dienstag mit. Damit wurde ein Bericht der in Chemnitz erscheinenden „Freien Presse“ bestatigt.

Was genau den Mannern vorgeworfen wird, wisse man nicht, sagte ein Bistumssprecher. Verdachtsfalle aus dem Kloster Wechselburg gab es bislang nach Angaben des Bistums nicht, Bischof Joachim Reinelt kundigte aber an, Anhaltspunkten auf mogliche Verdachtsfalle grundlich nachzugehen. Einer der drei Monche sei fur das Jugend- und Familienhaus des Klosters in Wechselburg verantwortlich gewesen.

Das Erzbistum Munchen-Freising bestatigte am Dienstag einen Missbrauchsfall in einer Munchner Pfarrei. In den Jahren zwischen 2002 und 2003 habe sich ein auslandischer Ordensgeistlicher mehrmals an einem damals 13-jahrigen Madchen vergangen. Nach seiner Versetzung in eine Pfarrei in Furstenfeldbruck und einer Bewahrungsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs kam es dort trotz eines kirchlichen Verbots fur Jugendarbeit moglicherweise zu weiteren sexuellen Ubergriffen auf zwei Madchen. Der Bistumssprecher kundigte ruckhaltlose Aufklarung an, der Monch sei inzwischen in seine Heimat zuruckgekehrt.

Nach Einschatzung des Vereins ehemaliger Heimkinder sind viel mehr Kinder und Jugendliche in katholischen Einrichtungen sexuell missbraucht worden als bislang angenommen. Rund 70 Prozent der 450 Vereinsmitglieder wurden nach Einschatzung der Vereinsvorsitzenden Monika Tschapek-Guntner in der Kindheit und Jugend in Heimen missbraucht. Der Missbrauch reiche bis zur Vergewaltigung. Der Gro?teil ihrer Mitglieder - rund 80 Prozent - sei in katholischen Heimen aufgewachsen.

Debatte um Verjahrungsfristen

Seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals an Jesuitenschulen Ende Januar meldeten sich jeden Tag zahlreiche Opfer bei Tschapek-Guntner. „Leute rufen an und sagen: „Mir ist das auch passiert““, sagte sie. „Die Menschen halten es nicht mehr aus und mussen reden.“ Tschapek-Guntner warf der katholischen Kirche „Falschheit“ vor. Zwar wolle die Kirche den Eindruck erwecken, die Missbrauchsfalle aufklaren zu wollen, jahrelang habe sie Opfer aber unter Druck gesetzt oder mit Geld zum Schweigen gebracht. „Da wird die Decke der Verschwiegenheit ausgebreitet. Das ist grausam und das halten wir kaum aus.“

Der langjahrige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, wies den Vorwurf der systematischen Vertuschung scharf zuruck. „Dies ist eine ganz und gar unberechtigte Unterstellung“, schrieb der Bischof von Mainz in seiner Veroffentlichung „Auf ein Wort“ fur Marz 2010 und sprach von Verleumdung. Fruher habe es vielleicht „eine Verharmlosung oder gar Verniedlichung in einzelnen Fallen gegeben“. Seit Jahren bemuhe sich die Kirche aber nun schon um Aufklarung, betonte Lehmann. „Es ist also barer Unsinn zu behaupten, die katholische Kirche habe keinen uberzeugenden Willen zur Aufklarung.“

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erwagt nach dem Bekanntwerden zahlreicher Missbrauchsfalle eine Verlangerung der zivilrechtlichen Verjahrungspflichten. Bislang konnen minderjahrige Missbrauchsopfer nach Angaben des Ministeriums noch bis drei Jahre nach ihrem 21. Geburtstag Anspruch auf Entschadigung erheben. „Das ist oft zu kurz“, sagte sie in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“.

Die Ausweitung strafrechtlicher Verjahrungsfristen sei zwar problematisch, einer Verlangerung der Anspruchsfristen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld stehe sie aber positiv gegenuber. Auch wenn mit Geld ohnehin nichts gutzumachen sei, sei das ein „Zeichen an die Opfer“, sagte sie dem Blatt.

Familienministerin fur Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch

Bundesfamilienministerin Kristina Schroder (CDU) macht sich unterdessen dafur stark, einen Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch einzurichten. Sie unterstutzt damit einen Vorschlag des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, der ein solches Format anstelle eines Treffens, zu dem allein Kirchenvertreter eingeladen waren, ins Gesprach gebracht hatte.

Schroder sagte der F.A.Z: „Ich habe fur diesen Vorschlag eines gro?en Runden Tisches zur Bekampfung von Kindesmissbrauches und Kinderpornographie gro?e Sympathie. Ich finde es falsch, jetzt nur die katholische Kirche an den Pranger zu stellen. Probleme mit Kindesmissbrauch gibt es in unterschiedlichen Bereichen. Etwa in Internaten - egal ob kirchliche Einrichtungen oder sakulare -, in Sportvereinen oder in den Familien Deshalb ist die Idee gut, alle Akteure zu versammeln, um gemeinsame Strategien zu entwickeln.“

 
 

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