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  Bayerns Kirche in Ihrer Schwersten Krise

By Julia Weber
Welt
März 7, 2010

http://www.welt.de/die-welt/vermischtes/article6673749/Bayerns-Kirche-in-ihrer-schwersten-Krise.html

GERMANY -- Die Reihe von Missbrauchsfällen und Misshandlungen durch Priester und Pater in Klosterschulen erschüttert die Katholiken im Freistaat Man kann den Bayern ihr Engagment in der Kirche nicht absprechen. Tausende stellen sich an diesem Wochenende im ganzen Freistaat bei den Pfarrgemeinderatswahlen wieder für ein Ehrenamt zur Verfügung. Doch ihr Glaube an die Katholische Kirche wird gerade auf eine harte Probe gestellt.

Fast täglich wurden vergangene Woche neue Scheußlichkeiten bekannt: sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, Prügelorgien und Pornografie in Klosterschulen. Erstmals hielt es die Staatsmacht sogar für angezeigt, ein Kloster zu durchsuchen.Die Staatsanwaltschaft München II rückte in die Benediktinerabtei Ettal ein und nahm Akten mit. Dabei hatten die Beamten auch kinderpornografisches Material gefunden. Ein bisher beispielloser Vorgang.

Viele ehemalige Schüler hatten davor in erschütternden Berichten von sexuellen übergriffen, körperlicher Züchtigung und massiven Schlägen berichtet, so der in Kloster Ettal eingesetzte Sonderermittler, der Münchner Strafverteidiger Thomas Pfister, der von "einer Kultur des organisierten Schweigens und Wegschauens" spricht.

In der Vergangenheit hatten Mönche die ihnen anvertrauten Kinder immer wieder sexuell, physisch und psychisch misshandelt, sagte Pfister. Erschütternde Taten, die großteils heute zwar verjährt seien, "wenn sie aber von weltlichen Gerichten verhandelt worden wären, wahrscheinlich zu jahrelangen Haftstrafen geführt hätten".

Für Bayerns Katholiken brach eine Welt zusammen. "Das ist eine große Belastung für die Kirche", sagte auch Alois Glück, Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), im Gespräch mit der "Welt am Sonntag". "Das Verdrängen, das Wegschauen, die mangelnde Aufklärung waren schwere Versäumnisse", sagt Glück und fordert: "Jetzt muss die Wahrheit ans Licht."

Denn nicht nur im Kloster Ettal, sondern in ganz Bayern scheinen übergriffe über Jahre an der Tagesordnung gewesen zu sein. Opfer berichteten unter anderem von St. Ottilien, dem Maristenkolleg in Mindelheim, aus Fürstenfeldbruck, Burghausen und Würzburg. Selbst die weltberühmten Regensburger Domspatzen sollen betroffen gewesen sein. Was die öffentlichkeit besonders erzürnte: Oft wurden die Täter, selbst wenn sie wie im Fall Riekofen zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden, von der Kirche andernorts wieder in der Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt.

Mit Ettal aber scheint das Vertuschen nun ein Ende zu haben. Der Druck ist mittlerweile so groß, dass sogar der Münchner Erzbischof Reinhard Marx eingriff. Obwohl er kirchenrechtlich für die Benediktiner gar nicht zuständig ist - sie unterstehen dem Päpstlichen Stuhl -, erwirkte Marx den Rücktritt des Abts von Ettal, Barnabas Bögle, und von Schulleiter Pater Maurus Kraß. Beide hatten Missbrauchsvorwürfe, die 2003 und 2005 bekannt geworden waren, nicht dem Ordinariat gemeldet.

Endlich! - das ist die einhellige Meinung vieler Katholiken zu Marx' Durchgreifen. "Die Reaktion von Bischof Marx war ein notwendiger Schritt, es hat viel zu lange gedauert, bis die Kirche die Opfer im Blick hatte und nicht nur ihre Priester", sagt zum Beispiel Johannes Grabmeier, Vorsitzender der katholischen Organisation "Laienverantwortung Regensburg".

Auch Alois Glück spricht sich entschieden für eine lückenlose Offenlegung aller Tatsachen aus: "Im Mittelpunkt müssen die Opfer stehen und nicht der Schutz der Organisation. Da gibt es jetzt wichtige Veränderungen innerhalb der Kirche." Glück glaubt, dass die Kirche jetzt auf dem richtigen Weg sei. Es würden Strukturen geschaffen, die eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit ausschlössen.

Lange Zeit prägte ein Kartell des Schweigens Bayerns Kirche. So gaben die Mindelheimer Maristen erst jetzt öffentlich zu, dass ihr ehemaliger Internatsleiter wegen Missbrauchs von Schülern versetzt wurde. In Fürstenfeldbruck musste 2006 ein Kaplan, der die Jugendarbeit in einer katholischen Gemeinde geleitet hatte, gehen. Er war wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, erfahren sollte davon aber niemand. Am bekanntesten ist der Fall von Riekofen bei Regensburg, wo ein Priester, von dem das Ordinariat wusste, dass er wegen eines übergriffs auf Ministranten bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, erneut einen Jugendlichen missbrauchte.

Auch bei den Regensburger Domspatzen, deren Chor von 1964 bis 1994 Georg Ratzinger, der Bruder Papst Benedikts XVI., leitete, wurden Jungen sexuell missbraucht. Die Domspatzen, die auf der ganzen Welt auftreten, werden in Regensburg in einem Musikgymnasium unterrichtet. Die Vorfälle ereigneten sich zwischen den Jahren 1958 und 1973, die Täter sollen rechtmäßig verurteilt worden sein, gaben die Domspatzen selbst auf ihrer Homepage in einem offenen Brief bekannt.

Eine lange Kette von Missbrauchsfällen, von denen sich zwar viele vor 20, 30 Jahren abspielten, die die Kirche aber dennoch heute mit aller Wucht einholen. "Auch ich bin sehr bedrückt durch die Ereignisse. Die Kirche muss jetzt wieder Vertrauen zurückgewinnen", sagt Alois Glück. Wie er fordert auch Albert Schmid, Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken, rasche Konsequenzen innerhalb der Kirche. Doch Schmid drängt auch auf ein Umdenken in den Internaten: "Dort muss eine zeitgemäße Pädagogik Einzug halten, da gibt es evidente Defizite", sagte Schmid der "Welt am Sonntag".

Johannes Grabmeier geht noch weiter. Er fordert grundlegende strukturelle änderungen innerhalb der Kirche. "Die starre Hierarchie und die dort herrschende Sexualmoral erleichtern leider solche Missbrauchfälle", glaubt Grabmeier. Deshalb sei er erschüttert, wie der Augsburger Bischof Walter Mixa die sexuellen übergriffe zu erklären versuche.

Mixa hatte die sogenannte sexuelle Revolution in den 60er-Jahren für den Missbrauch an Minderjährigen mitverantwortlich gemacht. Der katholische Bischof hatte unter anderem gesagt, die "von besonders progressiven Moralkritikern" geforderte "Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen" sei "daran sicher nicht unschuldig". "Das ist wirklich ein reines Ablenkungsmanöver", sagt Grabmeier. "Durch den Zölibat und die überhöhung des Priesteramtes gibt es eine negative Auslese." Die Sexualmoral innerhalb der Kirche müsse korrigiert werden, sagt Grabmeier.

Wie es nun weitergeht, wie das verlorene Vertrauen vieler Gläubiger zurückgewonnen werden kann, soll nun von höchster Stelle geklärt werden. Zumindest in Ettal. Dort bat die Klosterleitung den Papst um die Entsendung eines Apostolischen Visitators. Dieser Sondergesandte ist allein dem Papst unterstellt. Alle Kirchenorganisationen sind verpflichtet, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er soll sich ein Bild von der Situation verschaffen, anhand dessen der Papst "weitere Maßnahmen" einleiten werde.

[summary]

Catholics in Bavaria have been shocked by the misuse and abuse by priests in convent schools. One cannot deny Bavarians their engagement in the church. This weekend thousands faced parish council elections across the state. But their faith in the Catholic Church has been put to the test.

Almost daily last week new atrocities were made known involving sexual abuse of children and adolescents, beatings and pronography in convent schools. For the first time the Munich prosecutor moved into the Benedictine Ettal monastery and took files. These officials also found child pornography material. This was an unprecedented process.

Many former pupils told harrowing stories of sexual assault, corporal punishment, reporting massing blows, according to Thomas Pfister, the Munich-based defense lawyer who is acting as special prosecutor for the Ettal monastery. He spoke of a culture of silence.

Pfister said in the past children in care of the monks repeatedly sexually, physically and mentally abused them. The acts were so shocking that if they had been tried in secular courts, there probably would have been years of imprisonment.

For Catholics of Bavaria the world has collapsed. Alois Gluck president of the Central Committee of German Catholics, said the revelations are a great burden for the church. The repression, the looking away and lack of education were seriously failings, he said. He said truth is now coming to light.

The abuse happened not only at the Ettal monastery but attacks seem to have happened all over Bavaria. Victims reported abuse at St. Ottilie, the Maristenkolleg in Mindelheim, from Furstenfeldbruck, Burghausen and Wurzburg. The world-famous Regensburg cathedral choir was affected. What particularly angered the public was often the perpetrator, even whe sentenced as in the case at Riekofen, got suspended sentences and were moved elsewhere to do children's and youth work.

With Ettal the cover-up now appears to have an end. The pressure is now so great that even Archbishop Reinhard Marx of Munich has intervened. He is not canonically responsible for the Benedictines - they are subject to the Holy See - but Marx obtained the resignation of the abbot of Ettal, Barnabas Bogle, and Headmaster Father Maurus Krass. Both knew of abuse allegations made in 2003 and 2005 but did not report them to diocesan authorities.

Finally! This is the unanimous opinion many Catholics have of Marx's crackdown. The response from Bishop Marx was a necessary step but it took far too long for the church to have victims in mind and not just priests, said Johannes Grabmeier, the chairman of the Catholic organization "Lay Responsibility Regensburg,"

Alois Gluck also spoke strongly for a complete disclosure of all facts. The focus must be on victims and not protection of the organiation, he said. There are now significant changes within the church and he believes the church is now on the right track, he said.

Also Georg Ratzinger, brother of Pope Benedict XVI, directed the Regensburg Cathedral choir from 1964 to 1994. Boys were sexual abused. The incidents happened between 1958 and 1973.

 
 

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