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  Immer Mehr Missbrauchsfalle: Kirche Zittert Um Mitglieder

Die Presse
March 11, 2010

http://diepresse.com/home/panorama/religion/545623/index.do?direct=544836&_vl_backlink=/home/panorama/religion/546958/index.do&selChannel=399

Ehemalige Internatsschuler im Stift Kremsmunster erheben schwere Missbrauchs-Vorwurfe, immer mehr Opfer gehen an die Offentlichkeit. Die katholische Kirche furchtet nun einen weiteren Mitgliederschwund.

Kaum ein Tag ohne neue Missbrauchsvorwurfe in der katholischen Kirche Osterreichs. In Oberosterreich wurden gleich drei mutma?liche schwarze Schafe gestellt, sie sollen im Stiftsgymnasium Kremsmunster in den 80er Jahren Schuler geschlagen und sexuell missbraucht haben. Ordensvertreter entschuldigten sich, die Beschuldigten sind bereits ihres Amtes enthoben.

Trotzdem bleibt der Run auf die kirchlichen Stellen ungebrochen, die Kirche furchtet nun einen weiteren Mitgliederschwund.

Einer der mittlerweile 75-jahrigen Mitbruder in Kremsmunster habe den ihm vorgeworfenen Ubergriff bestatigt, gab Abt Ambros Ebhart in einer eilig einberufenen Pressekonferenz bekannt. Insgesamt funf mogliche Opfer haben sich gemeldet.

Eines von funf Opfern, die sich gemeldet haben, hatte gegenuber den "Oberosterreichischen Nachrichten" (OON) gewalttatige Erziehungspraktiken sowie damit verbundene sexuelle Ubergriffe im Benediktinerstift beschrieben.

Auch neue Falle in Mehrau

Auch im Internat des Privatgymnasiums des Bregenzer Zisterzienser-Klosters Mehrerau konnte es offenbar noch weit mehr als die in den vergangenen Tagen offentlich bekanntgewordenen Missbrauchsfalle gegeben haben.

Ein ehemaliger Schuler schilderte in einem Interview den Missbrauch mehrerer seiner Mitschuler und ging auch auf die Rolle des damaligen Abts Kassian Lauterer ein: "Dieser hat - man muss fast sagen - uns befohlen, daruber den Eltern ja kein Wort zu sagen".

Austritte-Rekord wird befurchtet

Unterdessen meldeten sich nicht nur weitere angebliche Opfer sexueller Ubergriffe bei den zustandigen Ombudsstellen in den Diozesen, auch die Telefone bei den Kirchenbeitragsstellen liefen hei?. Mitglieder machten nicht nur ihrem Unmut Luft, auch neue Austritte werden befurchtet. Bereits im vergangenen Jahr hat es bei den Austritten ein Rekordniveau gegeben.

Die Erzdiozese Wien vermeldete zwolf mogliche neue Missbrauchsfalle, die allesamt in der vergangenen Woche bei der Ombudsstelle gemeldet wurden. Oft handelt es sich bei den gemeldeten Fallen nicht um sexuellen Missbrauch, wohl aber um gewalttatige Ubergriffe. Viele davon liegen Jahrzehnte zuruck. Aufgrund des Ansturms kundigte die Erzdiozese Salzburg sogar an, ihre Ombudsstelle zu erweitern. Auch dort furchtet man einen deutlichen Anstieg bei den Austritten.

In Zahlen bereits spurbar wird die Missbrauchswelle in den Austritten der Diozese Feldkirch. Im Janner 2010 kehrten dort knapp 350 Personen der Kirche den Rucken, mehr als doppelt so viele wie 2009.

Politik schaltet sich ein

Auch eine politische Debatte entbrannte angesichts der Missbrauchsfalle. SPO-Justizsprecher Hannes Jarolim forderte unter anderem eine Verlangerung der Verjahrungsfristen sowie eine Verdoppelung des Strafrahmens. Weiters drohte er der Kirche mit einer "gesetzlichen Anzeigepflicht", falls sie ihre Kenntnisse von sexuellem Missbrauch weiterhin geheim halte. Fur die Opfer will Jarolim einen Entschadigungsfonds, aus dem 50.000 bis 70.000 Euro als Schmerzensgeld und fur Behandlungskosten bezahlt werden konnen.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPO) kann sich sogar einen Wegfall der Verjahrungsfristen vorstellen. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (OVP) erklarte, sie sei bereit, eine Anzeigenpflicht bei Sexualdelikten zu diskutieren. Sie habe allerdings "keine konkreten Plane und keinen Grund, jetzt aktiv zu werden", sei aber "offen" und beobachte die internationale Debatte. Uber eine Anzeigenpflicht bei Sexualdelikten konne man diskutieren.

Zuruckhaltend geben sich die Grunen: Uber Verjahrungsfristen konne man grundsatzlich diskutieren, meinte Justizsprecher Albert Steinhauser, er warnte aber vor "Schnellschussen". Einen Runden Tisch forderte BZO-Chef Josef Bucher, Bandion-Ortner solle sofort dazu einladen. Die FPO, die auch fur eine Verlangerung der Verjahrungsfristen ist, nutzte die Diskussion am Donnerstag fur Wahlkampftone in Sachen Bundesprasident: Man vermisse eine "klare und unmissverstandliche Verurteilung" der Falle durch Bundesprasident Heinz Fischer.

 
 

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