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  Missbrauchsfälle Auch in Norddeutschland

Der Spiegel
March 13, 2010

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,683441,00.html

GERMANY -- Der Skandal um Missbrauch an katholischen Einrichtungen nimmt kein Ende. Auch in einem Internat in Cloppenburg sollen drei Priester und ein Laie sich an Kindern vergangen haben. Der Papst schweigt und gerät unter Druck. Der Vatikan sieht ihn als Kampagnenopfer.

Rom/Berlin - Neue Verdachtsfälle auf Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche: Nachdem der SPIEGEL über Vorfälle bei den Regensburger Domspatzen berichtet hatte, die sich noch bis in die neunziger Jahre hinzogen, bestätigte das Offizialamt im niedersächsischen Vechta nun einen Bericht der "Nordwest-Zeitung" über mutmaßliche übergriffe in Norddeutschland.

Katholische Priesterweihe: Erneut sind mutmaßliche Missbrauchsfälle bekanntgeworden

Die Fälle stammten aus den fünfziger und sechziger Jahren, sagte ein Sprecher des Offizialamts am Samstag. Neben drei Priestern, die inzwischen gestorben seien, werde ein Laie verdächtigt, der an einem mittlerweile geschlossenen Internat in Cloppenburg beschäftigt war. In den vergangenen Tagen hätten sich Betroffene gemeldet. Von den Vorwürfen sei die zuständige Kommission des Bistums Münster informiert worden, die mit den Betroffenen Kontakt aufnehmen werde.

Seit Ende Januar sind Dutzende Missbrauchsfälle in fast allen 27 katholischen Bistümern Deutschlands bekanntgeworden. Der Skandal nahm am Berliner Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg seinen Ausgang.

Missbrauchsmeldungen auch in der Schweiz

Auch in der Schweiz häufen sich Berichte über Kindesmissbrauch. Mittlerweile sind rund 60 mutmaßliche Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche gemeldet worden. Die Fälle seien den Anlaufstellen in den Diözesen mitgeteilt worden, sagte Martin Werlen, Abt des Benediktinerklosters von Einsiedeln und Mitglied einer Kommission zum Thema Missbrauch, der "Mittelland Zeitung". Ob hinter den Meldungen tatsächlich 60 übergriffe stünden, müsse geprüft werden.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte mehr Details zu den bekanntgewordenen Vorfällen. "Um das Ausmaß der Missbrauchsfälle vollständig erfassen und bewerten zu können, wäre es hilfreich, wenn dazu möglichst umfassendes und belastbares Zahlenmaterial von den betroffenen Institutionen vorgelegt würde", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) laut Vorabbericht.

Zugleich regte die FDP-Politikerin eine unabhängige Kommission an. Der Blick auf Länder wie Irland oder Amerika zeige, dass unabhängige Experten einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung leisten könnten. ähnlich hatte sich Grünen-Chefin Claudia Roth geäußert.

Nahles warnt vor auf die Kirche verengten Blick

Die Generalsekretäre von SPD und CSU, Andrea Nahles und Alexander Dobrindt, warnten in der FAS derweil davor, nur auf die Kirche zu sehen. Nahles sagte, sie rate Leutheusser-Schnarrenberger "nicht so zu tun, als müsse nur in der katholischen Kirche nach Schuldigen gesucht werden. Sie wird sonst bald von anderen Einsichten überholt".

Zugleich forderte die Katholikin Nahles, es dürfe "keine systematische Vertuschung mehr geben". Kindesmissbrauch sei ein "breites gesellschaftliches Phänomen". Sie sei überzeugt, dass Kindesmissbrauch heute nicht seltener vorkomme als früher.

CSU-Generalsekretär Dobrindt sagte, "rückhaltlose Aufklärung und Transparenz" seien "der einzig richtige Weg, nicht nur für die katholische Kirche".

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) brachte in der "Passauer Neuen Presse" vorbeugende Therapien für Pädophile ins Gespräch.

Weihbischof stellt Zölibat in Frage

Unterdessen hat sich eine Debatte über den Zölibat entwickelt. Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, trat für eine Aufhebung des Zölibats für Priester ein. Die Kirche müsse Konsequenzen struktureller Art ziehen und dabei überlegen, ob es kirchenspezifische Bedingungen für den Missbrauch gebe, sagte Glück der "Süddeutschen Zeitung". Die Lockerung des Pflichtzölibats sei ein Weg, so der CSU-Politiker. Allerdings sei das Problem damit allein nicht gelöst.

Auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke stellt die Pflicht zum Zölibat in Frage. Im Gespräch mit dem "Hamburger Abendblatt" plädierte er dafür, katholischen Priestern die Ehe zu erlauben.

Papst Benedikt XVI., der sich am Freitag vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz Robert Zollitsch über das Ausmaß der Affäre unterrichten ließ, hält dagegen am Zölibat fest. Die Ehelosigkeit der Priester sei ein Geschenk Gottes, das nicht dem Zeitgeist geopfert werden solle, sagte der Papst.

Strip-Poker in der Odenwaldschule

Die Schriftstellerin Amelie Fried, Ex-Schülerin des ebenfalls wegen Missbrauchs ins Kreuzfeuer geratenen Reforminternats Odenwaldschule, forderte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" den früheren Schulleiter Gerold Becker auf, nicht mehr zu schweigen und sich bei Opfern zu entschuldigen. Sie berichtete unter anderem vom Zwang zum Strip-Poker in dem Internat.

Ein anderer Ex-Schüler der Odenwaldschule in Heppenheim verlangt laut "Frankfurter Rundschau" etwa 80.000 Euro Schadenersatz. Dies entspreche drei Jahresbeiträgen der Schule. Damit würde die Schule "ihre Verantwortung und ihre Schuld eingestehen".

Der Vatikan sieht Papst Benedikt XVI. unterdessen als Opfer einer Kampagne im Skandal um sexuelle Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Deutschland. "In den letzten Tagen gab es einige, die mit einer gewissen Verbissenheit in Regensburg und in München nach Elementen gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchs-Fragen mit hineinzuziehen", kritisierte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Samstag in Rom. Diese Versuche seien jedoch "gescheitert".

Seit 2001 wurden dem Vatikan 3000 Missbrauchsfälle gemeldet

Lombardi bezog sich dabei auf neu bekanntgewordene Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen, die Benedikts Bruder Georg Ratzinger lange Zeit geleitet hatte, sowie auf einen Fall in München, in dem Ratzinger als damaliger Erzbischof von München und Freising der Versetzung eines wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteten Priesters von Essen nach München zugestimmt hatte, der später wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde.

Seit 2001 hat der Vatikan von rund 3000 Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche aus den vergangenen 50 Jahren erfahren. Diese Zahlen nannte ein Vertreter der päpstlichen Glaubenskongregation, Charles Scicluna, der italienischen Bischofszeitung "Avvenire".

In rund 60 Prozent der Fälle sei es um gleichgeschlechtliche Kontakte gegangen. Bei 30 Prozent der Beschwerden handelt es sich demnach um heterosexuelle Kontakte, nur in zehn Prozent der Fälle gehe es um pädophile übergriffe Geistlicher. Insgesamt seien in neun Jahren damit 300 von 400.000 Priestern weltweit der Pädophilie bezichtigt worden.

Nach Ansicht der Reformbewegung "Wir sind Kirche" ist eine Entschuldigung von Papst Benedikt XVI. überfällig. "Wir sind enttäuscht, dass der Papst bisher kein mitfühlendes Wort für eine Bitte um Vergebung und Versöhnung gefunden hat", sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner am Samstag in München.

[summary]

New cases of suspected child abuse by Catholic priests have beem made at a now-closed boarding school in Cloppenburg. Named were three priests, who are now dead, and a layman who worked at the school. The abuse is said to have happened in the 1950s and 1960s.

Since January, dozens of cases of abuse have been made know in almost all of the 27 dioceses.

 
 

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