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  Geistlicher Stellt Sich Staatsanwalt

Weiner Zeitung
March 15, 2010

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Hat sich bisher nicht zu Missbrauchsvorwurfen geau?ert: Papst Benedikt XVI.

Ambros Ebhart, Abt des mit mehreren Missbrauchsvorwurfen konfrontierten Stiftes Kremsmunster, hat am Wochenende mit der Bildung eines Krisenstabes die Flucht nach vorne angetreten. Erste Konsequenz: "Einer der Beschuldigten wird sich den Behorden stellen – ohne den Umweg uber die kirchlichen Stellen", kundigte er in einem ORF-Interview an.

Ziel sei die Abgabe einer Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft. "Das ist ein sehr deutlicher und ungewohnlicher, aber auch ein guter und notiger Schritt", sagte er. Ehemalige Schuler hatten dem Pater und zwei Mitbrudern, die laut Ebhart ebenfalls Selbstanzeige bei der Polizei erstatten wollen, sexuellen Missbrauch oder Misshandlung vorgeworfen. Die drei Manner wurden ihrer Amter enthoben. Damit sind insgesamt funf Geistliche suspendiert.

Damit es allerdings zu einer Anklage kommen kann, muss nun die Staatsanwaltschaft uberprufen, ob nicht etwa die Verjahrungsfrist fur die mutma?lichen Ubergriffe bereits abgelaufen ist. So konnte etwa im Falle des 55-jahrigen Paters, der sich gestellt hat, die Chance einer Anklage – Missbrauch verjahrt nach 20 Jahren – noch gegeben sein. Die Vorwurfe gegen zwei 75-jahrige Geistliche liegen hingegen zu lange zuruck. Einer der beiden hat sich trotzdem in einem personlichen Brief an ehemalige Zoglinge gewandt und entschuldigt. Er gibt darin zu, seine "Gefuhle oft zu wenig, manchmal auch gar nicht – bei anderen Gelegenheiten dann wieder zu deutlich und auf unzulassige Weise gezeigt" zu haben. Nie habe er ein "Sadist" sein wollen. Au?erdem habe er seine "Schuler ausnahmslos gern gehabt", beteuerte er. Und: Wenn er jemanden traumatisiert und seelisch verletzt habe, bedaure er das und bitte um Entschuldigung.

Vatikan: Druck wachst

Auf ein Wort der Entschuldigung hoffen aber auch jene zehn neuen Opfer, die sich erst am Montag bei der Missbrauchs-Ombudsstelle der Erzdiozese Salzburg gemeldet haben. Damit gingen hier binnen einer Woche beinahe so viele Meldungen ein, wie in der Stelle seit ihrem Bestehen insgesamt. Seit dem Jahr 2002 wurden in Summe 13 Anschuldigungen wegen moglichen Missbrauchs gepruft. Bei keiner einzigen davon kam es allerdings zu einem Strafverfahren, weil die Falle entweder verjahrt oder die mutma?lichen Tater schon verstorben waren.

Damit Tater in Zukunft nicht mehr davonkommen, haben sich neben Experten und Politikern nun auch hohe Vertreter des Vatikan fur eine umgehende Aufhebung der Verjahrungsfristen fur Missbrauchs-Delikte ausgesprochen. "Es ware zu wunschen, zum fruheren System zuruckzukehren, nach dem es fur schwerwiegende Vergehen keine Verjahrung gibt", zitierte die italienische Tageszeitung "Avvenire" ein romisches Kongregations-Mitglied.

Fur Kritiker ist der Vorsto? aus Rom wiederum zu wenig. Sie haben zuletzt Papst Benedikt XVI. immer wieder aufgefordert, zu den Vorwurfen gegen einzelne Geistliche Stellung zu nehmen. Eine erste Gelegenheit hatte der Pontifex beim Angelusgebet am Sonntag am Petersplatz ungenutzt verstreichen lassen und uber die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" ausrichten lassen, das negative Image der Kirche im Zusammenhang mit Ubergriffen sei "ubertrieben". Der lang erwartete Entschluss fur einen Kurswechsel kam hingegen am Montag. So hat der Leiter der papstlichen Akademie fur das Leben, Erzbischof Rino Fisichella, eine Erklarung des Papstes zum sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen angekundigt. Demnach werde Benedikt XVI. sein Schweigen schon bald brechen und in einem Hirtenbrief an die irischen Bischofe klare Ma?nahmen bekanntgeben, so der Erzbischof. Allerdings sei es ein "Zeichen der Gewalt und Barbarei", nun den Heiligen Stuhl und die gesamte Kirche in die Missbrauchsfalle hineinziehen zu wollen", erganzte er. Er bezog sich damit auf aktuelle Anschuldigungen gegen den romischen Bischof, der in seiner Zeit als Munchner Erzbischof einen Priester trotz Missbrauchsvorwurfen in die bayrische Hauptstadt versetzt haben soll.

Dass aber auch kirchenintern der Druck auf Papst Benedikt XVI. wachst, zeigt nicht zuletzt die Forderung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend an den deutschen Papst, zu den Vorwurfen und zum Zolibat Stellung zu beziehen.

Junge gegen Austritt

"Das beschaftigt die Menschen, ob die glaubig sind oder nicht", meinte ihr Vorsitzender, Dirk Tanzer, zur "Berliner Zeitung". Dies sei notig, weil sich die Kirche in einer ihrer tiefsten Sinnkrisen seit 1945 befinde. Aber auch in Osterreich rumort es. So werden auf Internet-Plattformen wie Facebook die Themen Missbrauch und Zolibat von Mitgliedern der Katholischen Jugend diskutiert. Tenor: "Die Kirche soll und muss sich andern." Den Austritt aus der Kirche sieht in diesen Foren kaum jemand als Losung, wie die Grundung der Facebook-Gruppe "Ja zum Kirchenbeitrag, Nein zu Kinderschanderei" beweist. Ob solche Initiativen helfen, ist ungewiss. So hat das Portal "Help.gv.at" hat mitgeteilt, dass die Zugriffe auf die Seite "Kirchenaustritt" von 200 auf 1400 taglich angestiegen sind.

Erstmals zu den Vorfallen zu Wort gemeldet hat sich Bundeskanzler Werner Faymann am Montag: Er sprach sich fur eine "hundertprozentige Aufklarung" und eine "sachliche Auseinandersetzung ohne Gehassigkeiten" aus.

[summary]

Ambros Ebhart, the abbot who is dealing with multiple allegations of abuse at Kremsmunster, over the weekend announced formation of a financial crisis group. One of the accused will face up to secular authorities without a detour through the ecclesicastical authorties, the abbot said. This is a significant and unusual step but one that is good and necessary, he said. Former students have accused the priest and two brothers of sexual abuse or mistreatment. Three men were dismissed from their posts. A total of five priests have been suspended.

Although it may lead to an indictment, the prosecution must now investigate whether the statute of limitations has expired.

 
 

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