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  „Abtreibung Ist Schlimmer“

Der Tagesspiegel
March 18, 2010

http://www.tagesspiegel.de/politik/art771,3059657

Auf der Karte sexueller Ubergriffe von Priestern an Kindern stellt Frankreich keinen wei?en Fleck dar. Etwa zehn Missbrauchsfalle, in denen gegen Angehorige der katholischen Kirche ermittelt wird, sind derzeit laut Auskunft der franzosischen Bischofskonferenz bei der Justiz anhangig. In 30 fruheren Fallen wurden von den Gerichten zum Teil harte Strafen verhangt, die jedoch zu ihrer Zeit kein besonderes Aufsehen erregten.

Zu einer Wende in der Behandlung solcher Skandale kam es jedoch vor zehn Jahren im Fall des Bischofs von Bayeux, Pierre Pican. Ein Priester seiner Diozese hatte sich schwerer sexueller Ubergriffe auf Minderjahrigen zuschulden kommen lassen und wurde von einem Schwurgericht zu 18 Jahren Haft verurteilt. Durch eine Anzeige von Eltern hatte der Bischof Kenntnis von den Taten des Priesters erhalten, sein Wissen aber nicht an die Justiz weitergegeben. Wegen der Nichtanzeige von Straftaten verhangte das Gericht gegen ihn eine Bewahrungsstrafe von drei Monaten. Es war das erste Mal seit der Revolution von 1789, dass ein hoher franzosischer Kirchendiener von der weltlichen Justiz verurteilt wurde. Und das zeitigte Folgen. Auf ihrer jahrlichen Konferenz in Lourdes beschlossen Frankreichs Bischofe darauf, in Fallen sexuellen Missbrauchs von Minderjahrigen ohne Einschrankung mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Seit 2002 wird allen angehenden und aktiven Priestern sowie Erziehern in katholischen Einrichtungen eine Broschure mit dem Titel „Kampf gegen die Padophilie“ ausgehandigt. 2005 musste sich der Bischof von Evreux vor Gericht verantworten. Er hatte einen in Kanada vorbestraften Priester zum Pfarrdienst in seine Diozese aufgenommen, der sich dort erneut an Kindern verging und zu zwolf Jahren Gefangnis verurteilt wurde. Der Bischof wurde freigesprochen, da das Gericht ihm nicht nachweisen konnte, dass er von der Vorstrafe wusste. Ungeklart blieb auch der Fall eines Sprechers der Bischofskonferenz. Als junger Priester soll er sich an Kindern vergangen haben. Das Verfahren wurde aber eingestellt; die Taten waren zur Zeit der Anzeige verjahrt. Hans-Hagen Bremer

In der Schweiz soll es nach dem Vorschlag des Benediktinerabts von Einsiedeln, Martin Werlen, eine zentrale Anlaufstelle fur kirchliche Missbrauchsopfer geben, die koordinieren und au?erhalb der katholischen Kirche arbeiten soll. Der Abt wandte sich im Gesprach mit der „Neuen Zurcher Zeitung“ gegen die Regelung der deutschen Bischofe, die einen Ortsbischof als offiziellen Beauftragten fur Falle sexuellen Missbrauchs ernannt hatte. Dies sei „eine zu gro?e Hemmschwelle fur Betroffene“, sagte Werlen, der Mitbegrunder eines Fachgremiums „Sexuelle Ubergriffe in der Pastoral“ der Schweizer katholischen Kirche ist. Laut Zeitung gab es in den vergangenen 15 Jahren 60 Meldungen uber Missbrauchsfalle in der katholischen Kirche der Schweiz. Der Jurist Adrian von Kaenel, Prasident des Fachgremiums, rechnet mit gro?eren Dimensionen: „Ich sehe keinen Grund, weshalb die Situation in der katholischen Kirche der Schweiz anders sein soll als etwa in Deutschland und Osterreich.“ KNA

In Polen werden die Missbrauchsfalle in Deutschland eher am Rande zur Kenntnis genommen. Eine breite Diskussion in der Gesellschaft gibt es daruber nicht. Selbst die konservative Zeitung „Rzeczpospolita“, die die Vorgange beim Nachbarn sehr genau und in der Regel uberaus kritisch verfolgt, berichtet wenig und sehr sachlich uber die Vorfalle. Mehr Raum gibt die liberale Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ dem Thema. Dort wird unter Uberschriften wie „Schwarze Wolken uber der deutschen Kirche“ von „lawinenartig steigenden Zahl der Opfer von Kindesmissbrauch“ geschrieben. In der Berichterstattung von „Gazeta Wyborcza“ klingt allerdings auch die Frage an, ob ein solcher Skandal in Polen ebenso moglich ware. Bereits vor zehn Jahren hatte ein Fall von sexueller Belastigung auch die polnische Kirche erschuttert. Die Vorwurfe richteten sich gegen einen Erzbischof, der nach anfanglicher Weigerung dann im Jahr 2002 von seinem Amt zurucktrat. Papst Johannes Paul II. nahm das Gesuch damals kommentarlos entgegen. Knut Krohn

Versteckte Kameras in den Knabenduschen, unsittliche Beruhrungen, Zwang zu sexuellen Handlungen. Dies ist nur ein kleiner Auszug aus dem Instrumentarium, dessen sich in Spanien Ordensbruder Jose A. (53) bedient haben soll. Das Mitglied der katholischen Religionsgemeinschaft des„Heiligen Viator“, soll jahrelang in wenigstens drei religios orientierten Schulen Schuler belastigt und missbraucht haben. Kein Einzelfall in der katholischen Bastion Spanien, wo in den letzten Jahren etliche Missbrauchsfalle innerhalb der Kirche bekannt wurden. Der Ordensmann wurde in Chile festgenommen. Die Leitung der Ordensgemeinschaft versichert zwar, von nichts gewusst zu haben. Ehemalige Schuler berichten aber, es sei bekannt gewesen, was A. tat. Doch um die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen war Spaniens katholische Kirche in der Vergangenheit ohnehin nicht sehr bemuht. Emporung loste vor einem Jahr die Einschatzung des spanischen Kardinals Antonio Canizares aus, sexueller Missbrauch durch Geistliche sei nicht so schwerwiegend wie etwa Abtreibung. Bernardo Alvarez, Oberhirte auf den Kanarischen Inseln, warf den Opfern vor, zuweilen mitschuldig am Missbrauch zu sein. „Wenn du nicht aufpasst, provozieren sie dich.“ Doch in den letzten Jahren sind trotz der kirchlichen Mauer des Schweigens zahlreiche Skandale in religiosen Einrichtungen in Spanien ans Tageslicht gekommen. Dazu gehoren etwa Missbrauchsfalle in einem Priesterseminar im nordspanischen Kantabrien und in Kirchengemeinden in Madrid oder Cordoba. Ralph Schulze

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Sexual assaults on children by priests have become known in France. Ten cases of abuse are pending. In 30 previous cases, the courts have imposed some harsh punishment but no particular attention was given.

A priest of the Bayeux diocese was convicted of abusing minors and was convicted by a jury and sentenced to 18 years in prison. When parents informed the bishop, Pierre Pican, his knowledge was not passed on to the judiciary. Because of failure to report the crime, the court imposed on him a suspended three-month sentence. It was the first time since the 1789 revolution that a high French church official was condemned by secular courts. And it yielded results.

At its annual conference in Lourdes, France's bishops decided to cooperate in cases of sexual abuse of minors without limitation. Since 2002, all prospective and active priests and teachers in Catholic institutions are told that the bishop was brought to justice. It was also known that priests previously convicted in Canada were added to parish ministry in a diocese and they then again abused children. The bishop in this case was aquitted because it could not be proven that he knew about these priests' prior criminal records.

 
 

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