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  Bistum Gibt Fehler Im Umgang Mit Pater Zu

By Marie Katharina Wagner
FAZ
March 19, 2010

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Am Canisius-Kolleg in Berlin soll es rund 20 Missbrauchsfalle gegeben haben

Das Bistum Hildesheim hat Fehler im Umgang mit einem der beiden Patres eingestanden, die mehrere Jugendliche in den siebziger und achtziger Jahren sexuell missbraucht haben sollen. Pater Peter R. war nach seiner Zeit am Berliner Canisius-Kolleg, an dem er von 1972 bis 1981 unterrichtete, von 1982 bis 2003 mit Unterbrechungen als Seelsorger im Bistum Hildesheim tatig. Nach Bekanntwerden erster Vorwurfe sei dem Pater 1993 die Jugendarbeit verboten worden. Dieses Verbot sei aber nicht konsequent durchgehalten worden, teilte das Bistum mit. 1997 sei Peter R. nach dem Vorwurf weiterer sexueller Belastigungen nach Wolfsburg versetzt worden. 2003 wurde er aus gesundheitlichen Grunden in den Ruhestand versetzt und zog nach Berlin. „Aus heutiger Sicht haben wir die Vorwurfe zu wenig ernst genommen und die Tragweite der weiteren Entwicklungen eindeutig unterschatzt“, sagte der damalige Bischof Josef Homeyer. Er bedaure dies zutiefst.

Das Bistum prufe derzeit, ob der Pater im Bistum Hildesheim weitere Menschen sexuell missbraucht habe. Derzeit seien zwei Falle bekannt. Im Oktober 1993 habe eine Mutter den damaligen Bischof Homeyer informiert, dass der Pater ihre 14 Jahre alte Tochter unsittlich beruhrt habe. 1997 wurden Peter R. Unregelma?igkeiten in seiner Amtsfuhrung sowie weitere sexuelle Belastigungen vorgeworfen, daraufhin wurde er versetzt. Zum Zeitpunkt seiner Einstellung in Niedersachsen sei dem Bistum nichts uber etwaige Verfehlungen des Priesters bekannt gewesen. Von 1982 an war er zunachst in Gottingen eingesetzt. Es habe damals eine Messerattacke auf den Pater gegeben. Zu Mutma?ungen, dass ein ehemaliger Jesuitenschuler der Tater war, wollte sich der Sprecher nicht au?ern.

Komplizierte Rechtslage

Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte dieser Zeitung, juristisch seien die Missbrauchsfalle der siebziger und achtziger Jahre am Berliner Canisius-Kolleg wahrscheinlich nicht mehr aufzuarbeiten. Sie seien inzwischen mit gro?er Wahrscheinlichkeit verjahrt. Die Staatsanwaltschaft prufe das derzeit noch. Auch Vorwurfe an damalige Verantwortliche des Jesuiten-Ordens, der nach derzeitigen Erkenntnissen schon 1991 durch Hinweise des Paters Wolfgang S. von dessen Taten gewusst haben konnte, seien heute aus juristischer Sicht nicht mehr relevant. Die Rechtslage sei besonders kompliziert, da das Sexualstrafrecht seit den siebziger Jahren vielfach geandert worden sei, fur die Aufklarung aber die Gesetzeslage zum Tatzeitpunkt gelte.

Wegen mutma?licher Ubergriffe hat auch die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen Ubergriffe von Wolfgang S. im Jesuiten-Kolleg in Sankt Blasien im Schwarzwald ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Am Dienstag au?erte sich der Vatikan zu den Vorwurfen. Die Fuhrung der katholischen Kirche sehe die Bitte um Entschuldigung, wie sie der oberste deutsche Jesuit Stefan Dartmann vorgebracht habe, als „umfassend“ an, sagte ein Sprecher des Vatikans. Er werde sich daher nicht noch in einer eigenen Stellungnahme au?ern. Dartmann hatte sich am Montag bei den Opfern fur die Taten und fur die unterlassene Hilfe der Verantwortlichen entschuldigt.

Die scharfe Verurteilung des sexuellen Missbrauchs von Schulern an drei deutschen Jesuiten-Gymnasien wird auch vom Vatikan unterstutzt. Der Vatikan sehe die Bitte um Entschuldigung, wie sie der deutsche Jesuiten-Chef Stefan Dartmann in dem Missbrauchsskandal vorgebracht hat, als „umfassend“ an, erklarte Vatikan-Sprecher Pater Ciro Benedettini am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er werde sich daher nicht noch in einer eigenen Stellungnahme au?ern, sei aber in „volliger Ubereinstimmung“ mit dem, was Dartmann dazu gesagt habe. Dartmann hatte sich am Montag im Namen des gesamten Ordens bei den „Opfern von Ubergriffen unserer ehemaligen Mitbruder“ entschuldigt.

Zwei fruhere Lehrer und Jesuiten-Pater haben in den siebziger und achtziger Jahren etwa 20 Schuler am Berliner Canisius-Gymnasium sexuell missbraucht. Au?erdem sollen sie fur weitere Missbrauchsfalle an Schulen in Hamburg und im Schwarzwald sowie in Einrichtungen in Gottingen, Hildesheim, Chile und Spanien verantwortlich sein. An einem ehemaligen Jesuiten-Gymnasium in Hamburg wird befurchtet, dass es mehr als die drei bisher bekannten Falle gibt. Eines der Opfer habe „entsprechende Hinweise gegeben“, sagte der Schulleiter der Sankt-Ansgar-Schule, Friedrich Stolze.

Besonders betroffen gemacht habe ihn der Fall einer Mutter, die ihm gesagt habe, dass ihr Sohn noch heute unter den seelischen Folgen des Missbrauchs leide. Die Schuler wurden Opfer eines heute 65- jahrigen Jesuitenpaters, der laut dem Hamburger Bistum von 1979 bis 1982 an der Schule in der Hansestadt unterrichtet hatte. Der Mann hatte zugegeben, auch Schuler des Canisius-Kollegs in Berlin missbraucht zu haben. Der fruhere Lehrer beantragte 1991 seinen Austritt aus dem Orden und lebt inzwischen in Chile. Stolze kritisierte, dass der gestandige Pater 1979 von Berlin nach Hamburg versetzt wurde, ohne dass die Hamburger uber einen moglichen Verdacht informiert wurden. „Was ich nicht nachvollziehen kann: Wenn in Berlin was bekanntgewesen ist, dass dann die Person an eine andere Schule versetzt wird.“

In Sankt Blasien (Baden-Wurttemberg) leitete die Staatsanwaltschaft am traditionsreichen Jesuiten-Kolleg ein Ermittlungsverfahren ein. Der gestandige Jesuit war von 1982 bis 1984 in Sankt Blasien tatig. Zwei dortige Opfer haben sich bereits gemeldet. Die Schulleitung rechnet mit weiteren Fallen.

Das Bistum Hildesheim raumte Fehler im Umgang mit einem zweiten beschuldigten Pater ein. Dem Geistlichen sei nach Bekanntwerden der Vorwurfe 1993 die Jugendarbeit verboten worden, dieses Verbot sei aber nicht konsequent durchgehalten worden, teilte das Bistum mit. 1997 sei der Mann nach dem Vorwurf weiterer sexueller Belastigungen versetzt worden. „Aus heutiger Sicht haben wir die Vorwurfe zu wenig ernst genommen und die Tragweite der weiteren Entwicklungen eindeutig unterschatzt“, erklarte der damalige Bischof Josef Homeyer. „Ich bedaure dies zutiefst.“

An einem Bonner Jesuiten-Gymnasium beraten die Lehrer, ob die „Praventivma?nahmen in der Sache ausreichen“. Der Rektor des Aloisiuskollegs in Bonn-Bad Godesberg, Theo Schneider, sagte der dpa: „Naturlich diskutieren wir im Kollegium diesen Fall mit den Schulern und der Elternschaft. Bislang sehen wir aber keine Verpflichtung, bei unsere ehemaligen Schulern nachzufragen.“

Der Arbeitskreis Engagierter Katholiken in der CDU (AEK) zeigte sich erschuttert uber die Missbrauchsfalle und forderte die Abschaffung der Verjahrungsfrist in solchen Fallen. Der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky sieht aber keine Notwendigkeit, aus den Vorfallen am Canisius-Kolleg weitere Konsequenzen fur die Kirche zu ziehen.

Gleichzeitig verteidigte der AEK die Sexuallehre der katholischen Kirche. „Der Versuch einzelner, fur das abscheuliche Verhalten der Geistlichen wenigstens teilweise die Sexuallehre der Kirche verantwortlich machen zu wollen, ist ebenso abwegig wie unlauter“, schrieb Martin Lohmann, Sprecher des Arbeitskreises. Missbrauch und Padophilie nahmen insgesamt besorgniserregend zu und seien „sicher kein Spezifikum der katholischen Kirche“.

 
 

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