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  "Taterkarrieren Nicht Hinreichend Behindert"

Sudwest Presse
May 28, 2010

http://www.swp.de/goeppingen/nachrichten/politik/art4306,497851

Munchen. Am Ende zahlte nur der Orden. Das ist das Fazit von Ursula Raue, Missbrauchsbeauftragter des Jesuitenordens. Sie benennt schwere Versaumnisse.

Der Jesuitenorden in Deutschland hat sexuelle und korperliche Gewalt gegen Kinder an Ordenseinrichtungen uber Jahrzehnte systematisch vertuscht und die Tater gedeckt. Das sagte die Missbrauchsbeauftragte des Ordens, Ursula Raue, bei der Vorstellung ihres Abschlussberichts. Bisher seien bei ihr 205 Meldungen von mutma?lichen Opfern eingegangen, die den Jesuitenorden betreffen. Dazu gebe es weitere 50 Eingange, die sich auf andere - meist katholische - Einrichtungen beziehen.

Laut Raue erstrecken sich die Untersuchungen zu den Tatern zurzeit auf 12 Patres, von denen 6 bereits gestorben sind, sowie 2 weitere Personen. Sie wurden von jeweils mehreren Personen als Tater oder Mitwisser genannt. Dazu kommen noch 32 Patres oder weltliche Lehrer und Erzieher des Ordens, die bisher von nur jeweils einem Opfer genannt wurden. Betroffen seien neben der Berliner Einrichtung die Schulen St. Ansgar (Hamburg), St. Blasien (Schwarzwald), das Aloisiuskolleg (Bonn) sowie die ehemalige Jesuiteneinrichtung Immaculata (Buren/Westfalen). Die Anwaltin betonte, dass mit dem Abschlussbericht noch nicht alle Ermittlungen abgeschlossen seien. Noch immer meldeten sich bei ihr Betroffene.

Mit Blick auf das Verhalten des Ordens sprach Raue von einem "System, das Taterkarrieren wenn nicht beforderte, so doch nicht hinreichend behinderte". Zu fragen sei, "warum der Orden nach au?en hin so unbekummert mit stichhaltigen Informationen uber haufige Vorfalle sexuellen Missbrauchs in seinen Einrichtungen umgegangen ist".

Der deutsche Jesuitenprovinzial Stefan Dartmann raumte ein, dass "die Opferperspektive im Orden uber all die Jahre nicht eingenommen wurde". Zugleich gestand er ein, dass es vielfach oberste Prioritat der Verantwortlichen gewesen sei, "keinen Schatten auf die Institution fallenzulassen". Aus falscher Loyalitat zum Tater hatten auch die Mitwisser weggeschaut und geschwiegen. Tater seien gerauschlos verschoben worden, wobei die aufnehmenden Einrichtungen kaum Informationen erhalten hatten.

Dartmann betonte, im Namen des Ordens sei er bereit, jedes Opfer personlich um Entschuldigung zu bitten. Der Orden sei auch zu einem weiteren Dialog mit den Opfern bereit. Was eine materielle Anerkennung angehe, sieht es der Provinzial als erste Aufgabe des Ordens an, den Opfern notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Bezuglich einer pauschalen finanziellen Entschadigung wollten die Jesuiten dem Ergebnis des runden Tisches der Bundesregierung nicht vorgreifen.

Zudem ging Dartmann auf seine Verantwortung als Provinzial gegenuber den Tatern ein: "Sie gehoren zu uns, und wir werden sie nicht aus unserer Gemeinschaft versto?en." Ob es weitere staatsanwaltschaftliche Ermittlungen geben werde, ist offen. Was die noch lebenden Tater betreffe, sei ein kirchliches Verfahren eingeleitet worden. Es sei nun Aufgabe des Vatikan, uber Konsequenzen fur die betroffenen Priester zu entscheiden. kna

 
 

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