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  Walter Mixa – "Der Druck War Wie Ein Fegefeuer"

By Von Paul Badde
Welt
June 16, 2010

http://www.welt.de/politik/deutschland/article8061378/Walter-Mixa-Der-Druck-war-wie-ein-Fegefeuer.html

Der im Mai aus dem Amt entlassene Bischof Walter Mixa

Walter Mixa spricht mit WELT ONLINE uber die Missbrauchs-Vorwurfe, das Verhalten der Kollegen und eigene Fehler.

Papst Benedikt XVI. will sich im Juli mit dem fruheren Augsburger Bischof Walter Mixa treffen. Dieser kampft um seine Rehabilitierung. Recherchen der „Welt am Sonntag“ hatten ergeben, dass seine Kollegen ihn beim Papst auf der Basis von Geruchten uber sexuellen Missbrauch in Misskredit gebracht und den Verdacht gestreut haben. Zuvor hatte Mixa aber eingestanden, dass er Heimkinder geohrfeigt haben konnte. Die Betroffenen selbst sprechen von schweren Zuchtigungen.

WELT ONLINE: Herr Bischof, wie geht es Ihnen?

Bischof Walter Mixa: Korperlich gut. Seelisch ist es anders, nach dem furchtbaren Druck, dem ich in den letzten Monaten ausgesetzt war. Das war grausam, vor allem am Schluss, wo es schon Hintergrundgesprache mit der Presse uber einen angeblichen Missbrauch durch mich gab, ohne dass daruber zuvor mit mir gesprochen worden war. Es war ein haltloser Vorwurf aufgrund eines vagen Geruchts. Und da war mein Generalvikar dabei und Weihbischof Anton Losinger, den ich selbst zum Dompropst ernannt habe. Auch Generalvikar Knebel habe ich ernannt. Da konnte ich oft die Welt nicht mehr verstehen.

WELT ONLINE: Konnen Sie sich denn im Ernst vorstellen, wieder einmal mit Ihren Weihbischofen feierlich in den Augsburger Dom einzuziehen?

Mixa: Das konnte ich mir schon vorstellen. Denn der Gottesdienst ist ja noch einmal etwas anderes. Da hatte ich keinen Groll.

WELT ONLINE: Wie konnten Sie das Ihnen vorgelegte Rucktrittsgesuch unterschreiben, wenn Sie ein reines Gewissen hatten?

Mixa: Der Druck, unter dem ich die vorgefertigte Resignation unterschrieben habe, war wie ein Fegefeuer. Drei Tage spater habe ich sie in einem Schreiben an den Papst widerrufen. Ich wusste in den Tagen weder ein noch aus.

WELT ONLINE: Wie erklaren Sie sich, dass Ihre eigenen Leute Sie angezeigt haben?

Mixa: Dass erklare ich mir dadurch, dass ich kirchenpolitisch versucht habe, in einer kultiviert-konservativen Weise die Diozese zu leiten, auch durch meine Personalentscheidungen und Ernennungen von Anfang an, die nicht alle begeistert haben.

WELT ONLINE: Haben Sie keine Furcht, dass neue Anschuldigungen gegen Sie in der Offentlichkeit erhoben werden?

Mixa: Das halte ich nicht fur ausgeschlossen.

WELT ONLINE: Gestern erklarte ein Pfarrer Mayer in Augsburg zum Beispiel offentlich, Sie konnten „unmoglich zuruckkehren“, weil es „moglicherweise“ doch sein konne, dass Sie sich sexuelle Ubergriffe haben zu Schulden kommen lassen?

Mixa: Das ist einfach eine glatte Verleumdung, die durch gar nichts zu begrunden ist. Das ist infam.

WELT ONLINE: Welcher Fehler tut Ihnen am meisten leid?

Mixa: Es war wohl sicher ein Fehler, dass ich in den letzten Monaten im Blick auf die „Prugelstrafen“, die mir vorgeworfen wurden, und die mir beim besten Willen immer noch nicht erinnerlich sind, dass ich da nicht gleich eingeraumt habe, dass ich das nicht fur jede korperliche Zuchtigung behaupten kann, wie sie damals in der Jugendarbeit – erst recht mit so genannten schwer erziehbaren Kindern – ublich und bis 1980 auch rechtens waren. Das war sicher ein Fehler, dass ich das nicht gleich, sondern erst so spat eingeraumt habe. Wo und wem ich Unrecht getan habe, das habe ich auch gesagt, da entschuldige ich mich unbedingt.

Karte des Missbrauchs

WELT ONLINE: Und was ist mit Vorwurfen die sich auf Unregelma?igkeiten in Ihrem Finanzgebaren beziehen?

Mixa: Inzwischen hat das Wirtschaftsprufungsunternehmen „Solidaris“ die finanziellen Angelegenheiten uberpruft und als gewissenhaft befunden. Diese Untersuchungen sind allerdings noch nicht ganz abgeschlossen.

WELT ONLINE: Und welches Vorgehen der anderen hat Sie am meisten geschmerzt?

Mixa: Am meisten? Dass vor diesem letzten bedrangenden Gesprach mit mir, fur das mein Rucktrittsgesuch schon von anderen vorbereitet worden war, uberhaupt nicht mit mir gesprochen worden war. Es war fur mich wie ein Feuerofen.

WELT ONLINE: Wie beurteilen Sie das Verhalten der Erzbischofe Zollitsch und Marx in diesem Verfahren?

Mixa: Es hatte bruderlicher sein mussen. Man hatte mir ja auch zu einer Auszeit raten konnen, bis alle Vorwurfe abschlie?end untersucht worden waren. Stattdessen sind sie zum Papst geeilt und haben ihm als Trumpf den so genannten Missbrauchsfall vorgetragen, der de facto auf nicht mehr beruhte als auf acht handschriftlichen Satzen einer hochst dubiosen hingekritzelten Notiz. Das Gerucht war haltlos, wie die eingeschaltete Staatsanwaltschaft festgestellt hat. Damit durften die doch nicht den Papst unter Zugzwang setzen.

WELT ONLINE: Was wurden Sie Erzbischof Marx dazu sagen?

Mixa: Genau das. Audiatur et altera pars. Einer hore den anderen. Man muss miteinander sprechen. Nicht ubereinander.

WELT ONLINE: Was empfanden Sie, als kurz danach auch gegen Erzbischof Zollitsch Vorwurfe publik wurden?

Mixa: Da habe ich nur einmal mehr gesehen, dass heute keiner sicher ist, dass ihm nicht irgendwelche Vorhaltungen gemacht werden, die in den Medien begierig aufgegriffen werden, bevor sie als haltlos in sich zusammen fallen. Das ist eine Ma?nahme, die nun von jedem gegen jeden ergriffen werden kann. Das kann sein, wer will. Ich war schockiert, als ich das horte, wie es Erzbischof Zollitsch plotzlich ahnlich ging wie mir – nur mit einem ganz anderen Ausgang.

WELT ONLINE: Was beabsichtigen Sie mit Ihrer Reise zum Papst im Juli?

Mixa: Ich werde ihm die Situation noch einmal personlich erlautern. Er hat mich ja zum Gesprach eingeladen. Vor allem will ich mit ihm also besprechen, wie sich die Situation weiter entwickeln soll.

WELT ONLINE: Glauben Sie wirklich, Sie konnten die Entwicklung umkehren?

Mixa: Das kann ich nicht sagen. Ich mochte auf jeden Fall in irgendeiner Weise wieder in der Seelsorge tatig sein. Auch mit den Glaubigen Gottesdienst feiern, Sakramente spenden. Also das, was ich bisher intensiv getan habe.

WELT ONLINE: Wie lange wollen Sie noch in dem Bischofs-Palais wohnen?

Mixa: Das ist offen. Es wird sich entscheiden, wenn ich eine neue Bleibe zugewiesen bekomme.

WELT ONLINE: Wo sehen Sie sich kunftig in der Hierarchie der Kirche?

Mixa: Auch das ist noch offen.

WELT ONLINE: Wie soll das Bistum Augsburg wieder versohnt werden?

Mixa: Das wei? im Moment noch keiner und kommt sehr auf den zukunftigen Bischof an. Doch es ist uberall schwierig, die Einheit der Kirche im Glauben zu wahren und zu festigen. Das ist in jeder Diozese schwer.

WELT ONLINE: „Wenn eine Handlung dadurch zustande kommt, dass einer Person von au?en her Zwang zugefugt wurde, dem sie auf keine Weise widerstehen konnte, gilt diese Handlung als nicht vorgenommen“, verfugt das Kirchenrecht in Paragraf 125. Werden Sie deshalb ein Verfahren beim Appellationsgericht des Papstes anstrengen?

Mixa: Genau das ist eine hochst berechtigte Frage und ganz guter Gedanke, den ich sehr wohl erwage und bedenke.

 
 

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