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  Der Mann Mit Den Zwei Leben

Frankfurter Rundschau
July 9, 2010

http://www.fr-online.de/top_news/2832268_Der-Mann-mit-den-zwei-Leben.html

Der ehemalige Leiter der Odenwaldschule, Gerold Becker, ist tot. Ihm waren sexueller Missbrauch an Schulern vorgeworfen worden - dazu sollte ein Wahrheitsforum an der Reformschule starten.



Sein letztes offentliches Lebenszeichen war ein einseitiger Brief, geschrieben am 18. Marz 2010, inhaltlich so knapp gehalten wie fast keine seiner Au?erungen in den Jahrzehnten zuvor. Und so schrieb Gerold Becker: "Schuler, die ich in den Jahren, in denen ich Mitarbeiter und der Leiter der Odenwaldschule war (1969-1985), durch Annaherungsversuche oder Handlungen sexuell bedrangt oder verletzt habe, sollen wissen: Das bedauere ich zutiefst und bitte sie dafur um Entschuldigung." Viel mehr wollte der 73-Jahrige nicht sagen. Und auf mehr darf man nun auch nicht mehr hoffen. Gerold Becker ist tot.

In der Nacht zum Donnerstag starb er in Berlin an den Folgen einer schweren Lungenkrankheit. Der Theologe und Padagoge Gerold Becker war ein Mann, der zwei Leben lebte. In dem einen war er ein gefeierter Lehrer und Wissenschaftler. Einer, der die hehren Ziele der Reformpadagogik wie kaum ein anderer verkorperte, der seinen Schulern Freund und Ratgeber war, der "menschliche Nahe" postulierte, weil nur so aus jungen Leuten starke Erwachsene werden konnten. In diesem Leben brillierte der eloquente Charismatiker unter anderem als Berater des Hessischen Kultusministeriums, als Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime, als Autor und Elite-Padagoge auf unzahligen Podien - und lange Jahre als Leiter der Unesco-Modellanstalt Odenwaldschule. Es hatte damit sein Bewenden haben konnen, hatte Becker nicht noch ein zweites Leben gefuhrt, das lange unentdeckt blieb. Als es aufflog, stellte es alles in den Schatten.

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Bereits im November 1999 hatte die Frankfurter Rundschau Becker des hundertfachen Missbrauchs von 12-, 13-, 14-jahrigen Schulern bezichtigt. Becker widersprach nicht und tauchte ab. Aber nicht lange, und er kehrte zuruck in sein anderes Leben.

Einflussreiche Menschen, dekorierte Padagogen, Kinderversteher, halfen ihm dabei. Es war, als sei nichts gewesen. Auch Hartmut von Hentig, der gro?e alte Mann der Reformpadagogik, weigerte sich zu glauben, was nicht sein durfte. Noch in diesem Fruhjahr pries er seinen Lebensgefahrten Becker als gro?ten Padagogen der Neuzeit. So vergingen noch einmal zehn Jahre, bis Becker endgultig von seiner Vergangenheit eingeholt wurde. Als im Marz bekanntwurde, dass es an der Odenwaldschule ein "System Becker" gab, mit etlichen Tatern und Dutzenden Missbrauchsopfern, lie? sich nichts mehr verheimlichen. Vom Krankenbett aus sah Becker zu, wie sein offentliches Leben zu Staub zerfiel - und nur noch das des Sexualtaters blieb.

Seiner Schule, seinen Weggefahrten, ja der Reformpadagogik uberhaupt hat er damit den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen. Eine ganze Erziehungswissenschaft mit ihren vorbildlichen Ideen geriet durch ihn unter Generalverdacht.

Zu den unglaublichen Wendungen dieses Skandals gehort auch, dass Becker ausgerechnet jetzt starb, punktlich zur 100-Jahr-Feier der Schule. So war Becker am Freitag noch einmal das Gesprachsthema - aber anders, als er es sich zu Lebzeiten gewunscht hatte.

[summary]

The former head of the Odenwald school is dead. He had been accused to sexually abusing the students. The last public sign of life was a one-page letter written March 18, 2010 in which he aapologized to students for the sexual abuse. He died Thursday in Berlin from complications of lung disease.

 
 

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