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  Kirche Will Konsequenzen Aus Ubergriffen Ziehen

Wort
November 19, 2010

http://www.wort.lu/wort/web/letzebuerg/artikel/2010/11/126185/kirche-will-konsequenzen-aus-uebergriffen-ziehen.php

Generalvikar Schiltz, Bischof Franck und das Ehepaar Majerus (von links) bei der Vorstellung des Berichts.

Die katholische Kirche in Luxemburg macht Ernst mit der Aufarbeitung von Gewalt an Minderjahrigen. Nachdem die Opfer vier Monate lang Zeit hatten, sich per Telefon kirchlichen Mitarbeitern anzuvertrauen, sollen nun Konsequenzen innerhalb der Kirche folgen.

Von April bis Juli meldeten sich 138 Menschen bei der Hotline. 100 berichteten von sexuellen oder gewalttatigen Ubergriffen, die sie selbst erlebt oder beobachtet haben. Die Mitarbeiter der Hotline beschrankten sich darauf, den Opfern Gehor zu schenken, sie zu beraten oder ihnen eine Therapie zu empfehlen.

Ob die berichteten Vorfalle wirklich so stattgefunden haben, wurde nicht nachgepruft. Gleichwohl leiteten die Hotline-Verantwortlichen Mill Majerus und seine Frau Sim Majerus-Schmit alle Berichte der Betroffenen an den Staatsanwalt weiter, auch wenn der Tater schon verstorben oder die Tat verjahrt war.

Viele Vorfalle vor 1980

Was das Ehepaar Majerus und ihr Team am Telefonhorer zu horen bekommen haben, zeugt von korperlichen und seelischen Verletzungen, von dem Leid der Opfer, von sexualisierter Gewalt und Erniedrigung. Mill Majerus macht darauf aufmerksam, dass viele Vorfalle schon lange zuruckliegen. Die Berichte der Opfer beziehen sich zum Teil auf Vorfalle ab 1930, mit einem Schwerpunkt in den Sechzigerjahren. "90 Prozent der Ubergriffe haben sich vor 1980 zugetragen. Man kann sagen, dass seither die Vorfalle extrem abgenommen haben", erklart Majerus.

Auch uber die Tater haben die Leiter der Hotline eine – notgedrungen unvollstandige – Statistik gefuhrt. 33 Priester und Ordensbruder haben sich der sexuellen Gewalt schuldig gemacht, zwei Mal waren Ordensfrauen unter den Tatern und acht Mal jugendliche Mitbewohner in Heimen oder ahnlichen Einrichtungen. Die Hotline-Mitarbeiter stufen die Tater in vier Kategorien ein: Es sind zum Teil Priester mit padophilen Neigungen oder solche, die sich zu Jugendlichen hingezogen fuhlen. Dieses Phanomen stehe nicht im Zusammenhang mit dem Zolibat, dem katholische Priester unterliegen. Andere Tater wiederum wurden als gefuhllose Narzissten eingestuft – oder als vereinsamte, uberforderte Priester.

Kinder fanden kaum Gehor

Der 100 Seiten starke Bericht ist auch ein Sittenbild der Luxemburger Gesellschaft in den 1960er und 1970er Jahren. Mil Majerus kritisiert offen die Art, wie mit den Au?erungen der Kinder umgegangen wurde. "Oft nahmen die Eltern es einfach tatenlos hin, wenn die Kinder von sexuellen oder gewalttatigen Ubergriffen sprachen oder unterdruckten die Aussagen sogar", meint er. Auch in der Dorfgemeinschaft wurde das Thema nicht offen angesprochen. "Es herrschte eine komische Art von Wissen. Man sprach nur hinter vorgehaltener Hand, und zwar in Form von Klatsch und Tratsch."

Sim Majerus-Schmit formulierte mehrere Empfehlungen an das Erzbistum Luxemburg. So sollten die Kirchenleute Verantwortung ubernehmen und ihre Schuld eingestehen. Auch sollte in Zukunft der Akzent auf Pravention gelegt und bei der Auswahl von Kandidaten fur den Priesterberuf auf deren Eignung geachtet werden.

"Mir hat sich der Magen umgedreht"

Erzbischof Fernand Franck bat die Opfer im Namen der Kirche um Entschuldigung. Man durfe jetzt nicht zur Tagesordnung ubergehen. "Wir sind als Kirche in die Pflicht genommen", meinte Bischof Franck. Er will bei der Auswahl der Priesterkandidaten noch mehr, als dies bisher geschah, auf deren Personlichkeit achten.

Generalvikar Mathias Schiltz erklarte, er habe im April "eine ganz schwere Zeit" durchgemacht, als er fast jeden Tag Berichte der Ubergriffe bekommen habe. "Ich war wutend, erschrocken und manchmal hat sich mir der Magen umgedreht", sagte er.

Das Erzbistum will auch kirchenrechtliche Konsequenzen gegen die Tater in Betracht ziehen, obwohl nur noch vier von ihnen am Leben und diese allesamt schon in Pension sind. Die Kirche ubernimmt eventuelle Kosten fur eine Therapie und will finanzielle Anspruche der Opfer von einem unabhangigen Gremium prufen lassen.

 
 

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