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  Kirche Will Konsequenzen Aus Übergriffen Ziehen

The Wort
November 22, 2010

http://www.wort.lu/wort/web/letzebuerg/artikel/2010/11/126185/kirche-will-konsequenzen-aus-uebergriffen-ziehen.php

Generalvikar Schiltz, Bischof Franck und das Ehepaar Majerus (von links) bei der Vorstellung des Berichts.

(vb) – Die katholische Kirche in Luxemburg macht Ernst mit der Aufarbeitung von Gewalt an Minderjährigen. Nachdem die Opfer vier Monate lang Zeit hatten, sich per Telefon kirchlichen Mitarbeitern anzuvertrauen, sollen nun Konsequenzen innerhalb der Kirche folgen.

Von April bis Juli meldeten sich 138 Menschen bei der Hotline. 100 berichteten von sexuellen oder gewalttätigen Übergriffen, die sie selbst erlebt oder beobachtet haben. Die Mitarbeiter der Hotline beschränkten sich darauf, den Opfern Gehör zu schenken, sie zu beraten oder ihnen eine Therapie zu empfehlen.

Ob die berichteten Vorfälle wirklich so stattgefunden haben, wurde nicht nachgeprüft. Gleichwohl leiteten die Hotline-Verantwortlichen Mill Majerus und seine Frau Sim Majerus-Schmit alle Berichte der Betroffenen an den Staatsanwalt weiter, auch wenn der Täter schon verstorben oder die Tat verjährt war.

Viele Vorfälle vor 1980

Was das Ehepaar Majerus und ihr Team am Telefonhörer zu hören bekommen haben, zeugt von körperlichen und seelischen Verletzungen, von dem Leid der Opfer, von sexualisierter Gewalt und Erniedrigung. Mill Majerus macht darauf aufmerksam, dass viele Vorfälle schon lange zurückliegen. Die Berichte der Opfer beziehen sich zum Teil auf Vorfälle ab 1930, mit einem Schwerpunkt in den Sechzigerjahren. "90 Prozent der Übergriffe haben sich vor 1980 zugetragen. Man kann sagen, dass seither die Vorfälle extrem abgenommen haben", erklärt Majerus.

Auch über die Täter haben die Leiter der Hotline eine – notgedrungen unvollständige – Statistik geführt. 33 Priester und Ordensbrüder haben sich der sexuellen Gewalt schuldig gemacht, zwei Mal waren Ordensfrauen unter den Tätern und acht Mal jugendliche Mitbewohner in Heimen oder ähnlichen Einrichtungen. Die Hotline-Mitarbeiter stufen die Täter in vier Kategorien ein: Es sind zum Teil Priester mit pädophilen Neigungen oder solche, die sich zu Jugendlichen hingezogen fühlen. Dieses Phänomen stehe nicht im Zusammenhang mit dem Zölibat, dem katholische Priester unterliegen. Andere Täter wiederum wurden als gefühllose Narzissten eingestuft – oder als vereinsamte, überforderte Priester.

Kinder fanden kaum Gehör

Der 100 Seiten starke Bericht ist auch ein Sittenbild der Luxemburger Gesellschaft in den 1960er und 1970er Jahren. Mil Majerus kritisiert offen die Art, wie mit den Äußerungen der Kinder umgegangen wurde. "Oft nahmen die Eltern es einfach tatenlos hin, wenn die Kinder von sexuellen oder gewalttätigen Übergriffen sprachen oder unterdrückten die Aussagen sogar", meint er. Auch in der Dorfgemeinschaft wurde das Thema nicht offen angesprochen. "Es herrschte eine komische Art von Wissen. Man sprach nur hinter vorgehaltener Hand, und zwar in Form von Klatsch und Tratsch."

Sim Majerus-Schmit formulierte mehrere Empfehlungen an das Erzbistum Luxemburg. So sollten die Kirchenleute Verantwortung übernehmen und ihre Schuld eingestehen. Auch sollte in Zukunft der Akzent auf Prävention gelegt und bei der Auswahl von Kandidaten für den Priesterberuf auf deren Eignung geachtet werden.

"Mir hat sich der Magen umgedreht"

Erzbischof Fernand Franck bat die Opfer im Namen der Kirche um Entschuldigung. Man dürfe jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. "Wir sind als Kirche in die Pflicht genommen", meinte Bischof Franck. Er will bei der Auswahl der Priesterkandidaten noch mehr, als dies bisher geschah, auf deren Persönlichkeit achten.

Generalvikar Mathias Schiltz erklärte, er habe im April "eine ganz schwere Zeit" durchgemacht, als er fast jeden Tag Berichte der Übergriffe bekommen habe. "Ich war wütend, erschrocken und manchmal hat sich mir der Magen umgedreht", sagte er.

Das Erzbistum will auch kirchenrechtliche Konsequenzen gegen die Täter in Betracht ziehen, obwohl nur noch vier von ihnen am Leben und diese allesamt schon in Pension sind. Die Kirche übernimmt eventuelle Kosten für eine Therapie und will finanzielle Ansprüche der Opfer von einem unabhängigen Gremium prüfen lassen.

 
 

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