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  Historische Verantwortung

Sueddeutsche
December 10, 2010

http://www.sueddeutsche.de/politik/misshandelte-heimkinder-gedemuetigt-damals-und-heute-1.1034534-2

Wahrscheinlich nicht, und doch ist die Antwort ungenugend. Die Heimkinder hatten keine Chance, ihre Rechte wahrzunehmen. Sie lebten mitten im Rechtsstaat im faktisch rechtsfreien Raum, unter staatlicher Aufsicht, mit staatlicher Billigung. Der Staat, der gerade erst die Menschenwurde an den Anfang seines Grundgesetzes gestellt hatte, versaumte es, fahrlassig und gedankenlos, die Trager der Heime zur Achtung dieser Menschenwurde anzuhalten.

Daraus erwachst die historische Verantwortung aller Beteiligten an dieser Heimerziehung, darin besteht auch die historische Verantwortung all derer, die sexuelle Gewalt an Schulen, Internaten und anderen Einrichtungen bagatellisierten und verschwiegen, bis die Opfer sich nicht mehr selbst Recht verschaffen konnten.

Unrecht innerhalb des eigenen demokratischen Systems

Es wird fur Bund und Lander, Kirchen und Sozialtrager nicht einfach sein, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Die unrealistischen Forderungen mancher Heimkinder-Vertreter hat die Hardliner bei den Landern bestarkt. Sie furchten zudem, dass sich immer neue Gruppen melden, denen in den funfziger und sechziger Jahren Unrecht geschah.

Doch ein Rechtsstaat erhalt auch dadurch seine Glaubwurdigkeit, indem er anerkennt, dass er nicht unfehlbar ist. Dass es strukturelles Unrecht geben kann, das anerkannt und gesuhnt werden muss - auch mit Geld.

Die Bundesrepublik hat das Unrecht anerkannt und gesuhnt, das die Nationalsozialisten verubten, sie hat die Opfer der DDR-Diktatur entschadigt. Beides war schwierig, weil Unrecht nie wieder gutzumachen ist, beides war einfach, weil die Grenze zwischen Rechts- und Unrechtsstaat klar war.

Nun aber muss Deutschland Unrecht aufarbeiten, das innerhalb des eigenen demokratischen Systems geschah. Unrecht, das Teil der eigenen, mehr als 60 Jahre dauernden Geschichte ist. Und deshalb sind die ehemaligen Heimkinder auch keine lastigen Bittsteller, sondern Menschen, die ihrem Land einen Dienst tun. Sie zu entschadigen sollte Ehrensache sein.

Die gestohlene Kindheit kann ihnen ohnehin niemand mehr zuruckgeben.

 
 

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