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  Missbrauch: 100 Anzeigen, Knapp 100 Entschadigungen

Die Presse
December 24, 2010

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Die Missbrauchsskandale haben das Jahr fur die Kirche gepragt, nun ziehen die Ombudsstellen und die Klasnic-Kommission Bilanz: Mehr als 1000 Personen haben sich an die Stellen gewandt.

Das Jahr 2010 stand fur die katholische Kirche unter keinem guten Stern: Ab Janner sind nach und nach immer mehr Missbrauchsfalle bekannt geworden, die Kirche stellt sich auf einen neuen Rekord bei den Austrittszahlen ein. Vor Weihnachten haben die kirchlichen Ombudsstellen und die Klasnic-Kommission Bilanz gezogen: Mehr als 100 Falle von Missbrauch wurden zur Anzeige gebracht, in knapp 100 Fallen Entschadigungen zuerkannt. Mehr als 1000 Personen haben sich an die Stellen gewandt. Wie viele es genau sind, lasst sich schwer sagen, da es zu Uberschneidungen kommt.

Bis 31. Oktober haben sich 1142 Personen an die Ombudsstellen gewandt, bei der Klasnic-Kommission waren es 729. Bei den Opfern handelt es sich zu fast drei Viertel um Manner. Die Auswertung habe ergeben, "dass es bei 54 Prozent um sexuellen Missbrauch geht, 33 Prozent sind Falle von Gewalt und 13 Prozent sind mutma?liche Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch", erklarte Johannes Wancata, Sprecher der Ombudsstellen. Etwa bei der Halfte der Anrufe habe sich der Verdacht erhartet. 106 Falle seien zur Anzeige gebracht worden, um keinesfalls eine strafrechtliche Relevanz zu ubersehen. Die Halfte aller Falle habe sich vor mehr als 40 Jahren ereignet, 46 Prozent betreffen demnach den Zeitraum von 1971 bis 1992.

97 Mal Entschadigung, drei Mal abgelehnt

Die von Kardinal Christoph Schonborn eingesetzte Opferschutzanwaltschaft hat bisher 100 Entscheidungen getroffen: 97 Entschadigungen wurden zugesprochen, drei Falle wurden abgelehnt, zog die Kommission unter der Leitung von Waltraud Klasnic eine Zwischenbilanz. Die Kommission gewahrt Summen in den Kategorien 5000 Euro, 15.000 Euro, 25.000 Euro und Betrage daruber - die 97 Entschadigungen betreffen alle vier Kategorien. Zusatzlich seien vielfach auch langerfristige Therapieleistungen zugesprochen worden.



Nach Angaben der Kommission waren die Betroffenen zu 81 Prozent Opfer von sexuellem Missbrauch, zu 62 Prozent von korperlicher Gewalt und zu 57 Prozent von psychischer Gewalt. Fast drei Viertel der Opfer waren demnach von mindestens zwei Arten des Missbrauchs betroffen, ein knappes Drittel erlebte alle drei genannten Gewaltarten. Die meisten Falle liegen 30 bis 40 Jahre zuruck, erklarte ein Sprecher.

Bei der Staatsanwaltschaft hat die Kommission bisher vier Sachverhaltsdarstellungen eingebracht. Dem Vernehmen nach betreffen diese die Schulbruder in Wien-Strebersdorf und Bad Goisern, das ehemalige Caritas-Heim in Steyr-Gleink, das Stift Kremsmunster und die Bubenburg in Fugen in Tirol.

Klasnic "hoffnungslos uberfordert"

Die "Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt" hat in einer ersten Reaktion auf die Bilanz heftige Kritik an Klasnic geubt: "Bei diesem Tempo wird die Kommission noch viele Jahre brauchen. Das ist den Betroffenen nicht zumutbar." Klasnic sei "hoffnungslos uberfordert mit der Aufarbeitung der Falle". Sie solle "aus Anstand gegenuber den Betroffenen von sich aus die Konsequenz ziehen und ihre Arbeit niederlegen", hie? es in einer Aussendung.

Damit wurde Klasnic auch den Weg fur eine staatliche Kommission frei machen, glaubt die Plattform. "Das ware der beste Dienst, den sie den kirchlichen Gewaltopfern erweisen konnte."

 
 

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