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  Im Namen Des Vaters

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January 3, 2011

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Der Missionar. Martin Bormann, der Sohn von Hitlers machtigem Vertrauten gleichen Namens, machte in katholischen Kreisen Karriere: als Nazi-Kind, das zu einem Mann Gottes geworden war.

Von Marianne Enigl

Martin Bormann war acht Jahre alt, als Hitler ihn 1938 dem italienischen Duce Benito Mussolini als sein Patenkind vorstellte. Zu Ostern 1950 schuttelte Papst Pius XII. dem inzwischen 20-Jahrigen bei einer Sonderaudienz die Hand. Um Aufsehen zu vermeiden, hatte der Vatikan den Sohn von Hitlers treuestem Parteigenossen als "Bergmann“ auf die Liste gesetzt, jenem Decknamen, den die SS ihm gegeben hatte. Doch das katholische Kirchenoberhaupt, dessen zwielichtige Rolle wahrend des Nationalsozialismus bis heute ungeklart ist, war uber den jungen Mann "gut informiert“, erkundigte sich freundlich nach dem Wohl seiner Geschwister und gab ihm seinen Segen.

Spater schilderte Bormann junior diese beiden Begegnungen als Teil seiner au?erordentlichen Karriere vom "Taterkind“ zum Herz-Jesu-Missionar. Es sind wohlgesetzte Szenen seiner Autobiografie, die 1996 auf den Markt kam. Zum Schauer, der mit seinem Namen verknupft ist, lieferte er in dem Band "Leben gegen Schatten“ auch die Bilder: als lachender Bub in der Uniform der Partei-Eliteschule, zu Silvester 1941 neben Hitler - und dann die Lebenswende: als bartiger Priester auf Knien in der schwarzen Monchskutte vor seinem Forderer, dem Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher. Aus dem braunen NS-Gewand in die Monchskutte der Herz-Jesu-Missionare geschlupft, war Bormann zu einer Art von Star in katholischen Kreisen geworden. Mit seiner Autobiografie trat er in katholischen Hochschulgemeinden und in deutschen TV-Dokumentationen auf, war Gast auch in osterreichischen Ex-Adelshausern, fuhr auf eigene Kosten in Gefangnisse zur Auseinandersetzung mit inhaftierten Neonazis.

Er zweifle nicht an den NS-Verbrechen, denn als 14-Jahriger sei er vor Heinrich Himmlers Stuhlen aus Menschenknochen erschrocken, pflegte er auszufuhren (fur deren Existenz fehlen allerdings Beweise). Doch dem Vater sei er dankbar fur das eigene Leben, und uber dessen Verbrechen konne nur Gott urteilen. Bormanns Vater war 1946 in Nurnberg in Abwesenheit zum Tod verurteilt worden, sein Skelett wurde 1973 in Berlin gefunden.

Bormanns acht Geschwister waren nach dem Sturz aus dem elitaren NS-Leben im Schatten geblieben. Doch der Alteste hatte viel zu erzahlen, und es wurde ihm gerne geglaubt. Da waren: seine vormilitarische Ausbildung in der Reichsschule der NSDAP; sein Fluchtversuch mit einer SS-Brigade zu Kriegsende 1945; dann die hilfsbereiten tiefreligiosen Salzburger Bauersleute, die ihn als "Martin Bergmann, SS-Schutze“, aufnahmen, die Bibel der Sennerin auf der Alm als Begegnung mit dem Katholizismus; 1947 der Anschluss an die Herz-Jesu-Missionare, die ihn mit offenen Armen aufnahmen, hatte doch ein Vertrauter seines Vaters zu Kriegsende einen beschlagnahmten Kirchenschatz zuruckgegeben, statt ihn zu verstecken; ab 1961 Missionar auf gefahrlichem Terrain im Kongo; schlie?lich 1971 Verkehrsunfall, Ordensaustritt und Heirat mit der Ex-Ordensfrau, die ihn gesund gepflegt hatte.

Bormanns eingangiger Glaubenssatz hie?, dem Vater sei der "Wille des Fuhrers“ alles gewesen, ihm aber sei alles "Fugung Gottes“. Die "Bunte Illustrierte“, deren Verleger Franz Burda seine eigene NS-Geschichte hatte, berichtete gro? uber seine Priesterweihe; die Blatter "Quick“ und "Revue“ zahlten 1964 dem Orden 20.000 Mark fur die Exklusivrechte an der Story, wie Missionar Bormann im Kongo in Rebellenhand gefallen und befreit worden war. Der "Spiegel“ berichtete damals, Bormann sei als Monteur verkleidet aus dem Flugzeug gestiegen, um von Journalisten anderer Medien nicht erkannt zu werden.

Viel Raum widmete Bormann in seinen Lebenserzahlungen auch dem Projekt "Taterkinder - Opferkinder“, zu dem der israelische HolocaustForscher Dan Bar-On ihn eingeladen hatte. In Israel selbst wurde berichtet, wie er zum Staunen aller bei einer Befreiungsfeier im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz ein Rednerpodium erklommen hatte: "Er suchte unter den judischen Opfern seines Vaters nach Gott.“

Nur an sein Erzieherdasein in Salzburg-Liefering wollte der vielseitige Missionar Bormann sich nicht erinnern, als ihn ein fruherer Zogling damit konfrontierte, dass er ihn bewusstlos geschlagen hatte. Das war vor zehn Jahren.

 
 

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