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  Lasset Uns Reden!

By Monika Maier-Albang
The Sueddeutsche
January 25, 2011

http://www.sueddeutsche.de/bayern/debatte-um-den-zoelibat-lasset-uns-reden-1.1050468

Ist der Zölibat noch zeitgemäß? Immer mehr sind der Meinung, dass sich die Kirche bewegen muss.

Auf den ersten Blick hatte sich die "Arbeitsgruppe 8" einen unverfänglich klingenden Titel gegeben: "Kirche - Ort vielfältiger Lebensformen". Doch eines der "pastoralen Ziele", die die Arbeitsgruppe vor Weihnachten dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx unterbreitete, hat es in sich: Das Erzbistum solle ein unabhängiges Institut damit beauftragen, alle Priester des Erzbistums zu ihrem "zölibatären Lebensstil" zu befragen - anonym selbstverständlich. Die Frage also würde lauten: Wie hältst Du es mit der Enthaltsamkeit? Das Ergebnis wäre vermutlich brisant. Man darf davon ausgehen, dass es eine solche Umfrage nie geben wird.

Dass es überall Priester gibt, die ein Doppelleben führen, die eine Freundin oder einen Freund haben, wissen alle im katholischen Milieu. Nur spricht man darüber höchstens im privaten Kreis. Denn sobald eine solche Partnerschaft öffentlich wird, muss der Bischof reagieren und der Priester muss wählen zwischen Amt und Partner. Immer wieder lassen sich Priester, die dieses Doppelleben nicht mehr aushalten, vom Amt entbinden - mit ungewissen Zukunftschancen.

Andere halten den Schein aufrecht, und oft sind es die Frauen, die darunter am meisten leiden. Erhebungen darüber, wie viele Priester den Zölibat halten, gibt es im deutschsprachigen Raum nicht. In den USA indes hat der frühere Priester und Psychologe Richard Sipe in 1990er Jahren Daten veröffentlicht, die auf der Befragung von 1500 Priestern beruhen. Demnach hat ein Fünftel von ihnen sexuelle Beziehungen zu einer Frau; weitere 20 Prozent sind homosexuell orientiert, die Hälfte von ihnen ist sexuell aktiv.

Der Pflichtzölibat ist ein Dauerthema in der katholischen Kirche. Bereits bei der Würzburger Synode, die vor genau 40 Jahren begann, stand es auf der Agenda. Doch alle Appelle aus Deutschland verhallten in Rom. Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", von vielen Bischöfen als Sektierer belächelt, überreicht seit Jahren Unterschriftenlisten mit der Bitte um Reformen. Unterzeichnet haben Zehntausende - bislang wurde die Stimme des Volkes nicht gehört.

Nun aber, nach den Missbrauchsskandalen des vergangenen Jahres, bahnt sich eine neue Diskussion an. Sie könnte heftiger werden denn je zuvor, denn auch unter den Bischöfen haben manche erkannt, dass die Kirche sich bewegen muss, will sie weiter ernst genommen werden. Was noch vor kurzem undenkbar schien, ist jetzt möglich, etwa dass in einem Dekanat fast die gesamte Pfarrerschaft eine Erklärung verabschiedet, die in zwei "Forderungen nach Rom" gipfelt. So geschehen in Freising, wo fast 40Seelsorger, aufgewühlt durch die Missbrauchsfälle, Reformen sehen wollen.

"Zwar gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen Pflicht-Zölibat und sexuellem Missbrauch", schreiben sie, "aber im Sinne von Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Kirche muss ernsthaft überlegt werden, inwieweit die derzeitige obligatorische Verbindung von Priesteramt und Zölibat gelöst werden soll. Neben der Weihe von verheirateten Männern sind auch die Fälle jener Priester zu berücksichtigen, die faktisch in einer Beziehung leben." Mitformuliert hat die Freisinger Thesen der dortige Dekan Michael Schlosser.

Was für ein Kontrast: Vor gerade mal 15 Jahren schlug die Geburtsstunde von "Wir sind Kirche" - in Form einer Unterschriftensammlung. Mancherorts wurden die Listen damals noch aus Kirchen und Pfarrheimen verbannt.

Den vielen Katholiken, die sich Reformen wünschen, haben vergangene Woche auch prominente CDU-Politiker eine Stimme gegeben. An die deutschen Bischöfe appellierten sie, angesichts des Priestermangels und der "Not vieler priesterloser Gemeinden" in Rom vorstellig zu werden. Der Altabt der Benediktiner, Odilo Lechner, hat anlässlich seines 80.Geburtstags wiederholt, was er vor Jahren schon bekundet hat: Die Ehelosigkeit von Priestern als Zeichen, "dass man ganz für Gott da ist", habe einen hohen Wert, aber der Zölibat sei kein unumstößliches Dogma. Gebe es nicht mehr genügend Priester, um die Eucharistie zu feiern, müsse man eben Laien berufen.

 
 

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