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  Spin-Doctor Klaus Mertes: Schlechtes Angebot, Gute Presse

By Christoph Fleischmann
The Publik-Forum
January 26, 2011

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Nun ist es also offiziell in einem Brief an die Betroffenen: Die Jesuiten wollen jedem misshandelten und missbrauchten Ex-Schüler 5.000 Euro als Anerkennungszahlung überweisen. Das ist dieselbe Summe, die schon im Sommer 2010 genannt wurde. Die am »Eckigen Tisch« organisierten Geschädigten an deutschen Jesuiten-Einrichtungen lehnen sie als zu niedrig ab.

Sie forderten 82.373 Euro. Das sei die Summe, die deutsche und österreichische Gerichte im Schnitt in den letzten Jahren als Entschädigung für psychische Schäden zuerkannt hätten. Keine Phantasiezahl also. Das heißt: Die Geldsumme, die der Provinzial der deutschen Jesuiten, Stefan Kiechle, als eine Sühne bezeichnet, wurde nicht mit den Opfern ausgehandelt, sondern von der Täterinstitution einseitig festgesetzt.

Dieses Vorgehen steht in einer gewissen Spannung zu den Gedanken, die der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Klaus Mertes, in seinem jüngsten Buch unter dem Titel »Sein Leben hingeben« entwickelt hat: Dort erwähnt er das alttestamentliche Modell eines Sühnegeldes. Opfer oder Gericht könnten danach dem Täter die eigentlich fällige Vergeltung ersetzen, indem sie ihn Sühnegeld zahlen lassen. Dessen Höhe bemesse sich nach der Großzügigkeit der Opfer oder des Gerichts, so Mertes.

Die deutschen Jesuiten stehen nun mit ihrem Vorgehen nicht nur gegen hohe theologische Ideale, sondern auch gegen die einfachen Regeln des Basars. Die funktionieren so: Der Kaufwillige nennt einen niedrigen Preis, der Verkäufer einen viel höheren. Dann muss der potenzielle Käufer eine Summe nennen, die etwas höher liegt, dann kann der Käufer etwas nachgeben, so lange bis man sich auf einem Preis in der Mitte einigt, der beide halbwegs das Gesicht wahren lässt.

Wenn man sich nicht an die Regeln des Basars halten will, muss man wenigstens das schlechte Angebot gut verkaufen: Ein Fall für den Spin-Doctor Klaus Mertes. Der kontaktierte, bevor die Betroffenen einen Brief vom Jesuitenoberen bekamen, die Presse: Ein Kollege der Berliner Zeitung bekam die Meldung exklusiv vorab, und offensichtlich war er der richtige: Denn er lässt Mertes nicht als Überbringer einer schlechten Botschaft, sondern als das »anständige Gesicht der Kirche« auftreten.

In der Süddeutschen Zeitung wird kommentiert, dass die Jesuiten »begriffen« hätten und »vorgeprescht« seien. Klar habe man Verständnis für die Opfer, denen »jede Summe zu gering« sei. Kein Wort darüber, dass eine von ihnen genannte Zahl Ihnen vielleicht nicht zu gering gewesen wäre. In der taz darf Mertes erklären: »Es ist also eine Geste im Rahmen eines kommunikativen Prozesses. Und ob die Geste, die ernst gemeint ist, auch als solche angenommen wird oder lächerlich gemacht wird, darüber können wir nicht verfügen.«

Tja, klasse Arbeit von Klaus Mertes! Hätte Stefan Kiechle erst den Brief mit dem alten Angebot an die Betroffenen geschrieben, dann wären die damit an die Presse gegangen und hätten sich beschwert. Dann wäre die Nachricht mit einem anderen Spin in die Welt gelangt. Alles in allem also: geschickte Politik der Jesuiten. Einen Versöhnungsprozess aber kann man das nicht nennen.

 
 

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