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  Theologen Gegen Den Zolibat

By Matthias Drobinski
Sueddeutsche Zeitung
February 4, 2011

http://www.sueddeutsche.de/politik/reform-von-innen-theologen-gegen-den-zoelibat-1.1055185

Ein kleines Redaktionsteam aus Theologen stellt einen Reformkatalog fur die katholische Kirche auf und trifft damit einen Nerv: Bislang haben 144 Professoren die Schrift unterzeichnet - und verlangen darin unter anderem das Ende des Zolibats.

144 Unterschriften gibt es inzwischen: von Professor Michael Albus aus Freiburg bis zu Professor Reinhold Zwick aus Munster. So viele Frauen und Manner, die an deutschsprachigen Universitaten katholische Theologie lehren, wollen nicht mehr schweigen zu jener Kirchenkrise, die sich vor einem Jahr offenbarte, als immer mehr Falle von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch Manner der Kirche an die Offentlichkeit kamen. Sie wollen eine tiefgreifende Kirchenreform: das Ende des Pflichtzolibats, Frauen als Geistliche, Beteiligung des Kirchenvolks bei der Auswahl der Bischofe, ein Ende des "moralischen Rigorismus", wie sie es nennen.

Mehr als 100 namhafte katholische Theologen fordern tiefgreifende Reformen in ihrer Kirche - unter anderem sollen Frauen und Verheiratete geweiht werden konnen. (© dpa)

Das acht Personen umfassende Redaktionsteam ware auch mit 50 Unterschriften zufrieden gewesen, sagt Judith Konemann, die Religionspadagogin aus Munster, "aber offenbar haben wir einen Nerv getroffen". Seit 22 Jahren hat es keinen vergleichbaren Aufstand der Theologen mehr gegeben: 1989 protestierten mehr als 220 Wissenschaftler in der "Kolner Erklarung" "Wider die Entmundigung - fur eine offene Katholizitat" gegen den autoritaren Fuhrungsstil von Papst Johannes Paul II., der gegen alle Widerstande Kardinal Joachim Meisner zum Erzbischof von Koln gemacht hatte.

Es sind nun, 2011, bekannte Emeriti dabei wie Peter Hunermann und Dietmar Mieth aus Tubingen sowie die Jungeren wie Konemann; alte Kampfer fur Kirchenreformen wie Heinrich Missalla (Essen) und Friedhelm Hengsbach (Frankfurt) sowie Konservative wie Eberhard Schockenhoff; Newcomer und Vordenker ihrer Zunft wie Otto Hermann Pesch (Hamburg) oder Hille Haker (Chicago).

Es waren noch mehr, hatten sich alle getraut, die im privaten Gesprach beteuerten, dass sie die Sache gut finden. Mancher Wissenschaftler aber steckt gerade in einem Berufungsverfahren oder wei? um den strengen Ortsbischof - und unterschreibt lieber nicht. Auch das sagt einiges uber die Lage der katholischen Theologie, deren Vertreter mittlerweile haufig gute Wissenschaftler sind, aber kirchenpolitisch nicht so oft auffallen. Nun also, nach einem Jahr Krise, fordert immerhin jeder dritte der 400 katholischen Professoren die Reform.

Der Text ist vorsichtig und differenziert, lobt den Aufruf der Bischofe zum offenen Dialog, macht sich selber Mut: "Wir sehen uns in der Verantwortung, zu einem echten Neuanfang beizutragen." Die Kernthese des Memorandums lautet: Die katholische Kirche kann nur dann "den befreienden und liebenden Gott Jesu Christi" verkunden, "wenn sie selbst ein Ort und eine glaubwurdige Zeugin der Freiheitsbotschaft des Evangeliums ist". Sie musse "die Freiheit der Menschen als Geschopfe Gottes" anerkennen und fordern, das freie Gewissen achten, sich fur Recht und Gerechtigkeit einsetzen, naturlich dort einen flachen Freiheitsbegriff kritisieren, wo "die Wurde des Menschen missachtet wird".

Daraus leiten die Professoren eine Reihe von Forderungen ab, die sie "Herausforderungen" nennen: Es brauchte "mehr synodale Strukturen auf allen Ebenen der Kirche", die Glaubigen sollten an der Auswahl von Pfarrern und Bischofen beteiligt werden. Die Kirche benotige "auch verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt", durch den Priestermangel gebe es immer mehr zu gro?e Pfarreien; Priester wurden "verheizt".

"Rechtsschutz und Rechtskultur in der Kirche" mussten "dringend verbessert werden", ein erster Schritt dazu sei "der Aufbau einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit". Die "Hochschatzung der Ehe und der ehelosen Lebensform" bedeutet fur die 144 Theologen nicht, "Menschen auszuschlie?en, die Liebe, Treue und gegenseitige Sorge in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder als wiederverheiratete Geschiedene verantwortlich leben".

"Selbstgerechter moralischer Rigorismus steht der Kirche nicht gut an", hei?t es im Memorandum; sie konne nicht Versohnung mit Gott predigen, ohne die Voraussetzung zur Versohnung mit denen zu schaffen, "an denen sie schuldig geworden ist: durch Gewalt, durch die Vorhaltung von Recht, durch die Verkehrung der biblischen Freiheitsbotschaft in eine rigorose Moral ohne Barmherzigkeit".

"Dem Sturm des letzten Jahres darf keine Ruhe folgen!", rufen die Theologieprofessoren der Kirchenleitung zu; diese Ruhe konne "in der gegenwartigen Lage nur Grabesruhe sein". Nun gelte es, "im freien und fairen Austausch von Argumenten nach Losungen zu suchen, die die Kirche aus ihrer lahmenden Selbstbeschaftigung herausfuhren". Angst jedenfalls, so schlie?en die Theologen, sei in Zeiten der Krise noch nie ein guter Ratgeber gewesen. Und gerade die Christen seien "vom Evangelium dazu aufgefordert, mit Mut in die Zukunft zu blicken und - auf Jesu Wort hin - wie Petrus ubers Wasser zu gehen: ,Warum habt ihr solche Angst? Ist euer Glaube so klein?'"

Ein bisschen klingt das wie fur die Frauen und Manner geschrieben, die diese Erklarung unterzeichnet haben. Fur den Moment, wo sie dem einen oder anderen Bischof gegenubersitzen, und der sie gefahrlich sanft fragt: "Soso, Sie haben dieses Pamphlet auch unterschrieben?"

 
 

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