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  Missbrauch: Klasnic-kommission Zog Zwischenbilanz

Erzdiozese Wien
April 13, 2011

http://www.erzdioezese-wien.at/content/news/articles/2011/04/13/a25842/



Kommissionsmitglied Hubert Feichtlbauer hob hervor, dass eine kirchlich eingesetzte Kommission "das tun kann, was ein staatliches Gericht vielfach nicht mehr kann": den Betroffenen unabhangig von einer Verjahrungsfrist oder Beweislage helfen.

Die Unabhangige Opferschutzanwaltschaft war die erste ihrer Art in Osterreich. Zunachst von den Medien kritisch beaugt, machte das Modell mittlerweile aber Schule: Mittlerweile haben alle Bundeslander nach kirchlichem Vorbild selbst entsprechende Einrichtungen eingerichtet.

253 Falle von Gewalt und Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen wurden von der Unabhangigen Opferschutzanwaltschaft bisher abgearbeitet. Das teilte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, 13. April, die von Kardinal Christoph Schonborn eingesetzte Leiterin der Kommission, Waltraud Klasnic, mit. Insgesamt waren seit April des Vorjahres 909 Meldungen eingegangen, 72 davon fielen nicht in den Zustandigkeitsbereich der Opferschutzanwaltschaft. "Im Zweifel fur das Opfer zu sein, ist unsere Hauptaufgabe. Die Menschen stehen im Vordergrund und nicht die Paragrafen", betonte Klasnic.

"Die Arbeit wird noch einige Jahre dauern"

Die Einrichtung werde noch einige Jahre weiter zur Verfugung stehen und die offenen Falle abarbeiten, so Klasnic. Die offizielle Meldefrist fur Betroffene endet am 31. Mai dieses Jahres - spatere Meldungen werden dann uber von den diozesanen Ombudsstellen abgewickelt.

Bei den 837 Betroffenen - davon 627 mannlich, 210 weiblich - wurden bisher 239 Entscheidungen und Ma?nahmen getroffen: Davon entschied die Opferschutzkommission 199 Falle, 40 weitere konnten ohne Vorlage in der Kommission erledigt werden, etwa durch das Vermitteln von personlichen Gesprachen. Weiters konnten 14 Hilfestellungen gegeben werden in Fallen, die nicht in die Zustandigkeit der beiden Einrichtungen fielen.

192-mal finanzielle Hilfeleistungen

In 192 Fallen sprach die Kommission finanzielle Hilfestellungen in der Hohe von 5.000 bis zu mehr als 25.000 Euro zu. Diese Betroffenen, denen finanzielle Hilfen zugesprochen wurden, waren zu 78,1 Prozent Opfer von sexuellem Missbrauch, 62 Prozent von korperlicher und 63,5 Prozent von psychischer Gewalt. 74,5 Prozent der Betroffenen waren von mindestens zwei Arten der Gewalt betroffen, 28,6 Prozent erlebten alle drei. Im Durchschnitt dauerte das Leiden 3,9 Jahre.

Die meisten Vorfalle in den 60er Jahren

Der Gro?teil der Betroffenen (45,8 Prozent) war zu Beginn der Vorfalle zwischen zehn und 13 Jahre alt. 32,3 Prozent waren zwischen sechs und neun Jahre alt und etwa 10 Prozent waren alter als 14 oder junger als sechs Jahre. Die meisten Vorfalle (39,6 Prozent) fanden im Zeitraum von 1960 bis 1969 statt; von 1970 bis 1979 ereigneten sich 21,9 Prozent, von 1950 bis 1959 weitere 17,2 Prozent, 12,5 Prozent zwischen 1980 und 1989 sowie 5,7 Prozent vor 1950. Weitere 2,1 Prozent entfallen auf die Jahre von 1990 bis 1999. Zwei Vorfalle wurden seit 2000 gemeldet.

Klasnic: "Radikales Umdenken vom Verschweigen zum Opferschutz"

Waltraud Klasnic machte auf die erschutternden Schicksale hinter den Zahlen aufmerksam: "Es ist ein offener und ehrlicher Umgang gefragt und ich glaube, es ist hier einiges gelungen." Die Einrichtung der Unabhangigen Opferschutzwanwaltschaft sei eine "sehr wichtige und vorbildliche" gewesen; alle Falle, die die katholische Kirche betreffen, werden "gewissenhaft und grundlich" aufgearbeitet. Daruber hinaus habe es "auch von anderen Religionsgemeinschaften Meldungen gegeben hat".

Man sehe die Thematik als gesamtgesellschaftliches Anliegen, so Klasnic. Demnach sei es auch wichtig gewesen, dass es in der Offentlichkeit zu einer Bewusstseinsbildung gekommen sei. Sie hoffe, dass "Menschen auch den Mut haben, sich Hilfe zu holen".

Mit Gesprachen und der Zuerkennung von Hilfe konne das Leid nicht wieder gut gemacht werden; es konnten lediglich Signale dafur sein, dass es "zum notwendigen radikalen Umdenken von Verschweigen und Vertuschen" hin zu Opferschutz und einem offenen Umgang mit Fakten gekommen sei, betonten die Kommissionsmitglieder.

Richterin: "Wir fuhren keine Gerichtsverfahren"

Die Richterin Caroline List erklarte, dass die Kommissionsentscheidungen auf einer groben Plausibilitatsprufung beruhten. Sie betonte, dass es sich bei den finanziellen Hilfen nicht um "Schweigegeld" handle: "Wir verwehren niemanden den Gerichtsweg." Dieser stunde auch nach einer Kommissionsentscheidung weiterhin offen.

Staatliche "Koordinierungsstelle" notwendig

Erneut wurde auch die Notwendigkeit einer staatlichen "Koordinierungsstelle" betont. Der fruhere Prasident des Wiener Stadtschulrats, Kurt Scholz, berichtete, dass man bezuglich nichtkirchlicher Falle bereits im Gesprach mit dem Bildungsministerium und der Volksanwaltschaft sei.

 
 

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