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  Missbrauch: Der Staat Weigert Sich, DAS Dunkle Kapitel Aufzuarbeiten

The Profil
June 30, 2011

http://www.profil.at/articles/1126/560/300666_s1/klasnic-missbrauch-der-staat-kapitel

Obwohl die Klasnic-Kommission keine Aufklarung betreibt, weigert sich der Staat, die dunklen Kapitel massenhaften sexuellen Missbrauchs aufzuarbeiten.

Von Emil Bobi

Wenn die "Unabhangige Opferschutzanwaltschaft“, besser bekannt als Klasnic-Kommission, Entschuldigungsbriefe an "anerkannte Opfer“ verschickt, klingt der Inhalt eindeutig: "Das Kuratorium und der Vorstand der Stiftung Opferschutz der katholischen Kirche in Osterreich bedauern zutiefst, dass Sie zum Opfer von Mitarbeitern der katholischen Kirche geworden sind. Namens der Kirche wollen wir nochmals um Entschuldigung bitten …“

Gemeint ist das freilich nicht ganz so.

Die Klasnic-Kommission kann den Wahrheitsgehalt des Gro?teils der bislang 1039 bearbeiteten Falle gar nicht kennen. Sie versucht auch gar nicht erst, ihn in Erfahrung zu bringen. Geredet wird nur mit den Opfern, nie mit den mutma?lichen Tatern, und wenn die rund 60 im Auftrag der Kommission tatigen Psychologen einen "Leidensdruck“ konstatieren und den Eindruck gewinnen, "dass da was war“, erfolgt die Anerkennung als Opfer. Dann winken ein paar Therapiestunden, ein "finanzielles Symbol“ zwischen 5000 und 50.000 Euro sowie ein Entschuldigungsschreiben. Jahrzehnte nach den behaupteten Ubergriffen eindeutige Beweise zu finden ist nicht die Zielsetzung der Kommission. Was die Kommission kann und will, sagt Waltraud Klasnic: "Man kann Menschen eine Erleichterung bringen, die ihr ganzes Leben gelitten haben. Wurde geben, indem man zuhort und ernst nimmt.“

Reinhard Haller, Psychiater, Gerichtsgutachter und Mitglied der Klasnic-Kommission: "Es ist ein Problem, wenn man die Kausalitat nicht prufen kann, die Entscheidung der Kommission aber als wahr betrachtet. Doch in der Kirche hat man viel verbrochen und verdrangt, und jetzt will man halt einfach Signale setzen.“

Die Kirche kann das: nicht objektivierbare Vorwurfe "glauben“ und finanzielle "Signale“ setzen, auch wenn die behaupteten Taten strafrechtlich verjahrt sind. Aber kann das auch der Staat? Viele Experten und Beobachter meinen, es gehe nicht an, dass sich nur die Kirche um die Falle kummere, obwohl sie genau genommen dafur keine Zustandigkeit habe, sondern im Gegenteil das Taterumfeld reprasentiere.

Der Ruf nach einer staatlichen Kommission zur Aufarbeitung von Fallen sexuellen Missbrauchs ist bislang auf taube Ohren gesto?en. Nur Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grunen, plant, in der letzten Parlamentssitzung vor der Sommerpause Anfang Juli einen Entschlie?ungsantrag zur Bildung einer derartigen Kommission einzubringen. Einer der Grunde dafur sei, dass die Klasnic-Kommission von vielen Opfern gemieden werde, weil man sie als nicht unabhangig betrachte. Uber die Chancen seines Antrags gibt er sich "keinen Illusionen hin“, denn "der Staat hat kein Interesse an den Schicksalen der Opfer“.

Waltraud Klasnic jedenfalls erweckt Vertrauen. Bei ihr haben sich auch Missbrauchsopfer nichtkatholischer christlicher Gruppen gemeldet, fur die sie ebenfalls verhandelt. Die ehemalige steirische "Landesmutter“ ist kirchennah ("Ich liebe diese Manner-Kirche“), sie wurde vom Papst mit dem "Gregorius-Orden fur besonderen Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion“ ausgezeichnet. Sie besteht dennoch darauf, "unabhangig“ von der Kirche zu agieren, und weist Vorwurfe zuruck, das Ziel ihrer Kommission sei, den Opfern in psychologischen Gesprachen die Wut zu nehmen, um den Schaden fur die Kirche moglichst gering zu halten. Tatsachlich wird die Arbeit der Klasnic-Kommission auch von Kritikern als positiver Schritt gesehen. Und zumindest manchen Mitgliedern der Kommission, wie dem fruheren Jugendgerichtshofprasidenten Udo Jesionek oder dem Gerichtspsychiater Reinhard Haller, kann eine kirchliche Voreingenommenheit nicht ernsthaft vorgeworfen werden. Au?erdem wurde selbst fur eine staatliche Kommission die Klasnic-Kommission als - weiterzuentwickelndes - Vorbild dienen mussen.

Das sagt auch Albert Steinhauser. Warum sich der Staat bislang um das Thema gedruckt hat, erklart der grune Parlamentarier so: "Bisher war der Staat froh, dass der Fokus der Missbrauchsdiskussion auf die Kirche gerichtet war und man selbst im Schatten stand. Man wollte sich auch nicht mit der Kirche anlegen. Als die Kirche dann von sich aus angefangen hat, etwas zu tun, sagte man sich, es passiert eh schon was.“ Es herrsche auch gro?e Angst vor dem Thema, weil es in staatlichen Heimen keineswegs besser zugegangen sei als in kirchlichen. Aber die Klasnic-Kommission betreibe keine Aufklarung, und der Umgang mit den Tatern sei nicht befriedigend. So manche seien trotz erwiesener und eingestandener Ubergriffe noch im Amt.

Trotz schwieriger Beweisbarkeit der Taten musse eine staatliche Kommission "genauer arbeiten“ als die Klasnic-Kommission und bei Verdacht "aktiv ermitteln wie bei nicht verjahrten Offizialdelikten“, so Steinhauser. Am Ende gehe es auch um eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung und um Anerkennung fur die Opfer.

Reinhard Haller halt eine staatliche Kommission fur begru?enswert, obwohl die Beweisbarkeit der Missbrauchsvorwurfe ein schwer zu uberwindendes Problem sei. Selbst die besten Gutachten konnten dabei nicht weiterhelfen, wie der Prozess gegen den Wetter-Moderator Jorg Kachelmann bewiesen habe. Internationale Erfahrungen zeigten, dass 30 Prozent der angezeigten Falle sexueller Ubergriffe nicht der Realitat entsprachen, das treffe wohl auch auf die Falle der Klasnic-Kommission zu. Ein anderes Problem sei die Bemessung von Schmerzensgeld fur psychisches Leid. Haller meint, die aufgedeckten Vorfalle innerhalb der Kirche seien "besonders schlimm“, dennoch musse man darauf verweisen, dass nach ernst zu nehmenden Schatzungen mehr als 99 Prozent aller sexuellen Ubergriffe au?erhalb der Kirche stattgefunden hatten: "Es ist wohl kaum zu verstehen, warum das Opfer eines Religionslehrers etwas bekommt, das Opfer eines Reitlehrers aber nicht.“

Klasnic-Kommissionsmitglied Udo Jesionek halt zwar eine staatliche Kommission fur kaum sinnvoll, weil sie auch nur "Falle der Staatsanwaltschaft melden“ konne. Und diese konne bei Verjahrung nichts unternehmen. Einen Musterprozess, in dem die katholische Kirche als juristische Person fur Taten verantwortlich gemacht wurde, die mit ihrem Wissen und unter ihrer Deckung begangen wurden, fande Jesionek allerdings "spannend“. Dafur musse sich nur ein Opfer finden, das sich fur ein derartiges, vielleicht aussichtsarmes Verfahren hergebe. Ein Anwalt musse sich finden, der sich das antue, und schlie?lich ein "Oberster Gerichtshof, der uber seinen Schatten springt“.

 
 

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