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  Schwere Vorwurfe: Juristisch Wie Menschlich Hochst Bedenklich

kath.net
August 8, 2011

http://www.kath.net/detail.php?id=32606

Netzwerk Katholischer Priester zum geplanten Forschungsobjekt der Deutschen Bischofe zur Aufarbeitung sex. Missbrauchs: Wir protestieren entschieden gegen die beabsichtigte pauschale Herausgabe aller Personalakten zum Zwecke eines Forschungsobjekts

Bonn-Munchen (kath.net)

Das Netzwerk Katholischer Priester hat am Wochenende Kritik an dem geplanten "Forschungsprojekt zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs an Minderjahrigen im kirchlichen Bereich" geubt und die Deutschen Bischofe ersucht, in aller Form ihr Vorgehen zu uberdenken und von den bisherigen Planungen Abstand zu nehmen. Zuletzt hatte am Freitag die Deutsche Bischofskonferenz eine Stellungnahme veroffentlicht und zugesichert, dass es bei dem Projekt keinerlei direkten Einblick in Personalakte geben werde. KATH.NET hat berichtet.

Kath.Net dokumentiert die Stellungnahme des Netzwerks im Wortlaut:

Das Forschungskonzept des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN) fur eine empirische Untersuchung des sexuellen Missbrauchs an Minderjahrigen durch katholische Priester, Diakone und mannliche Ordensangehorige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz sieht die Durchsicht aller Personalakten des genannten Personenkreise der letzten 65 Jahre vor.

Der Standige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat auf seiner 185. Sitzung am 20./21. Juni 2011 beschlossen, mit KFN einen Vertrag zu schlie?en, der eben dieses Vorgehen regelt.

Als Sprecher des NETZWERK KATHOLISCHER PRIESTER teilen wir das Anliegen der Bischofe, wirksame Ma?nahmen zur Verhinderung des sexuellen Missbrauchs an Minderjahrigen durch katholische Kleriker oder andere kirchliche Mitarbeiter zu ergreifen und gegenuber den bisherigen Opfern Entschiedenheit im Handeln zu signalisieren. Wir sind wie die Bischofe der Meinung, da? Tatern oder Tatverdachtigen in ordentlichen Strafverfahren ihre Taten nachgewiesen werden mussen und sie durch gerichtlich festgesetzte Strafen die Konsequenzen ihres Handelns tragen sollen.

Dennoch protestieren wir entschieden gegen die beabsichtigte pauschale Herausgabe aller Personalakten zum Zwecke eines Forschungsprojektes. Denn diese stellt aus unserer Sicht einen unerlaubten Eingriff in die Personlichkeitsrechte von Priestern, Diakonen und Ordensgeistlichen dar und beschadigt nachhaltig das Vertrauensverhaltnis katholischer Kleriker gegenuber ihren Bischofen und Oberen. Wir sehen durch die geplante Ma?nahme die Majoritat unserer Mitbruder einem offentlichen Generalverdacht im Hinblick auf sexuellen Missbrauch an Minderjahrigen ausgesetzt, der bisher in erster Linie durch eine oft undifferenzierte Behandlung des Themas in den Medien hervorgerufen wurde und jetzt auch durch die eigenen Vorgesetzten in der Offentlichkeit – wenn auch ungewollt - verbreitet wird. Wir halten dies fur ein falsches Signal in zweierlei Hinsicht. Erstens wird das ohnehin schwierige Thema in der vergroberten Wahrnehmung der Offentlichkeit unzulassig pauschalisiert, und zweitens stellt die ohne Befragung und Zustimmung des Einzelnen an Dritte beschlossene Auslieferung von Personlichkeitsdaten aus allen (!) Bereichen des klerikalen Werdegangs eine grobe Verletzung der den Bischofen und Oberen obliegenden Fursorgepflicht fur die ihnen Untergebenen dar.

Denn unabhangig von der Frage, ob die Uberlassung von personenbezogenen Daten einem massiven und den Personenschutz des Einzelnen ubersteigenden und ihn so aufhebenden wissenschaftlichen Interesse dient oder nicht, liegt in der ohne die Mitwirkung des Einzelnen beschlossenen Uberlassung der Personalakten mehr als nur ein - auch durch die „Klarstellung“ der Deutschen Bischofskonferenz vom 5. August 2011 keineswegs gelostes - datenschutzrechtliches Problem. Denn au?er dem aus unserer juristisch eingehend gepruften Sicht damit einhergehenden Versto? gegen die Kirchliche Datenschutzordnung, nach der der Einzelne davor zu schutzen ist, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Personlichkeitsrecht beeintrachtigt wird, entsteht auch ein ungeheuerlicher Bruch des Vertrauensverhaltnisses zwischen Klerikern und ihren Bischofen bzw. Oberen. Denn die Personalakten enthalten neben berufsbezogenen Details auch personliche Daten aus dem privaten Umfeld eines Klerikers.

Durch das geplante Vorgehen wird der grundgesetzlich garantierte Personlichkeitsschutz des einzelnen Klerikers, dessen Personalakte eine Vielzahl hochstpersonlicher Dokumente und Daten enthalt (kirchliche Leumundszeugnisse, Werdegang, Beurteilungen etc.), grob verletzt, wenn ohne die Zustimmung des Einzelnen eine Herausgabe von personenbezogenen Daten erfolgt.

Analog haben im staatlichen Arbeitsrecht Dritte keinen Anspruch auf Herausgabe der Personalakten, und ein Arbeitgeber kann auch nicht vertraglich eine solche auf den Weg bringen. Selbst staatliche Petitionsausschusse und Gerichte konnen nur dann die Vorlage der Personalakten anordnen, wenn der Arbeitnehmer zustimmt.

Im Rahmen des besonderen Treueverhaltnisses zwischen dem Diozesanbischof und seinen Priestern und der Fursorgeverpflichtung des Bischofs gema? can. 384 des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 (Codex Iuris Canonici – CIC) muss der Bischof Ma?stabe ansetzen, die nicht hinter den Grundsatzen des staatlichen Arbeitsrechtes bei der Behandlung der Daten einer Personalakte zuruckstehen. Genau dies aber geschieht hier.

Unter der Voraussetzung da? die Deutsche Bischofskonferenz diese Beschadigung im Innenverhaltnis sorgfaltig gegenuber dem wissenschaftlichen Interesse abgewogen hat, aus dem heraus sie die Privatsphare aller (!) ihrer unterstellten Kleriker Dritten uberla?t, mussen wir feststellen, da? diese Interessenabwagung zweifelsohne in der breiten Offentlichkeit den Eindruck hinterla?t, die Deutsche Bischofskonferenz unterstelle durch die Gewahrung von Akteneinsicht ohne Einwilligung des Einzelnen alle Priester, Diakone und Ordensangehorige in ihrem Jurisdiktionsbereich dem Generalverdacht von sexuellem Missbrauch an Minderjahrigen.

Das NETZWERK KATHOLISCHER PRIESTER wendet sich mit Entschiedenheit gegen das juristisch wie menschlich hochst bedenkliche Vorgehen der Deutschen Bischofe. Denn fur die Zukunft des Priesterberufes und des Diakonats in Deutschland ist es aus unserer Sicht unerla?lich, den Zusammenhalt zwischen den Bischofen und den ihnen anvertrauten Klerikern zu starken. Die – wenn auch nur mi?verstandliche - Stellung aller Geistlichen unter den Generalverdacht der tatsachlichen oder potentiellen Mi?brauchstaterschaft durch die ungenehmigte Uberlassung aller Personalakten, wirft jedoch einen tiefen Graben zwischen den Bischofen und ihren engsten Mitarbeitern auf.

Zahlreiche Anfragen und Beschwerden von Mitbrudern bestarken uns, diese Kritik am Vorgehen der Bischofe – ungeachtet unseres gelobten Gehorsams gegenuber den jeweiligen Autoritaten – mit Entschiedenheit vorzutragen.

Denn es ist aus unserer Sicht ein fataler Irrtum, zu glauben, das Joch der Schuld und der Sunde in der Kirche durch offentlichkeitswirksame Projekte wie das Forschungsprojekt des KFN abzuwenden, das eher geeignet ist, den Klerikerstand als Ganzen der offentlichen Verfolgung preiszugeben, als ihm zu einer neuen Vertrauensbasis zu verhelfen. Auch das zu erwartende positive Ergebnis, da? die Mehrheit der Kleriker unbescholten ist, wird keinesfalls die im Vorfeld ausgeloste Welle an durch die Bischofe selbst materialiter verursachten Generalverdachtigungen uberwiegen.

Wir sind erschuttert uber den aus dem geplanten Vorgehen sprechenden Mangel an Vertrauen zu uns Priestern und uber die damit einhergehende offensichtliche Hilflosigkeit unserer Bischofe, denen wir unser Geschick bei der Weihe buchstablich in die Hand gegeben haben, uns in der Offentlichkeit vor pauschalen Inkriminierungen zu bewahren. Schon die Tatsache, da? unsere Personlichkeitsrechte durch das Ignorieren unserer zum Vorhaben notwendigen Zustimmung verletzt werden, belegt, da? sich im Miteinander zwischen Bischofen und Klerikern in der katholischen Kirche Deutschlands einiges andern mu?, will man den Priesterberufungen noch eine Zukunft schenken.

Wir bitten daher die Deutschen Bischofe in aller Form ihr Vorgehen zu uberdenken und von den bisherigen Planungen Abstand zu nehmen.

Fur das NETZWERK KATHOLISCHER PRIESTER das Sprechergremium

Pfr. Dr. Guido Rodheudt, Pfr. Hendrick Jolie, Pfr. Uwe Winkel

kathTube: Vortrag vom "Priesternetzwerk" bei der Theolog. Sommerakademie in Aigen

 
 

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