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  " Ungehorsam" : Kritik Von Theologen an Pfarrer-Initiative Wird Lauter

The Kathweb
August 31, 2011

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Wiener Dogmatiker Tück fordert "runden Tisch" und warnt Pfarrer-Initiative vor "Grenzüberschreitung" - Innsbrucker Dekan Niewiadomski sieht "mediales Dilemma"

Wien-Innsbruck (KAP) In die aktuelle Debatte rund um die Pfarrer-Initiative und ihren "Aufruf zum Ungehorsam" bringen sich nun auch immer mehr österreichische Theologen mit kritischen Anfragen und Einwürfen ein. Nach den Theologen Paul Zulehner und Michael Rosenberger haben nun auch der Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück und der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, Jozef Niewiadomski, zu einer Deeskalation aufgerufen, um weiteren Schaden von der Kirche abzuwenden. Tück fordert in seiner Stellungnahme einen "runden Tisch", Niewiadomski ruft angesichts einer sich medial verselbständigenden Debatte zu einer Abrüstung der Worte von Seiten der Pfarrer-Initiative auf.

Konkret empfiehlt Tück zur Deeskalation drei Schritte: Die Pfarrer-Initiative müsse sich von "konkreten Akten des Ungehorsams" distanzieren, "um die Grundlage für eine von Vertrauen geprägte Gesprächssituation mit der Kirchenleitung wiederherzustellen"; außerdem sei der Forderungskatalog "zu entflechten" und zu sortieren; schließlich empfiehlt Tück einen "runden Tisch", an dem neben Kardinal Christoph Schönborn und weiteren Vertretern der Bischofskonferenz sowie der Pfarrer-Initiative auch "bewährte Mitarbeiter aus der Pastoral sowie Repräsentanten der akademischen Theologie" miteinander "unter Ausschluss der medialen Öffentlichkeit" ins Gespräch kommen sollten.

Insgesamt sei der Forderungskatalog der Pfarrer-Initiative laut Tück "zu eng gefasst, als dass er eine wirksame Erneuerung des Glaubens fördern könnte". Der Ungehorsams-Appell stelle vielmehr eine "Grenzüberschreitung" dar, die die "Einheit der Kirche gefährdet und die Bischöfe nicht gleichgültig lassen kann". Überrascht zeigt sich Tück darüber, dass der Aufruf gerade in eine Zeit falle, in der sich etwa die Erzdiözese Wien mit der Initiative "Apostelgeschichte 2010" auf einen Reformweg bis hinein in die Pfarrstrukturen begeben hat.

Die Einzelforderungen der Initiative müssten laut Tück differenziert betrachtet werden. So gebe es durchaus zu begrüßende Punkte wie etwa die Forderung nach einer Fürbitte um Kirchenreform. Auch könne er sich eine stärkere Einbeziehung von Laien in der Gemeindepastoral vorstellen, um einer "Dauerüberforderung" der Priester entgegenzuwirken. Im Blick auf die Frage der Kommunionspendung für wiederverheiratete Geschiedene empfiehlt Tück einen "pastoral sensiblen Umgang" und ein Lernen etwa von den Kirchen des Ostens und ihrer in dieser Sache "weniger rigiden Praxis". Bei der Frage der Priesterweihe von Frauen und einer Lockerung des Zölibats warnt Tück indes vor einem "ortskirchlichen Sonderweg". Dieser wäre verfehlt und würde auch nicht den eindeutigen lehramtlichen Beschlüssen gerecht werden.

Niewiadomski: "Mediales Dilemma lösen"

Der Innsbrucker Dogmatiker und Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Jozef Niewiadomski, ruft die Pfarrer-Initiative auf, "das Schlagwort des Ungehorsams aus der Diskussion zu nehmen, damit auch auf den Nimbus der Rebellen zu verzichten und so die medial verfestigte Frontenstellung aufzubrechen". Die Geschichte habe sich zu einem "medialen Topevent" verselbständigt und dränge unter dem Druck der medialen Logik auf andauernde weitere "Eskalation". So würden "sowohl die Pfarrer als auch die Bischöfe zu Geiseln in einem unlösbaren Dilemma", so Niewiadomski gegenüber "Kathpress".

Schließlich empfiehlt auch Niewiadomski, der der Initiative "als 'Aufschrei'" auch Positives abgewinnen kann, ein "Aufschnüren des gebündelten Forderungspakets" der Pfarrer-Initiative. Nötig sei die "Erstellung einer Prioritätenliste", bei der jenes Thema an die Spitze gehöre, "das subjektiv den meisten Katholiken viel Leid zufügt: der kirchliche Blick auf die Geschiedenen". Da müsse eine gemeinsame Lösung auf der Ebene der Ortskirche gesucht werden; dieser Weg der "kleinen Schritte" werde allerdings "keine Schlagzeilen bringen", glaubt Niewiadomski: "Nicht die Schlagzeilen und mediale Präsenz sind aber in der Kirche das Entscheidende."

Detail-Blick auf Forderungskatalog

In seiner ausführlichen Stellungnahme zum "Ungehorsams-Appell" der Pfarrer-Initiative unterzieht der Wiener Dogmatiker Prof. Jan-Heiner Tück den Forderungskatalog einer ausführlichen Detail-Anlayse. Dabei ordnet er die Forderungen prinzipiell in den laufenden Reform-Diskurs innerhalb der Katholischen Kirche ein, der mit der "dialogischen Öffnung zur Moderne" durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) seinen Anfang genommen hat.

Einen Höhepunkt im Streit um die Auslegung des "aggiornamento" - d.h. der Forderung einer neuen Sensibilität der Kirche für die Zeichen der Zeit - stellte im heurigen Frühjahr zunächst das "Theologen-Memorandum" dar, aber auch der Forderungskatalog der Pfarrer-Initiative könne in diesem Kontext gesehen und als "gezielte Provokation" in Richtung einer stärker bewahrenden Konzilslesart verstanden werden, so Tück.

In seinen Detailbetrachtungen nimmt Tück vor allem die medial Aufsehen erregenden Forderungen nach einer Reform der Kommunionspendepraxis, nach einer Predigterlaubnis für Laien, nach der Priesterweihe von Frauen und nach einer Änderung der Zölibatspraxis in den Blick. Dabei unterstreicht er zunächst, dass die Eucharistie als "Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens" nicht mit einem "sozialen Event" zu verwechseln sei, "an dem jeder, der kommt, nach Belieben teilnehmen kann". Dennoch bedürfe es eines neuen "pastoral sensiblen Umgangs" mit der wachsenden Zahl wiederverheirateter Geschiedener.

Die lehramtliche Sorge bestehe darin, durch eine zuvorkommende Zulassung dieser Gruppe zur Eucharistie die "monogame Ehe als Zeichen der von Gott gewollten Gemeinschaft zwischen Mann und Frau" in ihrer Unauflöslichkeit in Frage zu stellen. Unbeschadet dessen finde sich laut Tück jedoch bereits im Neuen Testament "Zugeständnisse von Ausnahmen". Auf dieser Linie sollte man weiter denken, "zumal die mit Rom unierten Kirchen des Ostens eine weniger rigide Praxis kennen, ohne deshalb die Ehe als Zeichen der von Gott gewollten Gemeinschaft zwischen Mann und Frau zu relativieren". Im Übrigen habe Papst Benedikt XVI. in seinem jüngsten Interview-Band mit Peter Seewald über diese Frage laut nachgedacht und vorsichtig eine Ausdehnung kirchlicher Ehe-Annulierungsverfahren erwogen.

Keine Engführung auf Laien-"Predigt"

Zur Frage der Laienpredigt weist Tück darauf hin, dass es in der aktuellen Debatte zu einer Engführung auf die Frage der Predigt in Gottesdiensten mit Eucharistiefeier komme. Diese blieben durch die römische "Instruktion über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester" von 1998 tatsächlich den Priestern vorbehalten. Allerdings räume das Kirchenrecht einem Ortsbischof in "pastoralen Notsituationen" durchaus einen Handlungsspielraum ein, auch Laien mit der Predigtdienst zu beauftragen, "wie es beispielsweise im Bistum Basel unter der Ägide von Bischof Kurt Koch - in Absprache mit den kurialen Instanzen - eingeführt worden ist", so Tück.

Keinerlei ortskirchlichen Handlungsspielraum gebe es indes bei der Frage der Frauenordination. Da sprechen laut Tück die lehramtlichen Dokumente - allen voran das Apostolische Schreiben "Ordinatio sacerdotialis" von 1994 von Johannes Paul II. - eine deutliche Sprache, heißt es darin doch, dass die Kirche "in keiner Weise die Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden" und dies "definitiv festzuhalten" sei. Dennoch müsse diesem "formalen Hinweis" auf den hohen Verbindlichkeitsgrad des päpstlichen Schreibens laut Tück weitere Argumente zur Seite gestellt werden, um wirklich überzeugen zu können.

Ungeachtet dessen würde eine Einführung der Frauenordination die Kirche jedoch laut Tück "in ähnlich schwerwiegende Zerreißproben führen, wie sie in der Anglikanischen Gemeinschaft beobachtbar sind". Auch wäre eine solche Annäherung an die reformatorischen Kirchen laut Tück wohl eine "schwere Belastung des Verhältnisses zu den Schwesterkirchen der Orthodoxie".

"Behutsame Lockerung" bei Pflichtzölibat?

Für ein weiteres Nachdenken, "wie der Zölibat unter den gewandelten Bedingungen der gesellschaftlichen Gegenwart glaubwürdig gelebt werden kann", plädiert Tück bei der Frage der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt. Auch in dieser Frage lägen zwar eindeutige lehramtliche Dokumente vor, dennoch gebe es Argumente, die für eine "behutsame Lockerung" der Regeln und eine Öffnung des Priesteramtes für "viri probati" ("bewährte Männer") sprechen - sei es der Verweis auf die Praxis in den unierten Kirchen des Ostens, wo nur Bischöfe und Ordensgeistliche an den Zölibat gebunden sind, oder der Verweis auf den nicht-dogmatischen Charakter des Zölibats.

Schließlich empfiehlt Tück der Pfarrer-Initiative im Blick auf die pfarrlichen Reformprozesse eine Beteiligung an laufenden Reformprozessen - etwa der Initiative "Apostelgeschichte 2010" in der Erzdiözese Wien, wo der von Kardinal Christoph Schönborn im Frühjahr präsentierte Reform-"Masterplan" in diesem Herbst konkrete Züge annehmen soll.

 
 

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