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  In Eigener Sache: Kirchlicher Maulkorb Aufgehoben!

The Regensburg-Digital
October 21, 2011

http://www.regensburg-digital.de/in-eigener-sache-kirchlicher-maulkorb-aufgehoben/18102011/

Im Rechtsstreit mit der Diozese Regensburg hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg der Berufung unserer Redaktion heute in vollem Umfang stattgegeben (Az 7U 38/11).

Damit durfen wir nach eineinhalb Jahren Maulkorb wieder die Meinung vertreten, dass die Diozese Regensburg durch ihr Verhalten bei einem Missbrauchsfall in Viechtach 1999 wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Verbrechen eines Priesters nicht offentlich wurden und er so spater erneut einen Ministranten sexuell missbrauchen konnte. Wir durfen die Meinung vertreten, dass sich die Diozese Regensburg in diesem Zusammenhang beim Vertuschen sehr kreativ gezeigt hat und dass seinerzeit vereinbarte Geldzahlungen den Beigeschmack von Schweigegeld haben.

Die Diozese hatte gegen einen Kommentar geklagt, den regensburg-digital.de am 7. Marz 2010 in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche im Allgemeinen und in der Diozese Regensburg im Speziellen veroffentlicht hatte.

Darin haben wir auch den Fall des padophilen Priesters Peter K. erwahnt, der zunachst in Viechtach einen elfjahrigen Jungen missbraucht hatte. Die Diozese handelte mit der Familie eine Stillschweigevereinbarung aus. Es wurde Schmerzensgeld gezahlt und die Ubernahme von Therapiekosten zugesichert. Bereits zwei Jahre darauf wurde K. erneut auf Kinder losgelassen. Die Gemeinde Riekofen war uber die Vorgeschichte von K. nicht informiert worden. 2007 kam heraus, dass er dort erneut mindestens einen Ministranten in 23 Fallen sexuell missbraucht hatte.

Unser Kommentar dazu:

Und beim Vertuschen von Missbrauch zeigt man sich au?erst kreativ. (…) Ein Opfer des padophilen Pfarrers von Riekofen erhielten Geldzahlungen, die nicht nur in den Augen unserer Redaktion den Beigeschmack einer Schweigegeldzahlung hat.. Das Bistum Regensburg hat das stets bestritten. Es habe keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem vereinbarten Schweigen gegeben, behauptet das Bistum. „Es geht Ihnen nicht um die Opfer, sondern vor allem darum, dass nichts an die Offentlichkeit kommt“, sagte eines der Opfer dem SPIEGEL.

Die Passage war auf einen Artikel des Nachrichtenmagazins SPIEGEL unter dem Titel “Schweigen gegen Geld” verlinkt.

Die Diozese klagte dagegen vor dem Landgericht Hamburg und bekam Anfang des Jahres recht.

Wir durften nicht den Eindruck erwecken, dass die Diozese „durch Vermittlung einer Geldzahlung“ bewirken wollte, dass „der in Rede stehende Vorfall nicht an die Offentlichkeit gerat“, so das Landgericht Hamburg in seinem erstinstanzlichem Urteil.

Die Pressekammer des Oberlandesgerichts unter Vorsitz von Richterin Marion Raben hat dieses Urteil nun aufgehoben. Die Diozese Regensburg muss die Kosten von Abmahnung, einstweiliger Verfugung sowie der I. und II. Instanz tragen. Der Streitwert wurde vom Oberlandesgericht auf 20.000 Euro festgesetzt.

Eine Begrundung des Urteils liegt uns noch nicht vor. Die Formulierungen seien in vollem Umfang von der Meinungsfreiheit gedeckt, so die Vorabauskunft der OLG-Pressestelle.

Richterin Raben erklarte im Verlauf der Verhandlung, dass die gewahlten Formulierungen in dem Kommentar “noch zuruckhaltend” seien. Daruber hinaus sei auch die Position der Diozese dargestellt worden. Der Eindruck, dass die Diozese durch ihr Verhalten wenigstens mit dazu beitragen wollte, dass der sexuelle Missbrauch an in Viechtach nicht offentlich wird, sei auch “nicht ganz von der Hand zu weisen”.

Unsere Rechtsanwalt, der Regensburger Medienrechtler Nils Putz, sieht in der Entscheidung “ein wichtiges Urteil fur die Presse- und Meinungsfreiheit”. “Eine freie Presse ist die Grundlage unserer Demokratie. Der Kirche durfen hier keine Sonderrechte eingeraumt werden.”

Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Unterstutzerinnen und Unterstutzern. Sie haben binnen weniger Tage uber 10.000 Euro gespendet und es dadurch uberhaupt erst ermoglicht, gegen den Maulkorb der Diozese Regensburg in I. Instanz vorzugehen. Fur die II. Instanz hatte uns die Gewerkschaft verdi Rechtsschutz gewahrt.

Ebenfalls am Dienstag wurde die Berufung im ahnlich gelagertem Rechtsstreit zwischen dem Spiegel und der Diozese verhandelt. Auch das Hamburger Nachrichtenmagazin war zunachst vor dem Hamburger Landgericht unterlegen. Auch hier wurde der Berufung in allen Punkten stattgegeben.

Bereits vergangene Woche blitzte die Diozese, ebenfalls in II. Instanz, mit ihrem Ansinnen ab, der Tageszeitung Die Welt die Formulierungen “Vertuschung” und “Schweigegeld” verbieten zu lassen.

Alle drei Urteile sind noch nicht rechtskraftig.

 
 

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