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  Katholische Kirche Macht Mit Pornos Ein Vermogen

The Welt
October 27, 2011

http://www.welt.de/vermischtes/article13679586/Katholische-Kirche-macht-mit-Pornos-ein-Vermoegen.html

Foto: picture-alliance/ dpa/ANSA Die Bischofe schauen gerne weg, wenn es um das Portfolio des "Weltbild"-Verlages geht

"Weltbild" ist der gro?te deutsche Buchhandler. Was aufgrund des Verkaufsangebots nicht zu erkennen ist und daher viele nicht wissen: Dieser Medienkonzern gehort zu 100 Prozent der katholischen Kirche.

Doch seit Oktober ist Feuer unter dem Dach, nachdem das Fachmagazin "buchreport" berichtete, die katholische Verlagsgruppe beteilige sich am Geschaft mit Erotik. Man wolle, hie? es daraufhin eilig von Seiten der Bischofe, den "Vertreib moglicherweise pornografischer Inhalte" durch den katholischen "Weltbild"-Verlag unterbinden. Vermutlich habe ein Filtersystem versagt.

Doch zahlreiche engagierte Katholiken, die schon seit mehr als zehn Jahren ihre Oberhirten so unermudlich wie erfolglos auf den Skandal „Weltbild" aufmerksam machen, sind ob solcher Scheinheiligkeit entsetzt.

Die katholische Kirche steckt in der „Weltbild"-Falle, weil sie hunderte Millionen Euro in das das Augsburger Verlagshaus gesteckt hat, das aber Geschafte betreibt, von denen Papst Benedikt sagt, sie gehorten zu den Gutern der Kirche, die ihr eigentliches Gut verdunkelten.

Bischofe wissen um „Weltbild“-Skandal

Im Fruhjahr 2008 trafen sich in einer bayerischen Bischofsstadt einige entschlossene Katholiken und erstellten eine 70-seitige Dokumentation uber das fragwurdige Angebot des katholischen „Weltbild"-Verlages. Diese Dokumentation wurde allen deutschen Diozesanbischofen zugeschickt, deren Bistumer Miteigentumer des „Weltbild"-Verlages sind.

In der Informationsmappe wurde beispielhaft nachgewiesen, dass „Weltbild" mit der Verbreitung von Sexbuchern, Gewaltverherrlichung, Esoterik, Magie und Satanismus eine Menge Geld verdient. Die Aktivisten nannten ihre Initiative „Katholisches! Weltbild“ und forderten die Bischofe als verantwortliche Eigentumer in einem beigefugten Schreiben zum sofortigen Handeln auf. Erschuttert hat das die hohe Geistlichkeit kaum.

Mehr als die Halfte aller betroffenen Bischofe lie? nicht einmal den Eingang bestatigen und beantwortete auch einen spater nachgeschobenen Brief nicht. Die Antwort aus dem Erzbischoflichen Ordinariat in Munchen war gar zynisch.

Beschwerdebriefe werden ignoriert

Dem „PUR“-Magazin – einer Zeitschrift, die sich selbst , selbst als „wertkonservativ“ und „katholisch mit Sympathie fur Papst und Kirche“ bezeichnet – liegt der im Auftrag von Erzbischof Marx am 5. Juni 2008 an die Initiative „Katholisches! Weltbild“ geschriebene Antwortbrief vor, verfasst vom Erzbischoflichen Finanzdirektor, Dr. Sebastian Anneser.

Darin hei?t es: „Gestatten Sie mir aber dennoch eine kleine personliche Anmerkung. Sie und die in der Anlage genannte Initiative ‚Katholisches! Weltbild’ haben verdienstvoller Weise mit viel Muhe alles Unkraut aufgestobert. Als Priester, dem die Glaubwurdigkeit eines kirchlichen Unternehmens sehr wohl auch ein gro?es Anliegen ist, fallt es mir schwer, alle Energie ausschlie?lich darauf zu verwenden, noch das letzte Unkraut auszurei?en, selbst wenn ich dabei wissentlich Gefahr laufe, den Weizen im Acker – zu vernichten. Und aus meiner und sicher auch Ihrer Kenntnis des Unternehmens ware ich dankbar, wenn ich mit ebenso gro?em Engagement Bestatigung und Anerkennung erfuhre fur den vielen Weizen, der beispiellos uber ‚Weltbild’ unter das Volk gestreut wird.“

Mit solch uberheblicher Ignoranz hatten selbst die kampferprobten Streiter fur ein katholisches „Weltbild" nicht gerechnet. Sie hatten daher wohl auch nicht zu Unrecht den Eindruck, dass die bischoflichen Gesellschafter „nicht wirklich ernsthaft bereit sind, umgehend Abhilfe zu schaffen“.

Und irgendwie mogen sie den mehr als drei Jahre spater eilig gesprochenen markanten Worten von Kardinal Marx nicht so recht glauben, wenn er jetzt in die Mikrofone der Journalisten ruft: „Wir wollen in unseren Verlagen weder Pornografie noch Gewaltverherrlichung. Wenn wir davon horen, gehen wir der Sache nach, und dann wird das unterbunden.“

Die gespielte Uberraschung der Amtstrager

Die nach au?en getragene Uberraschung vieler kirchlicher Entscheidungstrager, dass in ihrem Gro?verlag Pornografisches vertrieben wird, ist gespielt. Schlecht gespielt. Seit Jahren gehen bei den Bischofen Beschwerdebriefe von Glaubigen ein, die stereotyp bischoflicherseits so oder ahnlich beantwortet werden:

„Wir bestatigen den Eingang ihres Schreibens, das Herr Bischof ... zur Kenntnis genommen hat. Ich darf Ihnen versichern, dass Herr Bischof ... den darin geau?erten Fragen nachgehen wird.“

Seit 30 Jahren hantiert die katholische Kirche mit „Weltbild". Seit 30 Jahren ein Flirt mit Geld und Macht. Unter Missachtung ethischer und moraltheologischer Verpflichtungen hat sich die Kirche mit ihrem hauseigenen Konzern zu einem „Major Player“ im Mediengeschaft hochgepuscht. Dieser Weg nach oben hat Millionen an Kirchensteuergeldern verschlungen.

Konzern mit 20 Prozent Marktanteil

Heute hat das Unternehmen 6400 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von rund 1,7 Milliarden Euro. Im Onlinebuchhandel ist das Augsburger Verlagshaus die Nummer zwei nach Amazon.

Im stationaren Buchhandel hat „Weltbild" rund 20 Prozent Marktanteil. Damit ist der Konzern der fuhrende Buchverkaufer in Deutschland.

Wer so einen florierenden Gro?konzern besitzt, der verdient auch einen Haufen Geld, denkt sich der einfache Katholik, und weil die Kirche wohl mit den Gewinnausschuttungen viel Gutes bewirkt, hat die ganze Sache auch ihre positive Seite. Doch genau darauf haben die Eigentumer offenbar regelma?ig verzichtet und die gesamten Gewinne reinvestiert, um das kapitalistische Ziel, milliardenschwerer Marktfuhrer zu werden, schneller zu erreichen.

Vor knapp drei Jahren versuchten die Bischofe, „Weltbild" zu verkaufen. Die damals hereingebrochene Finanzkrise habe aber einen Verkauf unmoglich gemacht, hie? es. So konnte „Weltbild"-Geschaftsfuhrer Carel Halff, ubrigens konfessionslos, im April 2009 verkunden: Der Verkaufsverzicht der Kirche habe das Haus gestarkt und er konne davon ausgehen, dass diese Entscheidung „stabil“ sei.

Was die Ausrichtung des Sortiments angehe, lie? Halff damals wissen, gebe es einen standigen Dialog mit dem Aufsichtsrat. Direktiven, die sich auf die Katholizitat des Programms auswirken, gibt es aber offenbar nicht. Entscheidend ist bei „Weltbild" nur der Geschmack der uber 20 Millionen Kunden.

Die Kirche in der „Weltbild“-Falle

Unter 2,5 Millionen Zuschriften 2008, so Halff, hatten sich nur 30 kritische Anfragen zum Angebot befunden. Eine so verschwindend geringe Zahl, dass sie sich nicht mehr in Prozenten ausdrucken lasst. Die katholische Kirche steckt in der „Weltbild"-Falle.

Der Marktfuhrer unter Deutschlands Buchverkaufern kann nur Marktfuhrer bleiben und seine Milliardenumsatze fortsetzen, wenn er weiterhin sein Geld auch mit Medien verdient, die mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar sind.

Ein Versandhandel in dieser Gro?enordnung kann nicht uber Filtersysteme alle einschlagigen Bucher, CDs und DVDs aussortieren, ohne erhebliche Umsatzeinbu?en hinzunehmen. Immerhin bietet „Weltbild" heute etwa 2500 erotische Titel in ihrem Online-Katalog an. Darunter sind auch Bucher des Verlages Blue Panther Books mit seiner Sex-Prosa der Reihen „Anwaltshure“, „Vogelbar“ und „Schlampen-Internat“.

Blue Panther Books gibt‘s zwar bei „Weltbild" zu kaufen, der Verlag war aber in diesem Jahr nicht einmal auf der Frankfurter Buchmesse vertreten, weil der Veranstalter fur einen Verlag dieser Art „keinen passenden Standplatz anbieten konnte“.

Untragbar ist freilich nicht nur das pornografische Angebot des „Weltbild"-Verlages. Denn er bietet auch nahezu alle kirchenfeindlichen Schriften wie die Bucher des Gottleugners Richard Dawkins an. Und zum Aufspuren papst- und kirchengegnerischer Literatur gibt es bis heute nicht einmal einen brauchbaren Filter. Weiterhin sind Esoterik, Astrologie sowie gewaltverherrlichende und satanische Medien im Online-Angebot.

Die alte Frage: Geld oder Moral?

Der monatlich in einer weit hoheren Auflage als die drei fuhrenden deutschen Nachrichtenmagazine „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ zusammen gedruckte 200-seitige Werbekatalog von „Weltbild" kommt in etwa vier Millionen Haushalte. Dort werden zwar offen keine Pornos beworben, der Katalog zeigt ansonsten aber oft eine erschreckende Niveaulosigkeit und preist Bucher an, die jeder Seite des katholischen Katechismus Hohn sprechen.

„Weltbild" ist fur die deutschen Bischofe so etwas wie eine Bank. Sie haben dort uber die Jahre knapp 182 Millionen Euro Kirchensteuergelder einbezahlt. Jetzt stehen sie vor der alten Frage: Geld oder Moral?

Die ohnehin schwierige Situation verscharften die geschaftstuchtigen Kirchenleute 1998 noch dramatisch dadurch, dass „Weltbild" sieben eigene Buchverlage mit funf Buchverlagen der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck zur Verlagsgruppe Droemer Knaur mit Sitz in Munchen fusionierte.

Bei dieser Aktion versenkte die Kirche nicht nur mal schnell 25 Millionen, sondern seither ist sie mit ihrem 50-prozentigen Anteil an Droemer Knaur nicht blo? mehr Verkaufer, sondern auch Produzent von pornografischen Buchern.

Die Bischofe werden somit indirekt zu Verlegern von Pornoartikeln. Man fragt sich, warum Medienbischof Gebhard Furst, der sich aus der brisanten Diskussion offentlich weitgehend heraushalt, als Hirte nichts dagegen unternimmt, wenn die katholische Kirche das Werk „Sundige Spiele“ mitproduziert?

Bucher wie „Sag Luder zu mir!“

Manchem bleibt nur noch die Polemik: Wozu braucht „Weltbild"-Aufsichtsrat und Sekretar der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Langendorfer, „Meine feuerroten Stilettos?“. Muss Bischof Mussinghoff wissen „Warum Manner so schnell kommen und Frauen nur so tun als ob“. So konnte man fortfahren.

Die qualende Frage bleibt, warum die Bischofe als Miteigentumer ihrer personlichen Verantwortung nicht gerecht werden und Bucher produzieren lassen wie: „Nimm mich hier und nimm mich jetzt!“, „Sex fur Konner“, „Handbuch fur Sexgottinnen“, „Schmutzige Geschichten“, „Der perfekte Verfuhrer“, „Sag Luder zu mir!“.

Bei Droemer-Knaur, zu dem die deutschen Bischofe neben Carel Halff einen eigenen katholischen Aufsichtsrat, den Kolner Bildungsdirektor Erwin Muller-Ruckwitt entsandt haben, betreibt man daruber hinaus auch einen der bekanntesten buddhistischen Verlage in Deutschland, den O.W. Barth-Verlag. Auch daran sind die Bischofe zur Halfte beteiligt.

Aber auch weitere Firmenbeteiligungen sind problematisch. So gehort dem „Weltbild"-Konzern zu einem Drittel das Internet-Portal buecher.de. Dort werden Bucher wie „Graf Porno“ und „Porno fur Paare“ beworben.

In der Selbstdarstellung „Wer wir sind – Uber ‚Weltbild’“ hei?t es auf der Homepage des Augsburger Verlagshauses: „Wir erfinden uns jeden Tag neu. Der Geschmack unserer Kunden andert sich beinahe taglich. Daher gibt es fur uns keine unumsto?lichen Regeln oder festgeschriebene Strategien. Wir erfinden uns permanent neu ... Fehler sind erlaubt – denn was zahlt ist der Erfolg.“

Wasser predigen und Wein trinken

Man wurde nicht unbedingt vermuten, dass dies katholische Unternehmensphilosophie ist. Daher bleibt bei vielen Glaubigen die Sorge, alles konnte so weiterlaufen wie bisher, sobald sich der kurze Sturm in den Medien wieder gelegt hat. „Business as usual“ eben. Die Glaubwurdigkeit der Kirche steht auf dem Spiel.

Bekannte Vorurteile gegen die Amtstrager finden durch den Skandal um „Weltbild" eine traurige Bestatigung: Wasser predigen und Wein trinken.

Auf die aktuelle Situation ubersetzt: Keuschheit predigen und Pornos verkaufen. Wenn ein kirchliches Unternehmen es aufgegeben hat, nach christlichen Gesichtspunkten zu arbeiten, dann gerat es an vielen Fronten in Widerspruch.

Das zeigt ein Beispiel aus einer wurttembergischen Kleinstadt. Dort kampft ein ortsansassiger katholischer Buchhandler seit Jahren um seine Existenz, seit „Weltbild" ein Ladengeschaft in seiner Stra?e eroffnet hat. Aus einem Fastenhirtenbrief seines Ortsbischofs, der zugleich Medienbischof ist, wei? er, dass er sich zur Heiligung des Herrentags nicht am verkaufsoffenen Sonntag beteiligen soll. Er halt sich daran. Andere nicht.

Der erste Laden, der aufmacht und der letzte der zumacht, ist das katholische „Weltbild"-Geschaft in seiner Stra?e. „Bigott“ nennt der Buchhandler die Bischofe deshalb, zumal nicht bekannt ist, dass irgendeiner von ihnen „Weltbild" schon mal aufgefordert hatte, sonntags ihre Buchladen geschlossen zu lassen, oder auf die 24-Stunden-Bestellhotline zu verzichten.

Deshalb fordern Leser auf der Internet-Plattform kath.net nicht nur eine „Entweltlichung“ der Kirche, wie sie der Papst angemahnt hat, sondern gleich eine „ganze Tempelreinigung“. Die katholische Kirche in Deutschland ist jedenfalls in ziemliche Erklarungsnot geraten.

 
 

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