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  25. November 2011: Seit 30 Jahren Bestimmt Joseph Ratzinger Wesentlich Den Kurs Der Weltkirche

Wir Sind Kirche
November 17, 2011

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30 Jahre Ratzinger in Rom

25. November 2011: Seit 30 Jahren bestimmt Joseph Ratzinger wesentlich den Kurs der Weltkirche

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Rom / Munchen, 17. November 2011

Am 25. November 1981 wurde Joseph Kardinal Ratzinger, der jetzige Papst Benedikt XVI., von Johannes Paul II. zum Prafekten der romischen Kongregation fur die Glaubenslehre ernannt. In diesen 30 Jahren hat der deutsche Theologe so lange und durchgreifend wie nur sehr wenige in der Kirchengeschichte den Kurs der romisch-katholischen Weltkirche im Vatikan mitgepragt und verantwortet: Mehr als 23 Jahre in der Glaubenskongregation (der Nachfolgeorganisation der 1542 gegrundeten „Kongregation der romischen und allgemeinen Inquisition“) und seit sechseinhalb Jahren als Papst.

Nicht vergessen und an den Auswirkungen nach wie vor deutlich spurbar ist, wie sehr Ratzinger zwischen 1981 und 2005 als Prafekt der romischen Glaubenskongregation Lehrverbote ausgesprochen, die Theologie der Befreiung verurteilt, Frauen in der Kirche ausgegrenzt, die Okumene mit den Kirchen der Reformation gebremst und selber lange zur Vertuschung des sexuellen Missbrauchs beigetragen hat. Dies steht in einer Linie mit zahlreichen weiteren von ihm beeinflussten Entscheidungen wie z. B. der Synoden-Instruktion (1997), der Laien-Instruktion (1997), der Erklarung „Dominus Iesus“ (2000), dem Vatikan-Papier gegen homosexuelle Lebensgemeinschaften (2003) und auch dem Vorgehen gegen Reformbewegungen wie die KirchenVolksBewegung. Die deutsche Kirche wurde durch seine anhaltenden Interventionen gegen die Schwangerschaftskonfliktberatung vor eine schwere Zerrei?probe gestellt. Die Liste der von ihm gema?regelten und eingeschuchterten Theologen und Theologinnen in aller Welt ist lang (siehe Anlage) und hat zu einem permanenten Klima der innerkirchlichen Angst und Erstarrung gefuhrt.

Nach seiner Wahl zum Papst am 19. April 2005 hatte sich, auch unter dem Einfluss der Medien, sein offentliches Erscheinungsbild zunachst gewandelt. Doch die Hoffnungen, Joseph Ratzinger werde als Papst – dem Titel „Pontifex maximus“ („Bruckenbauer“) entsprechend – sein Verhalten andern, haben sich nicht erfullt. Das Gegenteil ist eingetreten.

Ratzinger, der immer wieder die „Diktatur des Relativismus“ beklagt, betreibt selber seit Langem die Relativierung des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem durch die vollige Freigabe des vorkonziliaren Tridentinischen Ritus (2007, entgegen den Empfehlungen der weltweiten Bischofs-Synode 2005), durch seine Neuformulierung der Karfreitagsfurbitte zur Bekehrung der Juden (2008) und schlie?lich durch die au?erst problematische Rehabilitation der Priesterbruderschaft Pius X. im Januar 2009. Die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit der Piusbruderschaft mag fur Ratzinger auch ein personliches Trauma sein, hatte er sich doch im Auftrag von Papst Johannes Paul II. seit 1988 mit deren Grunder Erzbischof Marcel Lefebvre um eine Wiedereingliederung bemuht. Diese ist ihm aber trotz aller au?erst fragwurdigen vatikanischen Zugestandnisse bis heute nicht gelungen.

Die romisch-katholische Kirche befindet sind in der tiefsten Krise seit der Reformation. Die Aufdeckung der jahrzehntelangen Vertuschung der weltweiten Missbrauchsskandale ist nicht die einzige Ursache dafur, hat aber die Krise des klerikalen Systems offenbar werden lassen. Die Tragodie Ratzingers ist es, dass er zu spat und zu zogerlich mit der schonungslosen Aufarbeitung der Missbrauchs-Skandale begonnen hat. Und er wird von der romischen Kurie sowie von den Kardinalen und Bischofen nicht hinreichend unterstutzt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass er als Prafekt der Glaubenskongregation noch im Jahr 2001 alle Bischofe unter Strafandrohung dazu aufgefordert hatte, sexuelle Straftaten von Klerikern an Minderjahrigen moglichst geheim zu halten und allein die Glaubenskongregation daruber zu informieren.

Nicht die Sakularisierung, sondern Joseph Ratzinger tragt einen gro?en Teil der Verantwortung, dass die Kirche in vielen Bereichen gescheitert ist, den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden. Immer wieder zeigte er sich taub fur die Anliegen, die ihm von Bischofen, Theologen und vielen „Laien“ aus der ganzen Welt vorgelegt wurden. Besonders der Theologie der Befreiung trat er mit Misstrauen und Feindseligkeit entgegen. Die Jahre seiner Amtszeit in Rom enthullen mehr und mehr die grundlegende Schwache des ganzen Systems der romisch-katholischen Kirche: ihre autokratisch-monarchische Verfassung, ihre „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ von Priestern und „Laien“ sowie den in den letzten Jahren stark angewachsenen romischen Zentralismus, der den Ortskirchen kaum mehr eine Eigenverantwortung zugesteht.

Der wesentlich von ihm verfasste und redigierte „Katechismus der katholischen Kirche“ (1993) und das von ihm als Papst approbierte und promulgierte (d.h. feierlich anerkannte und veroffentlichte) „Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche“ (2005) werden den Anforderungen der modernen Theologie in keiner Weise gerecht. Die Instruktion „Homosexualitat und Weiheamt” war eines der ersten von ihm als Papst approbierten Dokumente zur Ausgrenzung homosexueller Manner vom priesterlichen Dienst. Die weite Verbreitung des Jugendkatechismus „Youcat“ (2011) und die Verkaufserfolge seiner zahlreichen Bucher konnen nicht daruber hinwegtauschen, dass die Lehre der katholischen Kirche heute nur noch von wenigen Menschen als Orientierung verstanden und befolgt wird, wie Studien und Umfragen immer wieder zeigen.

Die immer lauter werdende weltweite Kritik an seinem Pontifikat sollte Papst Benedikt als Ausdruck der tiefen Besorgnis der Glaubigen um das Wohlergehen der ganzen Kirche verstehen. Denn das Kirchenrecht sagt in Can. 212 § 3 CIC: "Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zustandigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie (d.h. die Glaubigen) das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen (...)."

Die Menschheit hat inzwischen ein waches Gespur fur die zahllosen Ungerechtigkeiten in der Welt entwickelt. Die katholische Kirche konnte und musste durch ihre weltweite Verbreitung einen positiven Einfluss auf kunftige Lebensbedingungen nehmen. Es ware ein Gebot der Stunde, sich von manchen uberkommenen, nicht mehr lebensdienlichen Leitungsstrukturen zu verabschieden und sich nicht angstlich an die angeblich von Jesus eingesetzte hierarchische Verfassung zu klammern: „Ihr sollt niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer: Christus“ (Mt 23,9 f.).

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