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„hören Wir Endlich Auf, Dieselben Fehler Zu Machen!"

Radio Vatikan
February 9, 2012

http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=561677

[with audio]

Einer der Höhepunkte auf der internationalen Konferenz zum Thema Missbrauch war der Vortrag des Psychologen Stephen Rossetti. Der Priester, Autor und Absolvent der „United States Air Force Academy" in Colorado ist einer der bekanntesten Missbrauchs-Experten der USA; er unterrichtet unter anderem an der Katholischen Universität von Amerika in Washington. Vor seinen Zuhörern aus aller Welt berichtete er an der römischen Universität Gregoriana über seine Arbeit mit Missbrauchstätern.

„Sie haben doch womöglich alle in Ihrer Familie jemanden mit einem Alkohol- oder Drogenproblem. Und dann wissen Sie doch auch, wie schwierig es ist, diese Leute dazu zu bringen, dass sie überhaupt zugeben: Ja, ich habe da ein Problem. Es ist sehr schwer, da rational heranzugehen. Ich habe den Bischöfen gesagt: Die Täter von Kindesmissbrauch sind in dieser Hinsicht genauso – nur mit zehn multipliziert. Die sind groß im Lügen, im Manipulieren, die wissen ihr Gegenüber in der Regel völlig hinters Licht zu führen. Bischöfe sind eine leichte Beute für sie: Wenn ein Pfarrer vor seinem Bischof steht, und der fragt ihn: Hast du das wirklich getan?, dann schaut ihm ein solcher Priester direkt ins Gesicht und sagt: Nein, natürlich nicht. Die führen ja oft sogar Psychologen hinters Licht! Darum arbeiten wir an meinem Institut in der Regel mit drei Psychologen – alle drei zu täuschen, das gelingt denn doch keinem Täter. Den Täter also zu einem Eingeständnis zu bringen, ist wirklich schwer, aber auch der erste Schritt, um das Problem anzupacken."

So sehr die Kirche in letzter Zeit auch Fortschritte gemacht habe, etwa durch das Erstellen von Richtlinien – sie habe noch lange nicht alle ihre Hausaufgaben gemacht, so Rossetti. Es brauche nicht weniger als einen weltweiten kulturellen Tabubruch, um das Schweigen über Missbrauch zu beenden.

„Ich helfe derzeit bei der Priesterausbildung in den Seminaren mit. Und da ist die Frage: Können wir die identifizieren, die zu Missbrauchstätern werden könnten? Die Bischöfe würden einem da gern freie Hand geben, um die von vornherein loszuwerden. In der Wirklichkeit läuft das aber nicht so: Die Täter sind nicht einfach so mit bloßem Auge auszumachen, die Sache ist unglaublich komplex. Es gibt zum Beispiel nicht den einen einheitlichen Tätertyp, sondern ganz verschiedene Typen. Aber eines habe ich den Bischöfen heute empfohlen: Bevor Sie jemanden zum Priester weihen, schicken Sie ihn zu einem ausführlichen psycho-sexuellen Testgespräch mit einem Psychologen in einer vertraulichen Umgebung, damit der versucht herauszufinden, ob die sexuellen Werte dieses Mannes im Großen und Ganzen intakt sind."

Die Kirche müsste eigentlich ein Schutzraum sein für Kinder, die Gefahr laufen, missbraucht zu werden oder in anderer Hinsicht seelisch beschädigt zu werden. Mit deutlichen Worten hat Rossetti deswegen den Bischöfen in Rom vorgehalten, wie viele Fehler beim Umgang mit Missbrauchsfällen gemeinhin gemacht werden, im kirchlichen Raum wie generell in der Gesellschaft.

„Ein Bischof aus Afrika sagte: Ich habe das nicht gewusst. Na ja – aber jetzt wissen Sie's!, ist meine Antwort. Es gibt jetzt keine Entschuldigung mehr. Praktisch in jedem Land im Westen sind die Bischofskonferenzen einzeln durch denselben tumultartigen Lernprozess gegangen: Opfer packen aus, Presse greift das auf, das Trauma ist da. Muss das wirklich erst jede Nation auf der Welt durchmachen, bis alle Ortskirchen dazulernen? Dazu ist doch diese Konferenz da: Lernen wir endlich voneinander! Und hören wir auf, jeder für sich dieselben blöden Fehler zu machen."

Am wichtigsten ist für Monsignore Rossetti die Prävention: Es gibt genug Beweise dafür, dass gut gemachte Präventionsprogramme auch wirken, betonte er in Rom. Und er empfahl den Bischöfen, auf Missbrauchsopfer zu hören.

„Die Bischöfe in den USA haben ihre Null-Toleranz-Politik beschlossen und hatten kurz vorher in Dallas die Berichte von vier Opfern angehört. Ich glaube, wenn Bischöfe direkt mit Opfern ins Gespräch kommen und deren Geschichte hören, dann lässt sich etwas in Bewegung setzen. Bischöfe sind mitfühlende Leute – sie brauchen den direkten Kontakt zu Opfern, sie müssen ihre Geschichten anhören."




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