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Tater, Opfer Und Null Toleranz

Anmerkungen donec venias
March 23, 2012

http://anmerkungendonecvenias.blogspot.de/2012/03/tater-opfer-und-null-toleranz.html

Aus gegebenem Anlass, mochte ich hier einmal kurzgefasst das wiedergeben, was ein Bekannter zu sagen hat. Ich habe mich bemuht, alle Details herauszunehmen, die ihn identifizierbar machen. Seinen Namen habe ich naturlich sowieso geandert. Vielleicht ist er ein Ausnahmefall. Vielleicht gibt es noch mehr wie ihn. Denn wer erfahrt so etwas? Er hat mich nicht beauftragt das zu schreiben. Er resigniert eher und hat Angst, dass, gleich was er tut, alles nur noch schlimmer wird. Also, hier seine Geschichte:

"Mein Name ist Josef. Ich bin Priester – und Sie sind alle meine Richter. Bevor Sie das endgultige Urteil fallen, nehme ich dankend die Moglichkeit an, wenigstens alles aus meiner Sicht schildern zu konnen:

Zu meiner Berufung fand ich, als ich als Jugendlicher schwer verletzt im Krankenhaus lag und der Ortspfarrer mich besuchte. Er setzte sich zu mir und betete den Rosenkranz. Dabei wurde mir klar, dass ich in Maria eine liebende Mutter habe. Das war fur mich sehr wichtig. Denn meine Mutter hatte mich nicht gewollt, meinen Vater kannte ich nicht. Ich durfte nur leben, weil eine Verwandte sich bereit erklart hatte, mich gro?zuziehen. Dort wuchs ich auf, meine Mutter sah ich selten. Ich wollte sein wie dieser Pfarrer, der Kranke besucht und Verlassenen wie mir eine Mutter zeigt.

Weil ich mir meiner Berufung bald sicher war, interessierte ich mich nicht fur partnerschaftliche Beziehungen. Ich konzentrierte mich darauf, das Abitur zu machen, was ich ursprunglich nicht geplant hatte. Auch wusste ich ja, dass ich als katholischer Priester nie heiraten werde, warum hatte ich mich da nach Madchen umsehen sollen?

Am Seminar fuhlte ich mich als Au?enseiter. Besonders meine marianische Frommigkeit musste ich oft verbergen, um nicht als naiv ausgelacht zu werden. Ich hoffte naturlich dennoch, gute Freunde zu finden und lie? mich in der Sehnsucht nach Annahme in eine Gruppe ziehen, die homosexuelle Handlungen praktizierte. Ich brachte es nicht uber mich, bei allem mitzumachen und ein echter Freund half mir, mich von diesen Leuten wieder zu distanzieren.

Ich wurde Kaplan und engagierte mich bei vielen seelsorglichen Tatigkeiten, die mir oft gro?e Freude machten. Aber die innere Einsamkeit verging nicht vollig dadurch. Ich achtete auf mein geistliches Leben und hielt viele gute Kontakte. Meine Krise begann, als ich unerwartet und vorzeitig als erste Pfarrstelle eine sehr schwierige Gruppe von Pfarreien ubernehmen musste. Die vielen notwendigen Arbeiten, mit denen ich zurande zu kommen versuchte, lie?en mir kaum Zeit fur meine bisherigen Freundschaften. Zum Gluck, so schien es zunachst, hatte ich eine tuchtige Gemeindereferentin, die gut organisieren konnte. Ich vertraute ihr sehr und sah sie auch ein wenig wie eine Mutter. Vielleicht zu sehr, denn manchmal schien mir auch, dass sie mich managte wie ihre eigenen minderjahrigen Kinder. Ich wurde auch mehr und mehr Teil ihres Haushalts und fuhlte mich als alterer Bruder ihrer Kinder.

In einer fur mich besonders kritischen Situation begann sie mit sexuellen Handlungen an mir. Ich lie? mich mitrei?en. Auch wenn es nie zum Geschlechtsverkehr kam, kam ich nicht mehr von ihr los. Ich war nicht der einzige Priester, der regelma?ig mit ihr zu tun hatte. In dieser Zeit war mir meine Berufung nicht mehr viel wert und ich hatte fast alles uber Bord geworfen, was mir wirklich wichtig war. Ich glaube fest, dass es die Jungfrau Maria war, die mir half, dass es niemals zum Schlimmsten kam. Selbst nicht bei der Sache, in der Sie nun uber mich zu Gericht sitzen.

Denn unter eher ungewohnlichen Umstanden kam es dazu, dass ich in einer Nacht mit einem meiner Pseudo-„Bruder“ ein Zimmer teilte. Dabei kam es zu einer fluchtigen unsittlichen Beruhrung. Die Situation sucht mich immer noch in Alptraumen heim. Ich bin mir bewusst, wie verwerflich mein Versuch war, den Jungen anfassen zu wollen und bin unendlich dankbar, dass es mir nicht gelungen ist, mein Ziel zu erreichen.

Danach war ich sehr verstort. Ich kam mit nichts mehr in der Pfarrei zurecht und lie? mich beurlauben. Ich vertraute mich einem Psychotherapeuten an. Dieser forderte mich auf, die Episode meinem Dienstvorgesetzten zu berichten. Als ich das tat, wurde ich zu einer Selbstanzeige aufgefordert. Ich tat auch das, denn ich wollte diese Schuld aus der Welt schaffen. Mir wurde gesagt, man konne die Sache am schnellsten bereinigen, indem ich mich auch zu ein paar Dingen schuldig bekenne, die ich gar nicht getan hatte. Ich habe dem geglaubt und erhielt die Mindeststrafe auf Bewahrung.

Sehr verstort hat es mich, dass ein Mitarbeiter des Bistums mir Informationen uber Kontakte mit Prostituierten vermitteln wollte. Ich hatte vaterliche Strenge erwartet aber nicht Aufforderung zu noch mehr Sunde. Ich bin nie zu Prostituierten gegangen. Stattdessen suchte ich einen guten geistlichen Begleiter, der mir half, zu meiner Berufung zuruckzufinden.

Seitdem nennt man mich padophil. Mehrere Jahre wusste ich nicht genau, was das ist, bis mich ein Mediziner daruber aufklarte. Und ich bin mir sehr sicher, dass ich nicht padophil bin. Ich war damals orientierungslos und verwirrt und von der Situation uberwaltigt. Dafur, dass die Leitlinien der Bischofskonferenz vorschreiben, dass ich nicht in der Kinder- und Jugendseelsorge arbeiten darf, bin ich sogar in vielem dankbar. Das schutzt mich vor falschen Verdachtigungen.

Es gibt so viele Menschen, die einen Seelsorger brauchen und oft lange niemanden finden konnten, der ihnen zuhort.

Wenn Diskussionen wie die jetzige losbrechen, dass Tater wie ich (dabei werde ich in einem Atemzug mit Menschen genannt, die uber Jahre und Jahrzehnte hinweg auf sehr perverse Art und Weise Kinder und Jugendliche unter Druck gesetzt und missbraucht haben) uberhaupt nicht mehr seelsorglich tatig sein durfen, habe ich Angst um meine Existenz. Wovon und wie und wofur soll ich dann leben? Ich wei?, dass das auch eine schlimme Sunde ware, aber bleibt mir irgendwann nur noch zu sterben? Ich habe doch gebeichtet, meine Strafe abgebu?t, mein Leben wieder neu ausgerichtet. Ich habe schon meine Alptraume uber diese eine Nacht, die mich verfolgen und soviele Auflagen, an die ich mich halte. Ja, ich habe meine Berufung, meine einzige und die Berufung meines Lebens in einer Zeit des Irrsinns leichtfertig wegwerfen wollen. Ja, ich bin fast in einen furchtbaren Abgrund gesprungen. Fast, denn ich wurde davor bewahrt. Und jetzt will ich nicht mehr dort hinunter, aber alles scheint darauf ausgerichtet zu sein, mir jeden muhsam wiedergefundenen Halt zu nehmen und mich dort hinabzusto?en."

 

 

 

 

 




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