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Aufklarung Auf Katholisch

By Anna Loll und Peter Wensierski
The Spiegel
March 29, 2012

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,824116,00.html

Bischof Ackermann: Fursorgepflicht fur die Opfer vergessen?

Pater Klaus Gorges offnet die Tur zu seiner kleinen Einliegerwohnung mit der beeindruckenden Sammlung orthodoxer Ikonen. Der 56-Jahrige tragt Priesterrobe mit steifem Kalkkragen und war stets ein frommer und folgsamer Diener der katholischen Kirche. Doch inzwischen ist er tief erschuttert uber seine kirchlichen Oberen. Weil er versucht hat, in der Pfarrei St. Martin in Kollerbach im Bistum Trier drei Missbrauchsfalle aufzuklaren.

Er ist entsetzt uber seinen langjahrigen Vorgesetzten und Dechanten, entsetzt uber den Trierer Bischof Stephan Ackermann und das ganze Ordinariat. Darum packte der konservative Pater seine ganze Enttauschung dieser Tage in einen Brief an seine Kirchenoberen. Darin wirft er ihnen Vertuschung statt Aufklarung vor und fordert vom Bistum Trier, "endlich reinen Tisch zu machen".

Es ist in der katholischen Kirche eher unublich, dass ein Geistlicher wie Pater Gorges seine obersten Dienstherren offentlich kritisiert. Aber Gorges steht mit seiner Kritik nicht alleine. Bischof Ackermann sieht sich seit der SPIEGEL-Berichterstattung uber die Weiterbeschaftigung padophiler Priester nun neuen, massiven Vorwurfen ausgesetzt. Die katholische Kirche findet einfach nicht die erhoffte Ruhe, weil sie im Umgang mit Missbrauchsfallen offenbar weniger dazugelernt hat, als sie es so gern nach au?en verkundet.

Schon gar nicht in Kollerbach. In einem offenen Brief emporen sich diese Woche Angehorige eines anderen Pfarrers, dass Ackermann "bis zur Stunde" zu den Geschehnissen "keine offentliche Erklarung an die Katholiken und Betroffenen" abgegeben habe. Gesprache wurden verweigert, Mitarbeiter eingeschuchtert, Aufklarungsma?nahmen verschleppt oder ganz verhindert. "Diese skandalose, zutiefst unchristliche Vorgehensweise muss ein fur alle Mal ein Ende finden", fordern die Katholiken.

Aufklarer wurden unter Druck gesetzt

Pater Gorges war seit Juli 2007 als Pater der konservativen Petrusbruderschaft vom Bischof mit der Seelsorge in der Gemeinde St. Martin beauftragt. Im Marz und April 2010 erfuhr er Konkretes uber drei Missbrauchstater. Ein Pater sollte demnach einen funfjahrigen Jungen missbraucht haben, ein anderer Geistlicher ein minderjahriges Madchen. Dieser verging sich an ihr, horte Gorges, als sie ihm in der Beichte offenbarte, dass ihr eigener Vater, der nach wie vor einen wichtigen Posten in der Gemeinde bekleidet, sie missbrauche.

Gorges informierte daraufhin im Fruhjahr 2010 unverzuglich die Bistumsleitung in Trier sowie den frisch ernannten Missbrauchsbeauftragten Bischof Stephan Ackermann. Eine Aufklarung des Sachverhalts fand aber nicht statt, der aufrechte Pater wurde im Juli 2010 durch Ackermann von seinem Amt entpflichtet. Statt Nachfragen auf seine Entdeckungen gab es Schweigen. Ahnlich ist es einem zweiten Pfarrer vor Ort ergangen, Guido Ittmann. Nachdem dieser durch Gorges von den Missbrauchen gehort hatte, suchte er selbst nach Beweisen. Ein Sohn des Beschuldigten bestatigte Ittmann den Missbrauch an seiner Schwester und die Berichte von Gorges. Unmittelbar danach erstattete Pfarrer Ittmann Anfang Juni 2010 Strafanzeige. Die Bistumsleitung in Trier hatte dies selbst offenbar nicht fur notig befunden.

Auch das Madchen selbst zeigte ihren Vater wegen Missbrauchs an und beschuldigte die beiden Priester. Ackermann sah jedoch die Anzeigen, wie auch die spater lediglich wegen Verjahrung eingestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, offenbar nicht als Anlass, den schweren Vorwurfen in seinem Bistum nachzugehen und die Opfer zu schutzen. Stattdessen wurden die Aufklarer immer mehr unter Druck gesetzt. Auch von anderen Katholiken. Ittmann bekam anonyme Drohbriefe, in denen ihm korperliche Gewalt angedroht wurde. Ein Sack voller Tierkadaver lag vor seiner Tur, tote Fledermause im Weihwasserkrug der Kirche. Geruchte kamen in der Gemeinde auf, er habe sich selbst etwas zuschulden kommen lassen - nichts daran stimmte, die Urheber blieben anonym.

2. Teil: Aufklarung auf katholisch

Nach einem halben Jahr des Mobbings und vergeblicher Bitten um Unterstutzung an die Bistumsleitung gab der Pfarrer auf und verlie? Ostern 2011 Kollerbach. Der stellvertretende Generalvikar wies ihn schriftlich an, dass "alle Veroffentlichungen im Zuge des Abschieds" von ihm abgezeichnet werden mussten.

Bereits im Marz 2010, so berichtet Ittmann, hatte ihm der damalige Personalchef des Bistums Trier und Missbrauchsbeauftragte Rainer Scherschel am Telefon mitgeteilt: "Wir haben beschlossen, die Missbrauchsgeschichten in Kollerbach aus der Diozese raus zu halten". Er solle sich still verhalten und nichts weiter unternehmen. Pfarrer Ittmann erzahlt, ihm sei fast der Horer aus der Hand gefallen. "Ich konnte gar nicht fassen, dass dies die Reaktion des Bistums auf Missbrauchsverdacht sein konnte". Das "Wir" in Scherschels Satz habe sich ganz klar auf Bischof Ackermann bezogen.

Dieser selbst habe im personlichen Gesprach mit Ittmann ebenfalls jede Zustandigkeit fur die Aufklarung in Kollerbach abgestritten. Er habe alles richtig gemacht, soll Ackermann Ittmann im August 2011 gesagt haben. Dass er als Bischof eine Fursorgepflicht auch fur die Opfer hat, scheint Ackermann, der Beauftragte "fur alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjahriger im kirchlichen Bereich", offenbar vergessen zu haben. Auf Nachfrage mochte das Bistum zu den Au?erungen Ackermanns und des Personalchefs nicht Stellung nehmen.

Mutma?licher Tater halt trotz Verbot Messen ab

Nachdem Aufklarer und Opfer massiv eingeschuchtert waren, redeten Vertreter der Bistumsleitung den Missbrauchsverdacht in Kollerbach weiter klein und bezeichneten ihn als blo?es Gerucht. Es gebe dazu keine konkreten Hinweise. Dabei hat offenbar einer der mutma?lichen Tater in einer bis jetzt geheim gehaltenen kirchenrechtlichen Untersuchung gegenuber dem Weihbischof Robert Brahm bereits 2011 die Missbrauche eingeraumt. Doch eben dieser Gestandige ist noch immer in der Gemeinde aktiv. Auch dies mochte das Bistum weder bestatigen noch dementieren.

In Trier erklart man sich schlicht als nicht fur die Aufklarung in Kollerbach zustandig. "Weder stehen die beschuldigten Personen heute, noch standen sie zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Taten in einer Beziehung zum Bischof von Trier", erklart die Bistumsleitung auf Nachfrage. Und die Opfer hatten sich ja schlie?lich auch nicht beim Missbrauchsbeauftragten von Trier gemeldet. Ergo: "Gesprache im Sinne der Leitlinien konnten damit nicht gefuhrt und Hilfsangebote nicht gemacht werden."

Aufklarung auf katholisch: Ittmann und Gorges stehen unter Druck. Der mutma?liche Tater bestimmt ganz ma?geblich das Leben der Gemeinde in Kollerbach. Der eine Pater ist 2000 in Freiburg und 2011 in der Schweiz wegen Kindesmissbrauchs zu jeweils mehreren Jahren Haft verurteilt worden. Der andere Pater halt trotz Verbot Messen im Bistum Trier ab. Am Telefon mochte er sich nicht zu den Vorwurfen au?ern. Seit seiner Entpflichtung 2007 "aus privaten Grunden", habe er keinen Kontakt mehr mit der Diozese gehabt. Zu den Vorwurfen gegen ihn und die Vorfalle in Kollerbach sei er nie befragt worden.

Schriftliches Verbot von oben

Die beiden Aufklarer erleben sich gegenuber Ackermann als ohnmachtig. Ittmann hat sich in sein Heimatbistum Paderborn zuruckgezogen, als Aushilfspfarrer, er leidet unter dem Druck seiner Kirche. "Es kann doch nicht sein, dass der Missbrauchsbeauftragte selbst Missbrauchsfalle unter den Teppich kehrt", meint Ittmann. Auch Gorges versteht die Welt nicht mehr.

"Die Umstande des Missbrauchs sind ungeheuerlich und beschmutzen die Kirche", findet der konservative Pater. Ackermann sei laut klar definierter "ordentlicher Hirtengewalt" eines Bischofs zustandig. Denn die beiden Pater seien sogenannte Kleriker "vagantes", sie haben keinen zustandigen anderen Oberen. Damit fallen sie und ihre Taten unter die Verantwortung des zustandigen Diozesanbischofs, zumal sich einer der beiden weiterhin im Bistum Ackermanns aufhalt, Seelsorge betreibt und Messen liest. Und auch fur den dritten mutma?lichen Tater ist Ackermann zustandig, da dieser ein Amt in einer Gemeinde des Bistums Trier, in Kollerbach, bekleidet.

Einen Tag nach seinem Brief ist Pater Gorges Ende vergangener Woche am Telefon plotzlich kurz angebunden. Er habe ein schriftliches Verbot von oben bekommen. Zu den Missbrauchsfallen in Kollerbach durfe er sich ab sofort nicht mehr au?ern.

 

 

 

 

 




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