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Vertuschung Von Missbrauchsfallen Im Bistum Trier

netzwerkB
March 31, 2012

http://netzwerkb.org/2012/03/29/vertuschung-von-missbrauchsfallen-im-bistum-trier/#more-12697

Offener Brief an den Bischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann

Vertuschung von Missbrauchsfallen im Bistum Trier

,Niemals tut der Mensch das Bose so vollkommen und frohlich, als wenn er es aus religioser Uberzeugung tut.‘ (Blaise Pascal)

Sehr geehrter Herr Bischof,

gema? uns vorliegender Dokumente haben sich in der zu ihrem Bistum gehorenden saarlandischen Pfarrei Herz Jesu, Puttlingen-Kollerbach zahlreiche Missbrauchsfalle ereignet.

Im Jahr 2009 meldete sich ein Missbrauchsopfer bei Pfarrer Guido Ittmann, der unser Familienmitglied ist, und berichtete ihm, dass er durch den Priester V. sexuell missbraucht worden sei. Der mutma?liche Tater soll, wie wir inzwischen wissen, an die drei?ig(!) Kinder vergewaltigt haben, viele der Opfer stammen aus der Pfarrei Herz Jesu, Puttlingen-Kollerbach. Der Tater wurde bereits vor Jahren verurteilt und befindet sich wieder im Dienst des Bistums Trier. Von Pfarrer Ittmann hierauf angesprochen, teilte ihm ein Mitarbeiter der Bistumsleitung mit, dass Priester V. ein hochangesehener Priester des Bistums sei.

Im Jahr 2010 erfuhr Pfarrer Ittmann von weiteren Missbrauchsfallen innerhalb seiner Pfarrei.

Auf dem Gebiet der Pfarrei Herz-Jesu, Puttlingen-Kollerbach befindet sich auch das Kirchengebaude der Gemeinde St. Martin, einer Gruppe traditionalistisch eingestellter Katholiken.

Hier soll es durch zwei der dort vormals tatigen Priester und einem ehrenamtlich tatigen Laien zu Sexualdelikten an Kindern bzw. Jugendlichen gekommen sein.

Priester H. soll ein Kleinkind vergewaltigt haben. Der Vater dieses Kindes soll seine Tochter missbraucht haben. Als diese sich hilfesuchend an den damaligen Seelsorger der Gemeinde, Priester U. gewandt habe, soll sie durch diesen ebenfalls vergewaltigt worden sein. Die Tater deckten sich dabei wohl jahrelang gegenseitig.

Von diesen Vorfalle erlangte Anfang 2010 der zu dieser Zeit in der Gemeinde St. Martin tatige Seelsorger, Herr Pater Gorges, mehr und mehr Kenntnis und leitete diese an seine Oberen, an das Bistum Trier als auch an den Ortspfarrer von Puttlingen-Kollerbach, Herrn Pfarrer Ittmann weiter.

In der Karwoche 2010 stellten Sie, Herr Bischof, im Rahmen einer Pressekonferenz die Beratungshotline der Deutschen Bischofskonferenz fur Opfer sexuellen Missbrauchs der Offentlichkeit vor. Zuvor waren Sie zum Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz fur alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjahriger im kirchlichen Bereich ernannt worden.

Im Anschluss an diese Pressekonferenz teilte ein Mitglied der Bistumsleitung Pfarrer Ittmann mit, dass die Trierer Bistumsleitung beschlossen habe, die Missbrauchsfalle in Puttlingen-Kollerbach aus dem Bistum Trier heraushalten zu wollen. Pfarrer Ittmann wurde aufgefordert, in der Angelegenheit nichts zu unternehmen.

Die Bistumsleitung erklarte sich Pfarrer Ittmann gegenuber wiederholt fur die Aufklarung und den Schutz moglicher weiterer Opfer nicht fur zustandig. Man argumentierte beispielsweise, Priester H. habe sich zum Zeitpunkt der Vergewaltigung des Kleinkindes nicht in einem Dienstverhaltnis des Bistums Trier befunden.

In Absprache mit Pater Gorges ist Pfarrer Ittmann daraufhin auf eigene Verantwortung den im Raum stehenden Missbrauchsvorwurfen weiter nachgegangen, um etwaige Zweifel an den Geschehnissen auszuraumen. In einem Gesprach mit einem Betroffenen wurde er Zeuge einer Morddrohung gegen einen der moglichen Tater. Daraufhin erstattete er im Sommer 2010 pflichtgema? Anzeige bei der Kriminalpolizei Saarbrucken gegen die drei Tater wegen sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen.

Das polizeiliche Ermittlungsverfahren musste kurz darauf allein aufgrund der geltenden Verjahrungsfristen fur Sexualstraftaten abgebrochen und eingestellt werden.

Bis zur Stunde gibt es von Ihrer Seite zu diesen Geschehnissen keine offentliche Erklarung an die Katholiken und Betroffenen in Puttlingen-Kollerbach.

Der tatverdachtige Laie ist weiterhin in leitender ehrenamtlicher Funktion innerhalb der Gemeinde tatig. Priester H., der wegen Sexualdelikte bereits einmal verurteilt wurde und in vier weiteren Landern Kinder missbraucht haben soll, ist nach unserer Kenntnis 2011 in der Schweiz erneut verhaftet worden und sitzt seitdem im Gefangnis. Priester U. feiert nach wie vor im Saarland die Hl. Messe.

Zur Abklarung (Vertuschung?) der Missbrauchsfalle in Puttlingen-Kollerbach sowie anderer Konflikte innerhalb der Gemeinde St. Martin war durch bischofliche Ernennung der Dechant des Dekanates Volklingen, wozu auch die Gemeinde Puttlingen-Kollerbach gehort, Herrn Pfarrer Klaus Leist, zustandig.

Dieser hat die Missbrauchsfalle in Puttlingen-Kollerbach in offensiver Weise von Anfang an unter Berufung auf die Bistumsleitung bestritten.

Pater Gorges, der die Missbrauchsfalle wesentlich mit aufgedeckt hat, wurde durch Dechant Leist als unglaubwurdig diffamiert. Pfarrer Ittmann gegenuber bezeichnete Dechant Leist wiederholt Pater Gorges als psychisch krank und deshalb als nicht glaubwurdig. Er wurde haltlose und unbewiesene Geruchte verbreiten. Ohne je Pater Gorges Gelegenheit zu geben, sich gegen die Verleumdungen zur Wehr zu setzen, vertrat Dechant Leist seine Position auch offen gegenuber anderen Priestern des Dekanates Volklingen.

Pater Gorges wurde als Seelsorger der Martinkirche entpflichtet und in die Arbeitslosigkeit entlassen.

Dann folgte eine Rufmordkampagne gegen unser Familienmitglied, Pfarrer Ittmann.

Dechant Leist streute innerhalb der Pfarrgemeinde das Gerucht, Pfarrer Ittmann habe sich selbst etwas zu Schulden kommen lassen. Er sei deshalb aus seinem Heimatbistum Paderborn rausgeflogen. Schlimmer noch: Es sei in Berlin, wo Pfarrer Ittmann in einer renommierten Jugendhilfeeinrichtung einige Jahre tatig war und Jugendliche betreut hat, etwas vorgefallen, worauf Pfarrer Ittmann funf Jahre vom priesterlichen Dienst suspendiert worden sei.

Durch derartige Verleumdungen aufgeputscht, kam es zu einer regelrechten Hetz- und Rufmordkampagne seitens einer kleinen Gruppe der Pfarrgemeinde gegen Pfarrer Ittmann. Seit Herbst 2010 erhielt Pfarrer Ittmann zahlreiche anonyme Drohbriefe. Es wurde ihm auch korperliche Gewalt angedroht.

Derart selbst als Sexualstraftater diffamiert und von bischoflicher Seite im Stich gelassen, fluchtete Pfarrer Ittmann Ostern 2011 aus seiner Pfarrei und kehrte nach Berlin zuruck. Aufgrund der Bedrohungslage und der Verleumdungen erkrankte er und verblieb neun Monate in Berlin. Die Kriminalpolizei bot ihm Polizeischutz an.

In diesen Monaten gab es weitere Verleumdungen gegen ihn. Man bescheinigte ihm im Sommer 2011 seitens der bischoflichen Behorde eine Paranoia. Auch sei er selbst schuld an den anonymen Drohbriefen.

Noch Anfang dieses Jahres unterstellte ihm der als Pfarrverwalter fur Puttlingen-Kollerbach eingesetzte Pfarrer Hans Thul auf einer offentlichen Sitzung des Pfarrgemeinderates erneut eine Paranoia.

Pfarrer Ittmann, der nicht durchgehend erkrankt war, wurde seitens Ihrer bischoflichen Behorde in den Monaten seiner Flucht untersagt, mit Mitgliedern seiner Pfarrei, wozu auch einige Freunde zahlen, zu reden und Kontakte zu pflegen. Man verbot ihm, wie es in einem amtlichen Schreiben hei?t, in seine Gemeinde hineinzuwirken.

Veroffentlichungen im Pfarrbrief wurden ebenfalls untersagt bzw. der Zensur unterworfen.

Angesichts dieser Faktenlage erklaren wir:

Zum ersten:

In Ubereinstimmung mit Papst Benedikt XVI sind wir der Auffassung, dass ein Priester, der ein Kind vergewaltigt hat, nie mehr Priester sein kann.

Zum zweiten:

In Ubereinstimmung mit der christlich-abendlandischen Moralauffassung und auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sind wir entschieden der Meinung, dass jeder Mensch, der von einer Vergewaltigung eines Kindes erfahrt, moralisch unbedingt personlich zustandig und zum Handeln verpflichtet ist.

Hier darf man sich nicht durch juristische Winkelzuge der Verantwortung entziehen.

Es ist ein beispielloser Skandal, dass kirchlich Angestellte um ihre berufliche Existenz, ja ihr Leben furchten mussen, wenn sie Kapitalverbrechen pflichtgema? zur Anzeige bringen (wollen). Ein solches, offenbar nicht nur im Bistum Trier herrschende Binnenklima, begunstigt und fordert geradezu weitere Sexualdelikte.

Zum dritten:

Pater Gorges und Pfarrer Ittmann sind unverzuglich offentlich zu rehabilitieren.

In der einzigen amtlichen Stellungnahme, die es seit Ostern 2010 zu den Vorfallen in Puttlingen-Kollerbach gegeben hat, steht kein Wort zu den durch Pater Gorges und Pfarrer Ittmann aufgedeckten Missbrauchsfallen, kein Wort zu den Drohbriefen, kein Wort zu den Verleumdungen durch Dechant Leist und anderen Personen.

Die im Pfarrbrief vom 28. Januar 2012 veroffentlichte Mitteilung umfasst ganze sieben Satze.

Wir zitieren den zweiten und dritten Satz:

‚Nach Absprache mit unserem Bischof hat er (Pfarrer Ittmann) seit 1. Januar einen neuen Dienst in einer Pfarrei in seinem Heimatbistum Paderborn angetreten. Wie sie aus der Presse bereits erfahren konnten, laufen auf verschiedenen Ebenen noch Ermittlungen.‘

Hierzu stellen wir klar: Es gab und gibt keine Ermittlungen gegen unser Familienmitglied Pfarrer Ittmann. Schon gar nicht auf verschiedenen Ebenen. Woran soll man dabei denken? Etwa an Kindesentfuhrung, Steuerhinterziehung, Zuhalterei, Totschlag….?

Wahr ist hingegen, dass gegen Ihren bischoflich Beauftragten zur Abklarung der Konflikte und Missbrauchsfalle in Puttlingen-Kollerbach, Herrn Dechant Leist, zur Stunde noch kriminalpolizeiliche Ermittlungen wegen angedrohter Korperverletzung und Verleumdung gegenuber Pfarrer Ittmann laufen.

Zum vierten:

Nachdem Pfarrer Ittmann im Sommer 2010 Anzeige gegen drei Sexualstraftater erstattet hatte, wurde er seitens bischoflicher Mitarbeiter wiederholt eingeschuchtert und genotigt.

Wir appellieren deshalb eindringlich an Sie, die auf Einschuchterung und Notigung basierende Form der Mitarbeiterfuhrung in ihrem Bistum unverzuglich zu beenden und durch einen Stil zu ersetzen, der von christlicher Humanitat und Respekt vor der Menschenwurde Ihrer Mitarbeiter gepragt ist.

Wir werden ab sofort alle an Pfarrer Ittmann gerichteten Briefe Ihrer oder auch einer anderen bischoflichen Behorde, die Elemente der Einschuchterung und Notigung enthalten und somit strafrechtliche Relevanz besitzen konnten, an die Staatsanwaltschaft Saarbrucken und die Medien, insbesondere an den ,Spiegel‘ zur Veroffentlichung weiterleiten.

Zum funften:

Wie oben aufgefuhrt, wurde Pfarrer Ittmann das Recht auf freie Meinungsau?erung genommen.

Mehr noch: Ihm und seinen Mitarbeitern wurde unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen untersagt, die unzutreffenden Behauptungen bischoflicher Mitarbeiter, Pfarrer Ittmann sei paranoid und ein Sexualstraftater, offentlich zu dementieren.

Dies ist au?erst gravierend.

Jeder Burger dieses Landes ist, auch dann, wenn er katholisch ist und sich in einem kirchlichen Arbeitsverhaltnis befindet, jederzeit im vollumfanglichen Besitz der durch das Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland garantierten Grundrechte.

,Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu au?ern und zu verbreiten und sich aus allgemein zuganglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewahrleistet. Eine Zensur findet nicht statt.‘ (Artikel 5,(1) des Grundgesetzes)

Zum sechsten:

Im Hinblick auf die moglichen Missbrauchsopfer in Puttlingen-Kollerbach fragen wir Sie:

Welche Hilfe bieten Sie den Opfern an?

Wir sind wie Hundertausende andere Burger in diesem Land zutiefst daruber beschamt, dass Missbrauchsopfer und Vertreter von Missbrauchsverbanden bis heute allzu oft von kirchlichen Wurdentragern wie Bittsteller und Storenfriede behandelt werden. Gesprache werden verweigert, Aufklarungsma?nahmen verschleppt oder ganz verhindert. Nicht selten werden die Opfer von Kapitalverbrechen, die von kirchlichen Mitarbeitern verubt wurden, nicht wie Opfer, sondern wie Tater behandelt.

Diese skandalose, zutiefst unchristliche Vorgehensweise muss ein fur alle Mal ein Ende finden.

Wir erwarten von den Bischofen dieses Landes und ganz besonders von Ihnen, dem Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, dass Sie Seite an Seite mit den Missbrauchsopfern fur deren berechtigen Interessen und Anliegen kampfen und aufhoren, sich als deren Opposition zu verstehen.

Zahllose Missbrauchsopfer konnen, wie Sie wissen, oft erst nach drei?ig oder vierzig Jahren uber ihre erlittenen Folterungen erstmalig reden. Fur sie gibt es aufgrund der skandalos kurzen Verjahrungsfristen fur Sexualdelikte bis zur Stunde uberhaupt keine Moglichkeit der juristischen Aufarbeitung.

Was fur eine Schande, dass diese Menschen dann auch noch von Personen, die sich auf Christus berufen, verhohnt und im Stich gelassen werden!

Da sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen aufgrund der komplexen psychologischen Auswirkungen eine mit keiner anderen Straftat vergleichbare Verletzung der Menschenwurde darstellt und die Folgen fur die Opfer ein Leben lang wahren, muss auch der Gesetzgeber diesem Faktum endlich Rechnung tragen.

Wir fordern deshalb die Aufhebung der Verjahrungsfristen fur Sexualdelikte an Schutzbefohlenen und rufen Sie, Herr Bischof auf, dies konsequent politisch einzufordern und es nicht bei Sonntagsreden zu belassen.

Nach wie vor besitzen Missbrauchsopfer jedoch so gut wie keine Lobby in unserem Land.

Die Katholische und Evangelische Kirche in Deutschland mit ihren uber funfzig Millionen Mitgliedern konnte und muss diese Lobby sein. Bislang ist dies leider nicht der Fall.

Geben sie, Herr Bischof, Ihren misshandelten Brudern und Schwestern, ohne Wenn und Aber Ihre Stimme.

Wir schlie?en mit einem Bibelzitat aus dem Matthausevangelium, Kapitel 25, Vers 40,45,46, in dem der Weltenrichter Christus spricht:

,Amen, das sage ich euch: Was ihr fur einen meiner geringsten Bruder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan… Amen, ich sage euch: Was ihr fur einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan: Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.‘

Lennestadt, den 23. Marz 2012

Annemarie Ittmann

Pia Wipper

Willi Wipper

Lydia Korber

Erich Korber

Ronald Korber

Gertrudis Klein

Manuela Klein

 

 

 

 

 




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