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Der Offene Brief Im Wortlaut

By Herr Kardinal!
Die Presse
April 12, 2012

http://diepresse.com/home/panorama/religion/747714/Der-offene-Brief-im-Wortlaut?direct=747735&_vl_backlink=/home/panorama/index.do&selChannel=399

Sehr geehrter Herr Kardinal!

Wir - der Vorstand der Pfarrerinitiative - haben uns um Pfingsten 2011 in einem „Aufruf zum Ungehorsam" gemeldet, weil wir unsere dringenden Reformwunsche offentlich machen wollten. Das ist uns inzwischen sogar weltweit und bis zur Grundonnerstagspredigt des Papstes gelungen. Die jahrzehntelang intern vorgebrachten Vorschlage und Anregungen wurden ja bisher stets hoflich zu den Akten befordert. Wir haben hier eine Provokation riskiert, die zwar bestens funktioniert hat, jedoch Ihr Amtsverstandnis als Hierarch so sehr verletzt, dass Sie seither beharrlich die Revision eines einzigen Wortes verlangen: Ungehorsam. Um es offen zu sagen: Das Reizwort war der Turoffner - es hat uns den weltweiten Diskurs ermoglicht. Dass Sie noch immer die Revision der Uberschrift urgieren, statt die Inhalte zu diskutieren, sagt viel uber Ihr Autoritatsverstandnis aus: Sie beziehen den Gehorsam, den wir Gott, seiner Weisung und dem Gewissen schulden, auf sich - auf Sie personlich und auf Ihr Amt.

Sie haben auch in keiner bisher bekannt gewordenen Stellungnahme erkennen lassen, dass ein christlicher Gehorsam kein blo? au?erlicher Befehlsgehorsam ist, sondern zum „Hinhorchen" - davon kommt auch das Wort - auf das eigene, gebildete und verantwortete Gewissen fuhren soll. Bei dieser Gewissensbildung spielt fur einen katholischen Priester auch die Weisung des vorgesetzten Bischofs eine gewisse, jedoch keineswegs die erste Rolle: „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen," lautet die biblische Regel. Einige von uns haben bei Gesprachen mit den zustandigen Diozesanbischofen - trotz einzelner Meinungsverschiedenheiten - Offenheit und Vertrauen schatzen gelernt. Wir nehmen an, dass das auch in Ihrer Wiener Diozese ahnlich moglich ist. Ihre Mitarbeiter offentlich zum Widerruf eines einzigen Wortes aufzufordern, erscheint uns doch ein allzu schlichtes Modell, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen. Und fur die vielen Priester der Pfarrerinitiative aus anderen Diozesen sind Sie ja gar nicht zustandig.

Dieser - vielleicht unbequeme - Brief soll jedoch mit einer anerkennenden Bemerkung schlie?en: Sie haben einen mit gro?er Mehrheit gewahlten - homosexuellen - Pfarrgemeinderat zu einem Gesprach gebeten, weil er in eingetragener Partnerschaft mit seinem Lebensgefahrten lebt. Und sie haben die Entscheidung der Pfarre gebilligt. Es ist moglich, dass Sie dafur von einer romischen Instanz getadelt werden. Und Sie haben das offensichtlich in Kauf genommen und wollen nun zu Ihrem „Ungehorsam" stehen. Dass Sie dabei den gehorsamen Pfarrer offentlich blo?stellten, ist allerdings ein kleiner Schonheitsfehler. Trotzdem sehen wir in Ihrer Entscheidung ein erfreuliches Beispiel, wie ein Bischof in seinem Amt dem Gewissen gehorcht, obwohl das Kirchenrecht oder die romische Weisung Anderes vorsieht. Wir wollen Ihren „Ungehorsam" gern als die erfreuliche Selbstverantwortung eines - im wortlichen Sinn - „gewissenhaften" Amtstragers ansehen.

Mit dieser hoffentlich erfreulichen Einsicht sei Ihnen fur Ihre sicherlich schwierige Amtsfuhrung Gottes Segen gewunscht!

Prof. Peter Paul Kaspar, Akademiker- und Kunstlerseelsorger der Diozese Linz

 

 

 

 

 




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