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Dem Papst Entgleiten Die Zugel

The Stern
April 13, 2012

http://www.stern.de/panorama/krise-im-vatikan-dem-papst-entgleiten-die-zuegel-1812576.html

Finstere Zeiten: Kaum sind die Skandale um Padophilie und Vertuschung der Missbrauchsdelikte verhallt, muss sich Papst Benedikt XVI. um seine interne Fuhrungsposition sorgen.

Sie sollen sehr vertraulich miteinander gesprochen haben: der "lider maximo", seit 50 Jahren unangefochtener kommunistischer Herrscher Kubas, und das Oberhaupt der katholischen Kirche. Fidel Castro habe sich nach den Aufgaben eines Papstes erkundigt, berichtete das "Wall Street Journal". Der alte bartige Mann habe seinen gleichaltrigen Gast auch gefragt, wie er es denn schaffe, in seinem Alter die Kirche zu fuhren. Was Joseph Ratzinger geantwortet hat, ist nicht kolportiert. Aber die Frage muss ihm einen Stich versetzt haben, denn daheim im Vatikan entgleiten dem Kirchenchef allmahlich die Zugel.

Das geht so weit, dass einige Kardinale der romischen Kurie mit der sakrosankten Verschwiegenheit offen gebrochen haben, nachdem im Januar die ungeheuerliche Nachricht eines Mordkomplotts gegen Benedikt XVI. ans Licht kam. In der vertraulichen Mitteilung, die der kolumbianische Kardinal Dario Castrillon Hoyos am 30. Dezember 2011 dem Staatssekretariat im Vatikan uberbrachte, hie? es, Ratzinger werde vor November 2012 ermordet. Hoyos berief sich auf Informationen, die der Kardinal aus Palermo, Paolo Romeo, ihm gesteckt habe. Romeo wiederum will von dem Komplott wahrend einer Reise nach China erfahren haben. Was den Sizilianer aber nach China trieb, liegt weitgehend im Dunkeln.

Die legendare Zuruckhaltung der Kardinale ist dahin

Die Intrige erschutterte derart die Gemuter, dass der jesuitische Vatikan-Sprecher, Pater Federico Lombardi, sich gezwungen sah, die "Existenz der Mitteilung zu bestatigen". Laut Romeo habe Seine Heiligkeit auch schon heimlich seinen Nachfolger in der Person des Kardinals Angelo Sodano bestimmt. Die Nachricht ist pikant, denn Ratzinger hatte im September Sodano befordert und den einstigen Patriarchen von Venedig zum Erzbischof von Mailand ernannt, der weltweit machtigsten Diozese mit 4,8 Millionen Glaubigen und Sprungbrett auf den Petristuhl in Rom. Ist die kunftige Kandidatur Sodanos nun vermasselt? Ein altes Sprichwort besagt: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus.

Eines ist sicher: Die legendare Zuruckhaltung der Kardinale ist nun dahin. Die Nachfolge Benedikts ist kein Tabu mehr. Kurz vor seinem 85. Geburtstag am 16. April sieht sich Ratzinger den wildesten Spekulationen um seinen Gesundheitszustand ausgesetzt. Hinter den Vatikanmauern wird getuschelt, er habe Krebs und wurde das Jahr nicht uberleben. Andere verweisen auf seine Herz-Kreislauf-Beschwerden, seine Angst vor Reisen, die ihn anstrengen und die er deshalb auf ein halbes Duzend im Jahr begrenzt hat. In Mexiko sah man den Papst zum ersten Mal auf einen Stock gestutzt aus dem Flugzeug steigen. Er musse Medikamente einnehmen, hei?t es, zur Vorbeugung von Thrombosen.

Benedikt halt das Zepter nicht mehr in der Hand

Fur Ratzinger hat ein "annus horibilis" begonnen. Kaum sind die Skandale um Padophilie und Vertuschung der Missbrauchsdelikte verhallt, muss sich das Kirchenoberhaupt um seine interne Fuhrungsposition sorgen. Da prangert der Generalsekretar der Vatikan-Verwaltung, Kardinal Carolo Maria Vigano, ganz unverhohlen mangelnde Transparenz bei der Kontenfuhrung und der Vergabe von Bauauftragen an und fordert, die Vatikan-Bank IOR musse die internationalen Standards einhalten, um auf die so genannte Wei?e Liste der sauberen Geldinstitute zu gelangen. Dabei ist die IOR-Bank seit Jahrzehnten ein Hort des eisernen Schweigens.

Dass Benedikt das Zepter nicht mehr in der Hand halt, wird auch an der ungebremsten Kritik an seinem Staatssekretar Tarciso Bertone deutlich. Bertone sei inkompetent auf internationalem Parkett, wird in der Kurie gemakelt. Er spreche keine Sprache au?er Italienisch und habe sich in einem kleinen Kreis Vertrauter abgezirkelt. Ratzinger gebietet weder der Kritik Einhalt noch hat er den Mut, sich von dem Getreuen zu losen. Er steht weiter unter dem Einfluss seines Staatssekretars. Bei der Ernennung 22 neuer Kardinale im Februar war darunter kein einziger aus Afrika und nur einer aus Sudamerika, dem Kontinent mit den meisten Katholiken. Der Chef der Weltkirche hat indes die Europaer begunstigt, darunter sieben Italiener, die Bertone nahe stehen. Ein derartiges Ungleichgewicht schafft Frustrationen und schurt Rivalitaten unter den zahlreichen italienischen Kirchenmannern.

Rom setzt sich uber die Kirche hinweg

Auch in den Beziehungen zur italienischen Regierung ist nichts wie fruher. Hatte der Heilige Stuhl bis vor Kurzem noch die politische Agenda diktiert: keine Abtreibungen, keine Homo-Ehe, keine Sterbehilfe und vor allem Kohle fur die katholischen Schulen und Steuergeschenke, setzt sich die neue Regierung Monti uber die Pralaten hinweg. Sie soll es nicht einmal fur notig gehalten haben, den Vatikan zu informieren, dass die Befreiung von der Grundsteuer fur den riesigen Immobilienbesitz der katholischen Kirche abgeschafft wird. Kardinal Angelo Bagnasco soll davon auf der Website des Finanzministeriums erfahren haben, schreibt das franzosische Wochenblatt "Paris Match". In anderen Zeiten ware ein Emissar des Papstes, so die Expertenmeinung, in aller Diskretion zum italienischen Finanzminister geeilt und hatte verhindert, dass dem Vatikan ein sattes Steuerprivileg von jahrlich 700 Millionen Euro auf einmal entzogen wird.

 

 

 

 

 




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