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Vatikan Will Nicht Mit Pfarrerinitiative Reden

Kurier
April 17, 2012

http://kurier.at/nachrichten/4492665-vatikan-will-nicht-mit-pfarrerinitiative-reden.php

"Kirchenrebell" Helmut Schuller

Benedikt Steinschulte zeigt keine Scheu vor Furstenthronen. Ein Satz des zweithochsten Mannes im Vatikan vor zwei Jahren emport ihn bis heute. „Schluss mit dem Geschwatz", kommentierte 2010 die rechte Hand des Papstes, Kardinal Angelo Sodano, die neue Enthullungswelle an Missbrauchsfallen in der Kirche. „Das ist Realitatsverweigerung, der Kardinal sollte bu?schweigen."

Steinschulte steht als PR-Fachmann seit 27 Jahren fur den Vatikan an der Medienfront. Wenn aber die Rede auf Helmut Schuller kommt, gefriert der lockere Plauderton. Im besten Fall ist das nur ein Sprachproblem: Der Aufruf zum „Ungehorsam", den 400 Pfarrer in Osterreich mittragen, konne auch als Aufruf zum „zivilen Ungehorsam" gelesen werden – der sei im deutschen Sprachraum mehrfach geadelt. Hier in Rom klingt das aber nach „offener Rebellion" – ein absolutes No-go. Erst heute sei in einer romischen Pfarre fur die Pfarrerinitiative gebetet worden, erzahlt er: Nicht fur deren Anliegen – von der Freigabe der Lebensform fur Kleriker bis zum Frauenpriestertum –, sondern fur die Bekehrung der aufsassigen Pfarrer.

Es ist Sonntagabend, als der intime Kurien-Kenner vor osterreichischen Journalisten uberraschend offenherzig uber das Innenleben des Vatikans plaudert. Der Grazer Bischof Egon Kapellari sucht alle paar Jahre Dan Browns Bestseller Lugen zu strafen und Medienleute mit dem wahren Innenleben des Vatikans vertraut zu machen. Bei den Meetings mit hochrangigen Kurienkardinalen streut er anfangs gerne ein: „Wir haben die Reise nicht wegen der aktuellen Ereignisse unternommen, wir haben sie deswegen auch nicht abgesagt."

Kryptisch

Egon Kapellari

Wovon da kryptisch die Rede ist, wei? rund um den Petersdom jeder – auch wenn hier die Regeln fur eine Milliarde Katholiken und deren 400.000 Priester auf der ganzen Welt ausgegeben werden. Kurienkardinal Kurt Koch, zustandig fur die Annaherungen an andere Kirchen, sieht in den eigenen Reihen null Bewegungsspielraum: Das Priesteramt samt Zolibat ist „der Garant der Einheit“. Und: „Man sucht Einheit, indem man neue Spaltungen sucht. Das kann nicht das Ziel sein.“ Mal mehr oder weniger herzlich, aber immer gleich hart – der steinerne Gast Schuller sto?t an den Mauern des Vatikans auf Granit.

Kann es daran liegen, dass die Romer ein Uberspringen des Funkens furchten, den ein paar Hundert Kleriker in Osterreich entzundet haben? Fakt ist, dass Pfarrer-Gruppen in Irland, Frankreich, der Slowakei, in Australien und in den USA bei Schuller & Co sympathisierend andocken wollen. Ein Auftrittsverbot im deutschen Hildesheim hat sie jungst bei den Nachbarn erstmals breit bekannt gemacht. Den Rest hat der Papst selber am Grundonnerstag erledigt, als er „eine Gruppe von Priestern in einem europaischen Land“ offentlich ins Gebet nahm: „Wir wollen den Autoren dieses Appells glauben, dass sie von Sorgsamkeit fur die Kirche bewogen sind.“ Aber: „Ist Ungehorsam ein Weg?“

Egon Kapellari ist die Frage „zu flach“, ob Joseph Ratzinger deutschen Bischofskollegen, die ob Ansteckungsgefahr besorgt sind, damit einen Gefallen tun wollte. Und lasst sich zu dem Satz hinrei?en: „Ich hatte es dem Papst nicht eingeredet.“

Schullers geschickte Schub-Umkehr der verschwommenen Papst-Schelte („Er stellt uns Fragen, die wir gerne direkt beantworten wollen“) gei?elt Kapellari wiederholt als „unredlich“. In der herrschenden Machtlogik des Vatikans geht Schullers Dialog-Angebot nicht einmal als frommer Wunsch durch. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi, ein enger Vertrauter des Papstes, formuliert das extradry so: „Es ist Sache der Bischofe vor Ort, diese Probleme zu losen. Das ist ihre normale Arbeit.“

Medienbischof Kapellari, 76, startete mit dem Ballast der aufsassigen Pfarrer die Vatikan-Tour – und kehrt heute Abend noch schwerer beladen heim. In seiner Abwesenheit sorgte ein Studienkollege, der Homosexuelle fur gefahrlich krank erklarte, fur weitere „Bad News“. Kapellari lie? offentlich beschwichtigen, er lehne „schreckliche Vereinfachungen strikt ab“. Gleichzeitig schrieb er dem steirischen Landpfarrer einen Brief, in dem er ihm fur den Wiederholungsfall kirchenrechtliche Konsequenzen androht.

Mittelweg

Als Oberhirte einer aus dem Tritt gekommenen Herde sucht er angestrengter denn je nach dem Mittelweg: Er gebe der Forderung nach sofortiger Abberufung des homophoben Pfarrers ebenso wenig nach, proklamiert er, wie der nach Abberufung jener Pfarrer, die im Vatikan gerade Phobien auslosen. Ob bald auch den ungehorsamen Klerikern im Wiederholungsfall der Rausschmiss droht, lasst er in Rom offen.

Helmut Schuller sitzt derweil nur ein paar Hundert Kilometer entfernt auf Malta und besichtigt mit Pfarrmitgliedern die Hinterlassenschaften der Kreuzritter. Eine Prognose, die ihm jungst aus dem Munde eines osterreichischen Strippenziehers in Rom zugetragen wurde, will er jetzt erst recht nicht wahr werden lassen: „Die Pfarrer-Initiative ist ein Fliegenschiss auf dem Kirchenfenster, der nicht einmal einen Schatten werfen wird.“

 

 

 

 

 




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