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Unter Dem Petersdom: " Wir Sind Gefährdet"

By Hans Rauscher
Der Standard
April 17, 2012

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Unter der großen Halle des Petersdoms in Rom befindet sich das Grab des Apostels Petrus, umgeben von den Grabstätten etlicher Päpste und einer Reihe von Kapellen. Eine solche unterirdische Kapelle wählte der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari, zugleich Medienbischof, um in einer Frühmesse in der Predigt vor Teilnehmern einer Informationsreise in den Vatikan, auch die Situation der österreichischen Kirche klar anzusprechen: "Wir sind gefährdet. Wir werden weniger und es besteht die Gefahr einer Implosion. Wir dürfen aber weder depressiv werden, noch aggressiv - im Sinne eines Rückzugs auf eine stolze, kleine Elite".

Diese Philosophie der "kleinen, aber feinen Herde" hat in der österreichischen Kirchenhierarchie ihre Anhänger, Kapellari gehört nicht dazu. Es ist aber eine gewisse Ratlosigkeit zu spüren, wie die Kirche die Erosion des Glaubens und innerkirchliche Rebellionen wie die "Pfarrerinitiative" Helmut Schüllers überstehen soll.

Die römischen offiziellen Gesprächspartner reagieren überwiegend routiniert: Es gibt lächelnde weltläufige Verharmlosung der Probleme, eloquentes Umdrehen kritischer Fragen. "Warum beschäftigen sich so viele Initiativen mit dem Innenraum der Kirche, sie sollten ihre Energien nach außen, in die Mission, stecken", sagt etwa Bischof Josef Clemens, einst Sekretär bei Kardinal Ratzinger in der Kongregation für Glaubensfragen, jetzt im Päpstlichen Rat für die Laien. Und es gibt diplomatisch formulierte Härte: Der Papst hat in seiner Gründonnerstagsrede auf die österreichische Pfarrerinitiative und ihren "Aufruf zur Ungehorsam" Bezug genommen und Schüller hat das als "Gesprächsangebot" von Benedikt XVI. interpretiert. "So etwas wird durch die Bischöfe des Landes behandelt", schiebt Pater Federico Lombardi, Leiter des Vatikanischen Presseamtes, das Thema weg. Schüller wird keinen Termin beim Papst bekommen.

Benedikt Steinschulte allerdings, Mitarbeiter im Päpstlichen Rat für die Sozialen Medien, redet nicht herum: "Die Probleme, die in diesem Pontifikat entstanden sind, liegen im Inneren der Kirche". In der Kirchenführung herrsche "Realitätsverlust. Sie begreifen nicht, wie so etwas in Österreich oder Europa entstehen kann".

Kapellari lässt im Gespräch allerdings keinen Zweifel, dass er den Aufruf zum Ungehorsam durch Schüller als "Ungeheuerlichkeit" empfindet. Er scheut sich nicht, von einer Gefahr der Kirchenspaltung zu sprechen - und hinter der offiziellen Gelassenheit römischer Gesprächspartner dürfte doch eine beträchtliche Verunsicherung über diese Priesterrebellionen (nicht nur in Österreich) herrschen. "Da ist man sich in Rom über die Sprengkraft dieser Vorgänge nicht im Klaren", sagt Steinschulte. Kapellari (und implizit auch Kardinal Schönborn) dürften diese Sprengkraft allerdings richtig einschätzen. Kapellari scheint zu wissen, dass man jetzt nicht mit Strafmaßnahmen kommen darf; allerdings muss er damit rechnen, dass Schüller nicht aufgibt.

Vor 50 Jahren fand das Zweite Vatikanische Konzil statt. Damit habe der ganze Unsinn mit "Reform" und "Öffnung" angefangen, meinen viele erzkonservative Katholiken. Aber auch ohne das Konzil hätte die Kirche heute große Schwierigkeiten, weiterzumachen wie bisher. Sie ist, nicht nur in Österreich, wirklich gefährdet. Über die geistige Kraft, die trotzdem noch da ist, demnächst. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 18.04.2012)




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