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Missbrauch: Vom Tater- Zum Opferschutz

Wiener Zeitung
April 17, 2012

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/panorama/chronik/451380_Missbrauch-Vom-Taeter-zum-Opferschutz.html

Wien. Eigentlich war es der Fall F. 2008 in Amstetten, der das Thema Kindesmissbrauch ins Rollen brachte. Spater wurde F., der seine Tochter 24 Jahre lang im Keller eingesperrt und missbraucht hatte, zu lebenslanger Haft verurteilt. Es blieb kein spektakularer Einzelfall. 2010 wurden Missbrauchsfalle im klerikalen Umfeld bekannt - 2011 erkannte man, dass auch in zahlreichen Landesheimen Misshandlung und sexueller Missbrauch zur Erziehungspraxis gehorten. Und das bis in die fruhen 90er Jahre. Dieses Konvolut an Meldungen durch Betroffene hat zu einer Sensibilisierung beim Thema Kindesmissbrauch gefuhrt. So wurde als Antwort auf die Vorfalle in der katholischen Kirche 2010 die Unabhangige Opferschutzkommission (UOK) unter dem Vorsitz Waltraud Klasnics eingerichtet, Landeskommissionen nach deren Vorbild folgten.

Laut Zwischenbericht, den Klasnic am Dienstag prasentierte, bekamen Opfer bisher acht Millionen Euro zuerkannt. Das Geld stammt von der von der Bischofskonferenz errichteten "Stiftung Opferschutz" und somit nach dem "Verursacherprinzip" von den betroffenen Diozesen. Es wird je nach Plausibilitat des Opfers ohne Prozess gezahlt. Prozessiert danach ein Opfer und bekommt eine hohere Summe zugesprochen, muss es den bereits erhaltenen Betrag zuruckzahlen.

Konkret sind es laut Klasnic 613 Falle, deren Opfer finanzielle Hilfe oder Therapien bekamen. 19 Falle wurden abgelehnt, der Rest weitergeleitet. Insgesamt gingen 1244 Meldungen ein - 1129 betrafen Gewalt oder Missbrauch durch Vertreter der katholischen Kirche. Zwei Drittel waren sexuell missbraucht worden, drei Viertel aller Opfer waren Manner. Bei den meisten begannen die Vorfalle im Alter von 10 bis 13 Jahren.

Diese Altersgruppe ist es auch, die laut Kinderschutzorganisation "Die Mowe" am meisten von schwerem sexuellem Missbrauch betroffen ist. Dass und inwieweit sich das Bewusstsein und die Einstellung der Osterreicher zum Thema Kindesmissbrauch verandert hat, prasentierte Prasidentin Martina Fasslabend ebenfalls am Dienstag. Laut einer aktuellen Studie, die in der gleichen Form vor drei Jahren durchgefuhrt worden war, wurden heute 17 Prozent bei Verdacht auf Kindesmissbrauch nichts unternehmen, 2009 waren es noch 27 Prozent. Neun von zehn Osterreichern wunschen sich hartere und strengere Strafen fur die Tater - aktuell liegt der Strafrahmen zwischen einem und zehn Jahren.

Ein Wandel vom Tater- zum Opferschutz scheint derzeit also intensiv vorangetrieben zu werden. Denn wahrend fruher die Resozialisierung der Tater im Vordergrund stand, sind es heute die Opfer, deren physischen und psychischen Langzeitschaden thematisiert werden. "Ja - der Wandel flammte bereits nach der gro?en Strafrechtsreform 1975 unter Christian Broda, Justizminister unter Bruno Kreisky, ein erstes Mal auf. Damals zeigte sich, dass die Tater-Resozialisierung nicht immer erfolgreich und vor allem teuer war", meint dazu Rechtsphilosoph Peter Koller zur "Wiener Zeitung". Aktuell habe die Zahl der Anschuldigungen eine Lawine ins Rollen gebracht - die Betroffenen suchten nun nach einer neuen Form der Bewaltigung.

Fokus auf Pravention

Der heutige Wandel passiere hauptsachlich in der Gesellschaft und weniger vor Gericht. "Freilich haben die Opfer zivilrechtliche Anspruche, bei den Tatern ist aber wenig zu holen, weil die meisten finanziell nicht in der Lage sind, zu bezahlen", so Koller. Liegt eine Vergewaltigung 30Jahre zuruck, sei es auch schwierig, Beweise gegen den Tater vorzubringen - falls dieser noch lebt.

Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, setzen die UOK und "Die Mowe" nun auf Pravention: Die Kommission fordert ein "wachsameres Auge" bei der Priesterauswahl, "Die Mowe" will das Thema Missbrauch in der Padagogenausbildung verankern. Leiterin Hedwig Wolfl: "Weil die Zahl jener, die bei Verdacht nichts unternehmen, noch immer zu hoch ist."

 

 

 

 

 




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