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"Sie Wurden Leute Am Scheiterhaufen Verbrennen"

By Stefan Hayden
der Standard
April 19, 2012

http://derstandard.at/1334530934602/Krisenzeit-in-der-Kirche-Sie-wuerden-Leute-am-Scheiterhaufen-verbrennen

Pastoraltheologe Paul Zulehner sieht nicht einen "Konflikt Schuller gegenuber Schonborn, sondern Schonborn gegenuber dem Papst".

David Berger hat fur sich die Konsequenzen gezogen und ist aus der "Kirchensteuergemeinschaft" ausgetreten.

Die Theologen Paul Zulehner und David Berger uber Sexualmoral und den rechten Rand der Kirche

Die Entscheidung von Kardinal Christoph Schonborn, die Wahl eines homosexuellen Gemeinderats in Niederosterreich zu bestatigen, hat zu einer neuen Debatte uber die Sexualmoral der romisch-katholischen Kirche gefuhrt. Wahrend die offizielle Kirche sich zu keinem klaren fortschrittlichen Standpunkt in der Frage der Homosexualitat durchringen kann, wird auf Fundamentalisten-Treffpunkten wie kreuz.net selbst die Einzelentscheidung Schonborns diffamiert.

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Die Pfarrerinitiative um Helmut Schuller sto?t wahrenddessen mit ihren Forderungen, dass Frauen Priester werden durfen und Priester heiraten durfen, in Rom weiterhin auf taube Ohren. derStandard.at hat deshalb zwei Theologen zum aktuellen Zustand der Kirche befragt. Paul Zulehner und David Berger sprechen uber die Verflechtungen des Vatikans mit kreuz.net, die Dominanz Ultrakonservativer und uber Homosexualitat in der Kirche. Die beiden wurden getrennt voneinander befragt.

derStandard.at: Haben sich die Gruppen, die Plattformen wie kreuz.net nutzen, in den letzten Jahren noch weiter radikalisiert?

Berger: Ja, das ist meine feste Uberzeugung. Ich beobachte diese Szene seit gut zehn Jahren, auch aus der Innensicht. Bei kath.net habe ich am Anfang mitgearbeitet und am eigenen Leib die Radikalisierung dieser Gruppen miterlebt. Das kam nicht zuletzt durch eine Ruckkoppelung: Sie haben von Rom spatestens seit 2005 immer wieder das Signal bekommen, das ist uns recht, was ihr macht. Gerade kath.net hat mehrmals von Benedikt eine ausdruckliche Belobigung bekommen. Und ich habe es in Rom immer wieder erlebt, dass man die Arbeit von kreuz.net sehr gern gesehen hat.

Ein deutscher Bischof hat mir vor einigen Monaten gesagt: "Das Problem ist, wenn wir heute auf kreuz.net kritisiert werden, dass wir morgen einen Anruf aus dem Staatssekretariat des Vatikans bekommen und gefragt werden, was macht ihr denn da?" Ich schatze, jetzt setzt man wieder auf diese Karte. Wir machen so lange Stunk ubers Internet, bis etwas von Rom kommt.

derStandard.at: Glauben Sie, wird das Schonborn im aktuellen Fall auch passieren?

Berger: Ich befurchte, dass er Order bekommt, es bei dem Einzelfall zu belassen. Das wird man so nicht stehen lassen, weil eben diese konservativen, reaktionaren Kreise Stimmung gemacht haben. Es wird auch nicht lange dauern, bis das wieder bekannt wird. Bis kreuz.net die Information hat, dass Schonborn von Rom zuruckgepfiffen worden ist. Denn das ist ja auch bekannt, dass diese Internetseiten an Informationen kommen, die eigentlich intern sind.

derstandard.at: Da sie selbst mitgearbeitet haben, welche Leute stecken hinter diesen Portalen?

Berger: Von kreuz.net habe ich mich von Anfang an klar distanziert, da habe ich nie mitgearbeitet. Das hat sich dann auch entsprechend tragisch entwickelt. Nicht nur Homophobie, sondern auch Antisemitismus und anderer Blodsinn feiert da frohliche Urstand. Das eigentlich Schockierende ist aber, dass kath.net auch aus Kirchensteuergeldern und mit Geldern des kirchlichen Hilfswerks "Kirche in Not" finanziert wird.

derStandard.at: Herr Zulehner, wie charakterisieren Sie die Leute, die hinter kreuz.net und kath.net stehen?

Zulehner: Wir gehen mit Sicherheit davon aus, dass diese Gruppen politisch und kirchlich am rechten Flugel stehen. Nach allen Untersuchungen sind diese Personen mit dem Personlichkeitsmerkmal Autoritarismus hoch ausgestattet. Sie setzen auf eine sehr rigide Moral. Nach au?en zeigt es sich durch verbale Gewalttatigkeit. Wenn sie konnten, wurden sie die Leute am Scheiterhaufen verbrennen.

Die Scheiterhaufen werden jetzt aber medial errichtet, und zwar durch eine hochaggressive Sprache. Sie sind vollig intolerant: antisemitisch, antimuslimisch und fremdenfeindlich. Wir meinen, dass eine innere Unsicherheit dieser Personen durch massive Abgrenzung nach au?en verdeckt wird. Also zum Beispiel die Angst, dass die Moral kollabiert. Sie wollen nicht, dass den Menschen die Verantwortung zugetraut wird, frei uber ihr Leben zu entscheiden. Sie haben ein mit Freiheit nicht kompatibles Verstandnis von Gehorsam. Das ist aber uberhaupt nicht das Verstandnis des Gehorsams, den Priester geloben.

derStandard.at: Landen solche Leute besonders oft bei der Kirche?

Zulehner: Die sind uberall, die sind ja manchmal auch zugleich in der FPO und zugleich bei kath.net. Es gibt keinen inneren kirchlichen Grund, sondern diese Leute nehmen sich aus der Religion das, was ihnen entspricht. Und das sind Moral und Ordnung.

derstandard.at: Wen wurden Sie in Osterreich als die ma?gebenden konservativen Krafte innerhalb der Kirche ausmachen?

Zulehner: Doch kath.net und kreuz.net. Fruher war das auch ein Teil im ganz rechten Flugel der OVP, aber der hat sich mehr oder minder aufgelost. Aber der alte Adel ist relativ stark. Es gibt naturlich Leute in der Kirche, die urkonservativ sind. Das gibt es in allen Religionen. Aber ich glaube, es ist kein Sondergut der Religionen.

derstandard.at: Diese Leute werden aber doch von Rom in ihrer Haltung bestatigt?

Zulehner: Die kriegen durchaus ein gunstiges Klima. Fur die, die Pluralitat wunschen, die auf Gewissen und Freiheit setzen, wird es zunehmend eng in der Kirche. Man muss naturlich schon sagen, dass Kardinal Schonborn in der Frage der Homosexualitat eben nicht diese Spur verfolgt. Ich glaube, dass er bei sehr vielen Menschen Hoffnung geweckt hat, dass es mit gewissenhafter Verantwortung und Freiheit in der Kirche doch noch nicht zu Ende ist.

Berger: Wenn man sich anschaut wie einflussreich solche Gruppen unter Papst Benedikt geworden sind, die Pius-Bruderschaft, kreuz.net, kath.net, aber auch die ganz vielen anderen kleinen, die im Hintergrund agieren, dann merkt man, die sind unheimlich im Aufwind. Gerade die jungeren Geistlichen sind zu 80 Prozent auf der konservativen Schiene.

Zu sagen, wir warten, die alten Konservativen sterben weg, ist volliger Blodsinn. Denn haufig sind die Kleriker, die noch die vorkonziliare Zeit miterlebt haben und gesehen haben, dass die alte Messe eben nicht das Heilmittel aller Probleme der Welt war, progressiver als die Jungspunde, die in einer vollig sakularen Welt aufgewachsen sind. Und die jetzt in der klerikalen Marchenwelt ein Gegenstuck suchen.

derStandard.at: Welche Erkenntnisse haben Sie durch die Pfarrerstudie uber die Haltung innerhalb der Pfarrerschaft gewonnen?

Zulehner: Die Pfarrer sind mehrheitlich freiheitsorientiert. Es ist ja auch interessant, dass 72 Prozent im Klerus die Pfarrer-Initiative unterstutzen. Wir haben vor allem unter den immer weniger werdenden jungeren Priestern eine Zahl, wie auch in der Gesamtgesellschaft, die die lastige Last der Freiheit wieder loswerden will.

derStandard.at: Das hei?t, diese Gruppe findet man jetzt ganz verstarkt in den Priesterseminaren?

Zulehner: Ja, uberdurchschnittlich im Vergleich zu fruheren Generationen von Priesteramtskandidaten. Weil diejenigen, die liberaler sind, wegbleiben.

derStandard.at: Erreicht die Kirche also heute nur mehr rechte Nachwuchskrafte?

Zulehner: Man erreicht die Leute, die mit einem unterwerfungsbereiten, unfreien Begriff von Gehorsam wenig Probleme haben. Ich glaube, dass es ist nicht nur die Schwache der Gro?parteien OVP und SPO ist, dass FPO und BZO im Grunde genommen immer starker werden, sondern das liegt auch an einer kulturellen Entwicklung. Die hohen Zeiten der 68er sind vorbei. Zwischen 1970 und 1995 haben wir einen standigen Ruckgang des Autoritarismus in der Bevolkerung festgestellt, seitdem nehmen die Daten wieder zu.

derstandard.at: Herr Berger, wer geht heute noch ins Priesterseminar?

Berger: Ich sage immer ein bisschen spa?haft, die sind zu 80 Prozent sehr konservativ und zu 70 Prozent sind sie homophil/homophob. Das ist so das Spektrum, das heute ins Priesterseminar geht. Wenn dann irgendwelche Skandale auffliegen, wie 2004 in St. Polten, dann merkt man, dass da durchaus was dran ist. St. Polten ist geradezu ein Schlusselerlebnis, um zu sehen, wie paart sich extremer Konservativismus - denn das waren Regens Kuchl, Subregens Rothe und sicher auch Krenn - mit extremer Homophilie in all ihren Schattierungen.

derStandard.at: Gibt es Priester, die ihre Homosexualitat offen ausleben?

Zulehner: Also wir haben dazu eigentlich keine Detailstudien, wir haben nur flachendeckende, anonyme Studien. Wir meinen, wenn es uberhaupt Beziehungen im Klerus gibt, dann eher homosexuelle denn heterosexuelle. Da scheint es einen leichten Uberhang zu geben. Aber sonst sind wir nicht in der Lage, serios Zahlen zu nennen, wer wirklich in einer akuten Beziehung lebt.

Berger: Wir haben eben keine absolut belastbaren soziologischen Studien dazu. Zwei Studien aus den 90er Jahren aus Nordamerika und eine aus den Niederlanden kommen zu dem Ergebnis, dass in den USA und hier in Westeuropa die Zahl der Homosexuellen unter den Geistlichen etwa zwischen 40 und 60 Prozent liegt. Was man sagen kann, ist, dass die Anzahl homosexueller Kleriker in der katholischen Kirche weit uber dem Durchschnitt in der Normalbevolkerung liegt. Wie weit, das halte ich dann fur mu?ig, daruber nachzudenken.

derstandard.at: Hat sich der Umgang der Kirche mit Homosexualitat gewandelt?

Berger: Solange die Homosexualitat illegal war, vom Staat tabuisiert worden ist, war die einzige Moglichkeit fur einen homosexuellen Mann, wenn er nicht heiraten wollte und auch nicht als irgendein verschraubter Onkel auf dem Land zum Gespott der Gesellschaft werden wollte, katholischer Priester zu werden. Die Kirche war geradezu ein Schutzraum fur diese Leute. Mit der modernen Schwulenbewegung kommt eine Alternative. Ich muss, wenn ich entdecke, dass ich schwul bin, nicht mehr unbedingt ins Kloster gehen.

Das taucht jetzt als Konkurrenz auf, und da reagiert die Kirche geradezu allergisch. Eine Person steht von Anfang an im Mittelpunkt der allergischen Reaktion: Josef Ratzinger. Und als er Papst wird, vermehrt sich das noch. Ich habe fur mein neues Buch auch in den "Acta Apostolicae Sedis" recherchiert. Die gesamten letzten Jahre kommt er immer wieder auf dieses Thema zu sprechen. In der Geschichte kenne ich keinen Papst, der so homophob agiert hat wie Benedikt XVI. Und dadurch ermutigt er naturlich diese konservativen Gruppen noch, eins draufzusetzen.

derStandard.at: Was erwarten Sie von der Pfarrerinitiative?

Berger: Ich hoffe, dass das ein Gegengewicht sein konnte. Denn es passiert endlich einmal was. Und wenn man sich die inhaltlichen Punkte anschaut, sind die uberlebenswichtig fur die katholische Kirche, wenn sie nicht zur fundamentalistischen Gro?sekte werden soll. Das muss man ja den osterreichischen Bischofen zugestehen, besonders Schonborn, dass sie versuchen, diesen komplizierten Weg zwischen den Reaktionaren und den Liberalen zu gehen. Aber dass von Rom dann gleich mit disziplinarischen Ma?nahmen gedroht wird, ist im Grunde eine Bankrotterklarung. Und ich befurchte, dass sie sich am Ende durchsetzen werden.

derstandard.at: Kann es sich Rom uberhaupt noch leisten, mit harten Ma?nahmen vorzugehen?

Berger: Denken Sie an die Rede, die Papst Benedikt in Freiburg gehalten hat, wo er von der Entweltlichung der Kirche gesprochen hat. Das hei?t, sie wollen lieber eine kleine, elitare Gruppe, die hundert Prozent hinter dem Papst steht, als eine Volkskirche. Das ist im Grunde das Programm Benedikts. Das findet sich schon sehr fruh in seinen Schriften, wir mussen uns gesundschrumpfen, das ist sein Lieblingswort in diesen Schriften. Das hei?t, weg mit den liberalen Elementen. Und das ist ja genau der Ton, den kreuz.net und kath.net anschlagen: Werdet doch evangelisch, wir brauchen euch nicht.

derStandard.at: Herr Zulehner, was ist Ihre Einschatzung, wie geht es mit der Pfarrerinitiative weiter?

Zulehner: Die Pfarrerinitiative lebt ja nicht von dem, was die Pfarrer gerne hatten, sondern letztlich von dem, was in vielen Kirchengemeinden faktisch gelebt wird, wie Sakramentenempfang fur wiederverheiratete Geschiedene, dass Laien predigen und solche Fragen. So muss man eigentlich die Frage stellen, ob es gelingen wird, das, was kirchenamtlich gesagt wird, und das, was faktisch getan wird in den Gemeinden, deckungsgleich zu machen oder einander naher zu bringen. Ich glaube, das Problem haben weniger die Pfarrer, sondern die Bischofe. Weil offensichtlich die Pfarrer mit ihrer Initiative signalisieren, die Reformen laufen, mit oder ohne Bischofe. Und es ware fatal, wurden die Reformen ohne die Bischofe laufen.

derStandard.at: Und Sie glauben, das wird in Osterreich passieren?

Zulehner: Etwa bei der Frage Ehescheidung und Wiederverheiratete ist das nicht ein Konflikt Schuller gegenuber Schonborn, sondern Schonborn gegenuber dem Papst. (Stefan Hayden, derStandard.at, 18.4.2012)

Paul M. Zulehner (72) ist Pastoraltheologe und war bis 2007 Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultat der Universitat Wien. Er gilt als einer der besten Kenner der Kirche. Seine zahlreichen Studien beschaftigten sich neben der Werteforschung vor allem mit dem Kirchenpersonal. Im Februar ist Zulehners jungste Untersuchung zur osterreichischen Pfarrerschaft erschienen: "Aufruf zum Ungehorsam - Taten, nicht Worte reformieren die Kirche".

David Berger (44) ist Theologe und wurde 2003 in Rom zum korrespondierenden Professor der Papstlichen Akademie des heiligen Thomas von Aquin ernannt und war Herausgeber von "Theologisches", der fuhrenden Zeitschrift konservativer Katholiken. Von 1998 bis 2001 war er Dozent an der Kongregation der Diener Jesu und Mariens in der Diozese St. Polten. Aus Protest legte er Anfang 2010 seine Herausgeberschaft nieder und veroffentlichte im selben Jahr sein Buch "Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche". Heute unterrichtet er Deutsch an einem Gymnasium, die Erlaubnis zum Religionsunterricht wurde ihm im Vorjahr vom Kolner Erzbischof entzogen.

 

 

 

 

 




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