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Diozese Rottenburg Weist Vorwurfe Zuruck

Neckar-Chronic
April 20, 2012

http://www.neckar-chronik.de/Home/nachrichten/ueberregional/baden-wuerttemberg_artikel,-Dioezese-Rottenburg-weist-Vorwuerfe-zurueck-_arid,170707.html

Gegen ein ehemaliges katholisches Kinderheim in Oberschwaben gibt es schwere Missbrauchsvorwurfe. Historiker und Sachverstandige haben umfangreiche Akten uberpruft - und zeichnen ein anderes Bild.

"Lasset die Kinder zu mir kommen" steht uber dem Eingang zum verfallenden Schloss Hurbel. Von 1908 an war hier ein Heim fur Sauglinge und Kleinkinder. 1980 haben die Franziskanerinnen das Heim geschlossen. Foto: Alfred Wiedemann

Biberach Die Mutter nicht da, der Vater nicht da, im Heim St. Josef Ordensschwestern als Ersatz. Immer wieder Schlage, Drill und Strafen wie Einsperren in einen Schrank - und die Gedanken an einen Friedhof mit wei?en Grabkreuzen neben dem alten Schloss in Hurbel (Kreis Biberach). "Da hatte ich irgendwann Angst, selber drauf zu landen", sagt E. heute. Der 49-Jahrige kam als Baby in das katholische Sauglingsheim im Oberschwabischen. Das Jugendamt hatte den Eltern das Baby weggenommen.

Spater kam E. in ein Heim fur Jugendliche, 16 Jahre war er insgesamt Heimkind. Bis heute tragt er diese Zeit als schwere Last. Vor einem Jahr gingen zwei Leidensgenossen, die auch in Hurbel im Heim waren, zusammen mit E. an die Offentlichkeit. Mit ihren Kindheitserinnerungen. Erinnerungen an das ratselhafte Graberfeld, das schon lange eingeebnet wurde. Wurden da verhungerte und misshandelte Kinder aus dem Heim anonym verscharrt? Erinnerungen an Tabletten, die die Schwestern den Kindern gegeben haben. Psychopillen, die Schaden anrichten? Erinnerungen an Schlage statt Zuwendung. Essensentzug, Misshandlung mit System?

Die Vorwurfe gegen die Franziskanerinnen von Bonlanden, Trager des Kinderheims, sind schwerwiegend. Fur das Bistum und die Kommission sexueller Missbrauch der Diozese Rottenburg-Stuttgart waren sie "so alarmierend, dass eine sorgfaltige Untersuchung selbstverstandlich war", sagte Markus Grubel, Esslinger CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Kommission. Diozesanhistoriker Stephan Janker wurde mit Recherchen beauftragt.

Gestern wurden die Ergebnisse in Biberach vorgelegt. 4200 Kinder lebten in den 72 Jahren von 1908 bis 1980 in St. Josef, sie seien "luckenlos und mehrfach" erfasst, auch jeder der Todesfalle sei "mit Namen und Todesumstanden dokumentiert", sagte Grubel. Eine hohe Kindersterblichkeit gab es in der Zeit zwischen 1908 und 1924. Masern, Keuchhusten, Spanische Grippe - 260 Sauglinge starben in dieser Zeit. Die Kindersterblichkeit war damals auch au?erhalb des Heims hoch. Der Kinderfriedhof fur das Heim wurde 1917 eingeweiht, 1955 war die letzte Bestattung. 1964 wurde das Graberfeld geraumt. Fur alle 101 beigesetzten Kinder seien Namen und Todesursache dokumentiert, ergaben die Untersuchungen.

Medikamentenmissbrauch lasst sich nach Angaben des Kommissionsvorsitzenden nicht belegen. Arztbriefe zeigten, dass Psychopharmaka nur von Facharzten verordnet worden seien. Nach den heutigen Erkenntnissen seien die Dosierungen uberholt, sie entsprachen damals aber medizinischem Standard, auch in der Kindermedizin. "Daraus den Vorwurf eines missbrauchlichen Verhaltens der Hurbeler Schwestern abzuleiten, wird weder den Fakten noch den Schwestern gerecht", sagt Grubel.

Fur Missbrauch gebe es in Hurbel nach sorgfaltiger Recherche keine Anhaltspunkte. Es sei schwer, personliche Erinnerung und Erfahrungen zu bewerten, sagte Grubel zu dem Vorwurf unangemessen harter Erziehungsmethoden. Dass in der Heimerziehung bis Anfang der 1970er Jahren aber oft vollig inakzeptable Zustande geherrscht hatten, bestreite niemand. In Hurbel, so die Nachforschungen, konzentrierten sich die schlimmen Erinnerungen auf eine Schwester, die auch unter den Mitschwestern als "sehr streng" gegolten habe. Einige ehemalige Heimkinder lie?en aber auf diese Schwester nichts kommen, wieder andere hatten die Schilderungen in den Medien uber St. Josef als "ma?los ubertrieben" bezeichnet, sagte Grubel. Das vorliegende Material rechtfertige es "in keiner Weise, dieses Heim als katholisches Konzentrationslager" zu bezeichnen, wie es geschehen sei.

Die drei ehemaligen Heimkinder, die auch zur Pressekonferenz kamen, halten ihre Vorwurfe nicht fur entkraftet. Sie sprachen von Menschenrechtsverletzungen in dem Heim. Bis heute leiden sie darunter, dass sie ins Heim gesteckt, wie sie dort behandelt wurden. So sehr, dass nur zwei der drei die Entschadigungszahlung der Kirche angenommen haben. Ihnen bleiben ihre Kindheitserinnerungen, die belasten und bedrucken. Daran wird alles Aktenstudium nichts andern.

 

 

 

 

 




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