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Priesterrat: "Missbrauchsfalle Rasch Klaren"

inFranken
April 30, 2012

http://www.infranken.de/nachrichten/lokales/Glaube-kirchen-Bamberg-Missbrauch-Priester-Priesterrat-Missbrauchsfaelle-rasch-klaeren;art178,72090

Dr. Michael Hofmann Foto: Ronald Rinklef

Dass katholische Geistliche mit Blick auf die Missbrauchsskandale oft per Generalverdacht an den Pranger gestellt werden, missfallt dem Sprecher des Priesterrats der Erzdiozese Bamberg, Michael Hofmann. Im Gesprach mit unserer Zeitung weist der Nurnberger Theologe allerdings auch darauf hin, dass angesichts der Vielzahl der Missbrauchsfalle die katholische Kirche in Deutschland ihre Hausaufgaben erst noch machen muss. Die bekannt gewordenen Falle mussten schnell aufgearbeitet werden - im Interesse der Opfer und um verloren gegangenes Vertrauen zuruckzugewinnen. Da sich die Opfer aus verstandlichen Grunden oft erst sehr spat den schlimmen Erfahrungen ihrer Vergangenheit stellen konnen, pladiert Hofmann fur eine Verlangerung der Verjahrungsfristen.

Hatten Sie sich je vorstellen konnen, dass die Missbrauchsfalle in der katholischen Kirche ein solches Ausma? haben?

Hofmann: Nein. Mir liegt aber daran klarzustellen, dass das Thema Missbrauch ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und nicht ein spezifisches der katholischen Kirche. Missbrauch kommt in unserer Gesellschaft leider uberall vor, in Familien, in Vereinen, in staatlichen Heimen. In der Offentlichkeit wird das meiner Meinung nach oft recht einseitig dargestellt.

Geht die Kirche Ihrer Meinung nach mit den Missbrauchsfallen richtig um?

In der Vergangenheit hat sie das nicht getan. Das blo?e Versetzen eines Taters lost ja das Problem nicht. Heute reagiert die Kirche energischer, wenn Missbrauchsfalle bekannt werden.

Was passiert mit den Tatern?

Hierfur sind in erster Linie die weltlichen Gerichte zustandig. Unabhangig davon besteht die Kirche auf einem eigenen kirchlichen Verfahren, das in schweren Fallen bis zur Amtsenthebung fuhren kann und das keine Verjahrungsfristen kennt.

Stichwort Verjahrung: Sollten Ihrer Meinung nach die Verjahrungsfristen fur Missbrauchsfalle verlangert werden?

Das ware sicher sinnvoll, weil viele Opfer oft erst nach vielen Jahren fahig sind uber ihre erschutternden Erlebnisse zu sprechen.

In Bamberg sorgte der Fall Munkemer fur Schlagzeilen. Wahrend Ihrer Zeit als Regens des Priesterseminars war Otto Munkemer Direktor des Ottonianums. Sie arbeiteten unter einem Dach. Bekamen Sie da etwas von Munkemers Machenschaften mit?

Davon habe ich uberhaupt nichts mitbekommen.

In Seminaristenkreisen kursierten aber zu jener Zeit immer wieder Berichte uber Munkemers abnormes Verhalten gegenuber jungen Heimbewohnern.

Zu meinen Ohren sind solche Vorwurfe nie gedrungen. Ich kann es mir auch heute noch nicht vorstellen.

Warum braucht es so lange, bis die Bamberger Kirche den Fall Munkemer aufgearbeitet hat?

Das wei? ich nicht. Ich gehe aber davon aus, dass die Vorwurfe gegenuber Munkemer zunachst sehr sorgfaltig gepruft werden mussten. Er war schlie?lich als Mitarbeiter in der Bistumsleitung nicht Irgendwer. Als sich die Verdachtsmomente erharteten, wurde reagiert. Ich bin allerdings Ihrer Meinung, dass derlei Verdachtsfalle moglichst rasch aufgeklart und abgeschlossen werden sollten, weil wir nur so das Vertrauen der Offentlichkeit zuruckgewinnen konnen.

Hat Ihrer Meinung nach die gro?e Zahl der Missbrauchsfalle in der katholischen Kirche etwas mit dem Zolibat zu tun?

Meiner Meinung nach nicht. Denn der uberwiegende Teil der Missbrauchsfalle geschieht im Raum von Familie, Nachbarschaft und Freundeskreis. Und der uberwiegende Teil der Tater hat eine funktionierende Erwachsenenbeziehung.

Ist es aber nicht so, dass der Zolibat Leute mit einer padophilen Veranlagung geradezu anzieht?

Das ist sicher eine berechtigte Frage, aber es gibt dazu noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Dass jemand sich zum Zolibat hingezogen fuhlt, ist keine Garantie dafur, dass die Verantwortlichen ihn auch zur Weihe zulassen.

Es gibt Stimmen, die fordern vom Papst eine Stellungnahme zu dem Skandal in Deutschland.

Niemand hat so eindeutig den Missbrauch verurteilt wie Benedikt XVI. Er tat das in den USA und in seinem Brief an die irischen Katholiken. Im ubrigen: von einer zu starken Romfixierung halte ich nichts. Zunachst einmal muss die deutsche Kirche ihre Hausaufgaben machen. Sie ist gefordert, nach Jesu Wort zu handeln: "Die Wahrheit wird euch befreien." (Joh. 8,32)

Hat der Skandal Auswirkungen auf den priesterlichen Dienst?

Aber sicher. Bei vielen meiner Kollegen ist die Unbefangenheit im Umgang verloren gegangen. Fruher sprach man vom "Priester zum Anfassen" und meinte damit den volksnahen, kontaktfreudigen Priester. Nach dem Missbrauchsskandal stellt sich die Frage, wie sich Priester, aber auch Erzieher oder Lehrer kunftig verhalten sollen? In welcher Form durfen sie Nahe und Zuwendung und Trost schenken? Nur durch Worte? Oder auch durch Gesten? Bedeutet da jede Beruhrung gleich ein Begrapschen? Jedenfalls ist es eine wichtige Aufgabe fur die nachste Zeit, das Verhaltnis von Zuwendung und Distanz neu zu definieren.

Zur Person

Michael Hofmann ist geburtiger Bamberger (1937) und wurde 1965 zum Priester geweiht. 12 Jahre war er Regens im Priesterseminar (bis 1989). Seit 1982 ist er Moderator des Priesterrats. Von 1989 bis 2007 war er Pfarrer in Nurnberg. 2008 wurde er zum papstlichen Ehrenpralat ernannt.

 

 

 

 

 




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