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"Wo Ist Euer Kinderschutz?"

Stern
May 2, 2012

http://www.stern.de/panorama/stephanie-zu-guttenberg-im-interview-wo-ist-euer-kinderschutz-1821271.html

Stephanie zu Guttenberg, 35, hat zwei Tochter und ist mit dem fruheren Bundeswirtschafts- und Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg verheiratet. Seit dessen Rucktritt im Jahr 2011 lebt das Paar in den USA. Sie ist seit 2009 Prasidentin des Vereins "Innocence in Danger", der fur den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch, speziell im Internet, eintritt.

Frau zu Guttenberg, in Deutschland wurde in den vergangenen Wochen viel uber den Sexualmord an einer Elfjahrigen aus Emden diskutiert. Ihre Kinder sind im gleichen Alter wie dieses Madchen. Reden Sie mit Ihnen daruber?

Ich habe hier in den USA von diesem Fall nur wenig mitbekommen. Aber wenn hier in den Staaten ahnliche Sachen geschehen und meine Kinder das uber die Nachrichten horen, muss man mit ihnen daruber reden. Praventive Erziehung ist ganz wichtig. Man muss Kindern ein Rustzeug an die Hand geben, damit sie sich wehren konnen und wissen, wo ihre Rechte sind.

Wie meinen Sie das konkret?

Wir mussen unseren Kindern bestandig beibringen, dass sie nein sagen konnen wenn es um sie geht, vor allem um den eigenen Korper. Man muss gebetsmuhlenartig wiederholen, dass niemand sie zum Austausch von Zartlichkeiten zwingen darf. Das fangt schon ganz harmlos dort an, wenn der alte Onkel dem Kind zum Abschied einen Kuss geben will, das Kind ihn aber nicht mag oder findet, dass er ubel riecht.

Im Fall Emden war es ja kein Verwandter, sondern ein junger Mann, der sich selber mit seinen padophilen Neigungen Monate vorher angezeigt hatte. Was kann man Ihrer Ansicht nach aus dem Fall lernen?

Ich glaube leider, es ist ein Beispiel dafur, dass es trotz vieler Anstrengungen immer noch gro?e Ausbildungs- und Wissenslucken bei den Strafverfolgungsbehorden gibt, wenn es um sexuellen Missbrauch von Kindern und Kinderpornographie geht. Ich habe fast das Gefuhl, dass da manchmal noch gesagt wird: Ach, lasst dem doch seine Bilder. Aber dabei handelt es sich ja bei jedem Foto um einen realen Fall von sexuellem Missbrauch. Und Leute die sich damit auskennen, wissen, dass der Konsum von Kinderpornografie auch zu konkretem eigenen missbrauchen eines Kindes fuhren kann.

Und Sie meinen, dass manche Polizisten dies nicht wissen?

Ich meine, dass der Schulung zum Thema sexueller Missbrauch in der Ausbildung zu wenig Gewicht beigemessen wird und dadurch nicht verstanden wird, was Missbrauch fur die Opfer bedeutet. Das gilt fur Polizisten genauso wie fur Staatsanwalte, Richter, Gutachter und Anwalte. Ich unterstelle niemanden Boswilligkeit, aber Fakt ist, dass manche Urteile lacherlich mild sind.

Sie unterstellen manchen Richtern mangelndes Einfuhlungsvermogen in die Opfer.

Oft genug werden die Opfer von sexuellem Missbrauch von unserem Rechtssystem im Stich gelassen und der gesetzliche Rahmen von den Richtern nicht genugend ausgeschopft.

Sie leben seit einigen Monaten mit Ihrer Familie in den USA. Welche Unterschiede erkennen Sie beim Umgang mit dem Thema sexueller Missbrauch von Kindern im Vergleich zu Deutschland?

Das Thema wird viel offensiver angegangenen als bei uns. Ich habe das Gefuhl, dass es mehr Organisationen gibt, die ziemlich laut sind und sich um Aufklarung bemuhen. In den USA gibt es zudem die besten Aufklarungsseiten fur Kinder im Internet. Die sind altersgema? und ansprechend gemacht. Auch sind sie an den Schulen weiter was Computer und Umgang mit dem Internet angeht.

Was meinen Sie damit konkret?

Ich meine vor allem das Thema: Wie verwende ich das Internet richtig und was kann alles passieren. Es geht darum, die Schuler wirklich heranzufuhren an das Netz. Auch mit den negativen Aspekten und dem Aufklarungshinweis: Es gibt Menschen, die dich dort kontaktieren, von denen du das nicht willst. Ich finde wir mussen sicherstellen, dass jedes Kind altersentsprechend immer wieder sowohl zum Thema "sicher surfen im Internet" als auch "sexuelle Gewalt" aufgeklart werden muss. Dazu gehort dann naturlich auch die Schnittmenge wenn man so will, namlich sexualisierte Gewalt mittels digitaler Medien. Digitale Medien mussten ein eigenes Unterrichtsfach in der Schule sein und zwar schon bei den Kleinsten.

Sie haben Ihre eigenen Kinder angesprochen. Welche Regeln gelten fur die im Internet?

Grundsatzlich sollte es bei jungen Internetnutzern keinen eigenen, internetfahigen Computer im Kinderzimmer geben sowie klare Regeln mit Anwendungszeiten und altersgema?er Aufklarung uber Gefahren. Man muss die Kinder an die Hand nehmen und sich dafur interessieren, was sie im Netz tun, was sie bewegt. Es ist zum Beispiel sinnvoll, sich neben sie zu setzen und sich das ganze mal aus Kindersicht erklaren zu lassen. Dabei kann man auch selber immer was lernen.

Sie sind auch fur strengere Haftstrafen, wie etwa in den USA?

Da gehen die hier naturlich sehr weit, gerade was das Strafma? angeht. Wo sie bei uns aber meiner Ansicht nach oft viel zu locker sind. Denn man muss einfach sehen, was sexueller Missbrauch mit Kindern macht. Die bleiben verletzte Seelen, bis an ihr Lebensende.

Die USA gehen beim Kampf gegen Sexualstraftater noch weiter und stellen deren Adressen ins Internet. Sind diese modernen Pranger der richtige Weg?

Grundsatzlich verstehe ich jeden, der Kinder hat und der wissen will, ob der neue Nachbar ein vorbestrafter Sexualstraftater ist. Ich gehore da sicher dazu. Aber auf der anderen Seite gibt es richtige und wichtige Personlichkeits- und Freiheitsrechte fur jemanden, der seine Strafe abgesessen hat. Und eine solche Datenbank kann falsche Sicherheit vermitteln. Schlie?lich werden viele Taten doch gar nicht erst angezeigt. Etwa, weil sie in der Familie geschehen, weil die Tater geschutzt werden, weil die Betroffenen noch nicht die Kraft haben. Ich glaube also, dass eine solche Datenbank nur teilweise weiterhilft.

Was konnten weitere Ma?nahmen sein?

Es darf nicht passieren, dass ein vorbestrafter Sexualstraftater neben einer Kita einziehen darf. In Deutschland gab es ja ahnliche Falle. Aber Aufklarung ist enorm wichtig.Nicht nur Kinder, sondern vor allem deren erwachsenes Umfeld mussen uber Missbrauch, Taterstrategien und so weiter aufgeklart sein, um Kindern in Not helfen und unterstutzen zu konnen.

Sie waren als Moderatorin an der RTLII-Sendung "Tatort Internet" im Jahr 2010 beteiligt. Die Sendung wurde unter anderem wegen der fehlenden Personlichkeitsschutzes der Verdachtigen kritisiert. Wurden Sie es wieder so machen?

Ich stehe nach wie vor hinter der Idee einer Fernsehsendung, die uber die Gefahren im Internet und das Cybergrooming aufklart. Und warum auf so einem Sender? Erstens weil uns andere Sender abgelehnt haben wegen der Sorge um die Quote. Und zweitens wollten wir kein Orchideenpublikum nachts um zwolf Uhr erreichen. Sondern genau die Menschen, die zu einer breiten Masse gehoren und die sonst vielleicht solche Inhalte nicht erreichen.

Aber war die effektheischende Aufmachung dem Thema angemessen?

Ja, man mag uber die Musik und die rei?erische Aufmache streiten. Aber es ging doch darum:Wie bekommen wir viele Menschen dazu, hinzugucken? Und es hat dazu gefuhrt, dass Leute hinschauen. Ich habe sehr viele Ruckmeldungen von Jugendbetreuern bekommen, die mir gesagt haben: Super dass ihr dieses Thema angefasst habt. Ich und wir alle haben zwar viel Prugel eingesteckt, aber ich wurde es nochmal uber mich ergehen lassen, weil das Thema viel zu wichtig ist.

Und wie kummern Sie jetzt in den USA um dieses Thema?

Mein Engagement ist nach wie vor gro?, ich reise regelma?ig nach Deutschland, ich halte Vortrage, mache die Offentlichkeit auf das Thema Aufmerksam, putze Klinken fur Spenden.

Genau deswegen gab es Kritik an Innocence in Danger. Es sei eine Organisation, die sich auf einen sehr kleinen Bereich des sexuellen Missbrauchs konzentriert, die kaum mit ihren Projekten auffalle aber durch Ihr Engagement trotzdem viel Aufmerksamkeit bekomme.

Da wei? ich gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich finde es extrem wichtig, dass dem Thema Aufmerksamkeit gewidmet wird.Wir sind eine der wenigen Organisationen in Deutschland, die Expertise zu dem Thema sexueller Missbrauch im Internet haben. Ich finde es eher ein Trauerspiel, dass es in diesem Bereich so wenige andere Initiativen gibt.

Solche Anstrengungen waren ja auch Aufgabe der Bundesregierung. Wie bewerten Sie deren Arbeit bei diesem Thema?

Es passiert mir gerade im Bereich Pravention von sexuellem Missbrauch, insbesondere in den neuen Medien, viel zu wenig. Wenn es Skandale gibt, werden runde Tische und Gremien gegrundet, aber es verlauft dann sehr schnell im Sande. Es gibt zwar die Stelle des unabhangigen Missbrauchsbeauftragen der Bundesregierung. Aber die Empfehlungen von Christine Bergmann und des Runden Tisches zur Pravention wurden doch alle noch nicht mal begonnen umzusetzen. Da stelle ich mir schon die Frage: Wo ist denn da wirklich konkret euer Kinderschutz?

Ware das nicht ein Thema fur eine Familienministerin zu Guttenberg?

Kinderschutz ist ein Thema, fur dass ich mich seit langem in einer Nicht-Regierungs-Organisation sehr engagiere. Ich habe nicht vor, in die aktive Politik zu gehen.

 

 

 

 

 




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