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Legionare Christi Unter Missbrauchsverdacht

By Simone Utler
The Spiegel
May 11, 2012

http://www.spiegel.de/panorama/legionaere-christi-raeumen-verdachtsfaelle-von-sexuellem-missbrauch-ein-a-832679.html

Es geht um mindestens sieben Verdachtsfalle sexuellen Missbrauchs Minderjahriger: Die Legionare Christi haben dem Vatikan mehrere mutma?liche Vergehen ihrer Priester gemeldet. Der verstorbene Grunder Marcial Maciel Degollado brachte den Orden in Verruf, weil er sich an Kindern vergangen hatte.



Hamburg - Der Mexikaner Marcial Maciel Degollado bescherte dem Vatikan einen der gro?ten Skandale des 20. Jahrhunderts. Der vor vier Jahren verstorbene Grunder und fruhere Leiter des konservativen Ordens Legionare Christi predigte Keuschheit, Armut und Gehorsam - und verging sich jahrzehntelang an Seminaristen. Au?erdem zeugte er mehrere Kinder, die er ebenfalls sexuell missbraucht haben soll.

Seit Jahren wird gemutma?t, dass das System Maciel auch andere padophile Priester schutzte und es weitere Falle gab. Der Orden bestritt dies jedoch stets und distanzierte sich postum von Maciel.

Nun haben die Legionare Christi eingeraumt, mehrere wegen Missbrauchs von Minderjahrigen und anderer Vergehen verdachtige Priester an den Vatikan gemeldet zu haben. Insgesamt seien der Kongregation fur Glaubenslehre in Rom neun Falle gemeldet worden, hei?t es in einer aus den USA geschickten Stellungnahme der Legionare Christi, die SPIEGEL ONLINE vorliegt.

Es handelt sich demnach um sieben Falle von mutma?lichem sexuellem Missbrauch, die nach ersten Untersuchungen "den Anschein machen, wahr zu sein", so die Einschatzung der Legionare selbst. Sechs Falle liegen mehrere Jahrzehnte zuruck, in einem Fall gehe es um aktuelle Geschehnisse, wie es in der Mitteilung hei?t. Au?erdem beschaftige die Kongregation sich mit zwei weiteren, weniger schweren Vergehen. Laut der Nachrichtenagentur AP sollen die Geistlichen ihre Stellung missbraucht haben, um sich Frauen zu nahern.

Genaue Angaben zu Ort und Zeitpunkt der mutma?lichen Missbrauche machte der Orden nicht. "Uber die vergangenen Jahre gingen bei Leitern der Legionare Christi in verschiedenen Lander Anschuldigungen uber schwere moralische Vergehen und weitaus ernstere Delikte (delicta graviora) einiger Legionare ein", hei?t es in der Erklarung lediglich. Es habe au?erdem einige Anschuldigungen gegeben, die sich nach umfassender Prufung bereits als unbegrundet erwiesen hatten.

Kein Fall in Deutschland

Die deutsche Sektion des Ordens betonte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, dass kein Fall in Deutschland bekannt sei. Die in anderen Landern eingegangen Vorwurfe wurden nun untersucht: "Die Legionare Christi gehen jedem Hinweis auf sexuellen Missbrauch nach." Die Ordensgemeinschaft arbeite eng mit den staatlichen Behorden zusammen. "Die erforderlichen Ermittlungen fuhren die zustandigen staatlichen Behorden in den jeweiligen Landern und vor Ort durch", hei?t es in dem Schreiben. Entsprechend den Vorgaben des Kanonischen Rechts hatten die Legionare Christi daruber hinaus die dafur im Vatikan zustandige Glaubenskongregation informiert.

"Bis zum Abschluss der Prufung der Anschuldigungen und der Ermittlungen durch die staatlichen Behorden bleiben die Beschuldigten in jedem Fall von ihrer Arbeit als Seelsorger mit Minderjahrigen suspendiert", hei?t es weiter. Die Ordensgemeinschaft lege gro?en Wert auf "respektvollen, achtsamen und verantwortungsvollen Umgang mit Minderjahrigen", insbesondere "vor dem Hintergrund ihrer jungsten Geschichte".

Das System Maciel

Grundervater Maciel hatte sich jahrzehntelang an Kindern und Jugendlichen vergangen. Um wie viele Falle es sich handelt, ist unklar: In einigen Berichten ist von mindestens 20 Taten die Rede, in anderen von mehr als 70 angeblichen Missbrauchsopfern. Au?erdem zeugte Maciel mindestens drei Kinder mit zwei Frauen. Nach seinem Tod war bekannt geworden, dass er Vater einer Tochter ist. Spater meldete sich noch eine Mexikanerin, die sagte, sie habe eine langjahrige Beziehung mit Maciel gefuhrt, aus der zwei Sohne hervorgegangen seien. Ein dritter Junge sei von ihm adoptiert worden. Nur eines seiner Kinder soll Maciel nach Angaben der Frauen nicht missbraucht haben.

Der Vatikan wurde scharf kritisiert, weil er Maciel jahrzehntelang nicht stoppte. Erst im Jahr 2006 wurde Maciel vom Vatikan gema?regelt und angewiesen, sich aus dem pastoralen Dienst zuruckzuziehen und ein "Leben des Gebets und der Bu?e" zu fuhren. De facto bedeutete dies: Maciel wurde in ein Kloster verbannt, kam aber bis zu seinem Tod ohne Prozess und Strafe davon. Er starb 2008 im Alter von 87 Jahren in den USA.

Dokumente aus den Vatikan-Archiven belegen laut AP, dass der Heilige Stuhl schon in den funfziger Jahren Beweise hatte, wonach Maciel drogenabhangig und padophil gewesen sein soll. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge ermittelten damals drei sogenannte Visitatoren, das Ergebnis sei jedoch bis heute nicht veroffentlicht worden. 1998 sollen sogar einige seiner Opfer Anzeige erstattet haben.

Doch Papst Johannes Paul II. verband eine enge Freundschaft mit Maciel, die sich seit dem ersten Zusammentreffen im Januar 1978 entwickelt hatte. Der Papst verehrte den Mexikaner, fuhrte ihn gern als Vorbild an und widmete ihm noch 2001 eine Festmesse auf dem Petersplatz. Dass das Kirchenoberhaupt Maciel wissentlich gewahren lie?, wird jedoch vom Vatikan bestritten.

Maciel, der 1944 zum Priester geweiht worden war, hatte sich uber Jahrzehnte hinweg eine besondere Machtposition aufgebaut. Die 1941 von ihm in Mexiko gegrundeten Legionare Christi wuchsen auf einen weltweit organisierten Orden an, aus dem sich eine gro?e Zahl des Priesternachwuchses rekrutierte und der in Rom glanzend vernetzt war. Maciel war ein effizienter Spendensammler und Netzwerker - zu seinen Unterstutzern zahlten machtige Kirchenmitglieder ebenso wie Politiker.

"Weg der Reinigung"

Heute sind die Legionare Christi in 20 Landern aktiv, vor allem in Mexiko und Spanien. Die katholische Gemeinschaft zahlt nach eigenen Angaben mehr als 900 Priester und 2500 Seminaristen. In Deutschland sind die Legionare Christi seit 1988 tatig und haben heute Niederlassungen in Bad Munstereifel und Dusseldorf.

Der Ansto? zu neuen Untersuchungen und die Verbannung Maciels zahlten zu den ersten Aktionen, die Papst Benedikt XVI. 2005 in seinem neuen Amt vollzog. Doch auch er geriet im Zusammenhang mit Maciel in die Kritik: Als Chef der Glaubenskongregation hatte Kardinal Joseph Ratzinger Ende der neunziger Jahre eine Untersuchungskommission im Vatikan geleitet, deren Aufgabe es war, die Vorwurfe gegen Maciel aufzuklaren. Doch das Verfahren wurde eingestellt. Welche Rolle Ratzinger dabei spielte, ist umstritten.

Der Vatikan brauchte noch einmal mehrere Jahre, bis er endgultig handelte. 2009 ordnete der Heiligen Stuhl eine Apostolische Visitation an, 2010 ubernahm Rom die Leitung der Legionare und druckte eine Reform durch. Maciel habe ein Machtsystem errichtet, das es ihm erlaubt habe, ein Doppelleben "ohne Skrupel und echte religiose Gefuhle" zu fuhren, erklarte der Vatikan damals. Dadurch sei es ihm moglich gewesen, junge Menschen zu missbrauchen.

Der Papst ernannte einen Gesandten als Ubergangsleiter, hielt an dem Orden jedoch weiter fest: Benedikt XVI. werde den Ordensmitgliedern "auf dem Weg der Reinigung" beistehen und sie nicht alleinlassen, hie? es damals.

 

 

 

 

 




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