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Ein Leben "Mit Einem Giftpfeil Im Herzen"

By Alexander Albrecht
Die Rhein-Neckar Zeitung
May 18, 2012

http://www.rnz.de/HPHeadtitles_Katholikentag/00_20120518090730_102189466_Ein_Leben_mit_einem_Giftpfeil_im_Herzen_.php

Mannheim. Ist das Thema durch? 2010 erschutterte der Missbrauchsskandal die Katholische Kirche in Deutschland. Kaum ein Tag verging, an dem nicht ein weiterer Fall an die Offentlichkeit drang. Und heute? Nur knapp ein Drittel der Stuhle im Mahler-Saal des Rosengartens sind besetzt. "Zuhoren statt verleugnen - verandern statt beschonigen", ist die Gesprachsrunde uberschrieben. Untertitel: Kirche stellt sich den Fragen von Opfern sexuellen Missbrauchs. "Vor zwei Jahren hatten wir hier noch anbauen mussen", sagt Moderator Joachim Frank.

Wer Matthias Katsch gestern Nachmittag zuhort, der ist sich sicher: das Thema sexueller Missbrauch ist nicht durch. Keinesfalls. Katsch ist in den 70er-Jahren am Berliner Canisius-Kolleg von Priestern vergewaltigt worden. Lange hat er geschwiegen, dann grundet er die Initiative "Eckiger Tisch". Als Opfer sieht sich Katsch nicht. Nicht mehr. "Ich bin ein Betroffener." Das erste Verbrechen begehe immer der Tater, sagt Katsch. Das zweite die Institution. Er meint die Kirche. Ihre Fuhrung und Leitung hatten bei den Missbrauchsfallen "vollig versagt". Unter die Haut geht, wenn Katsch sagt: "Du lebst ein Leben mit einem Giftpfeil im Herzen".

Scham, Schuld, Ohnmacht, Wut, damit mussten Opfer wie er zurechtkommen. Dass der Jesuitenorden, unter dessen Obhut das Canisius-Kolleg steht, den Missbrauchten 5000 Euro als Entschadigung zahlt, ist fur Katsch blanker Hohn. Was er will? "Genugtuung".

Cordula Stiller, Mutter eines Jungen, der von einem Ministranten missbraucht worden ist, berichtet, dass in ihrer Gemeinde dieses Thema totgeschwiegen und bagatellisiert worden sei. Der Tater sei trotz seiner spateren Verurteilung weiterhin als Pfarrgemeinderat tatig gewesen. Erst nachdem sich die Familie an den zustandigen Bischof gewandt habe, seien Konsequenzen gezogen worden.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, wirkt erschuttert. Er raumt ein, dass er am Anfang noch daruber nachgedacht habe, ob die Betroffenen "nicht ein bisschen dankbarer" ihm gegenuber sein konnten. Auch Pater Stefan Kiechle, Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten, ringt mit den Worten und nennt die 5000 Euro Entschadigungspramie ein "beschamendes Zeichen". Ackermann verteidigt die Praxis, wonach in Deutschland gema? den Leitlinien der Bischofskonferenz kein generelles Beschaftigungsverbot fur Priester besteht, die wegen Sexualdelikten straffallig geworden sind. Denn es sei sinnvoll zu differenzieren, um welche Art Tater es sich handelt. "Ansonsten konnten wir in eine Dynamik rutschen, wo es hei?t, die gehoren alle eingesperrt."

Der Bischof von Trier ist zuletzt selbst in die Kritik geraten, da nach Angaben einer Opferorganisation Padophile als Seelsorger in seinem Bistum eingesetzt waren. Er verweist darauf, dass die betreffenden Mitarbeiter nicht bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt wurden. Pater Kiechle unterstutzt die Haltung Ackermanns. Es konne keine gute Losung sein, einen fruheren Tater alleine zu lassen. "Dann konnte von ihm noch eine gro?ere Gefahr ausgehen", warnt der Theologe. Katsch und Stiller schutteln den Kopf. Und eine Frau ruft stellvertretend fur das Publikum: "Das darf doch nicht wahr sein."

 

 

 

 

 




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