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Wenn Sex Und Intrigen Nicht Im Beichtstuhl Bleiben

Legal Tribune
May 26, 2012

http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bruch-des-beichtgeheimnisses-wenn-sex-und-intrigen-nicht-im-beichtstuhl-bleiben/



Koln ermittelt, Tatort soll Essen sein: Ein Kaplan soll geplaudert haben. Uber sexuelle Vorlieben, seinen ehemaligen Vorgesetzen und homosexuelle Kontaktborsen. Die Kenntnisse von diesen Geruchten soll er aus dem Beichtstuhl haben. Norbert Diel uber kirchenrechtliche Konsequenzen des Verrats von Geheimnissen zwischen Mensch und Gott.

Im Bistum Essen werden schwerwiegende Vorwurfe gegen einen Kaplan erhoben: Er soll einen Beichtenden gezielt nach sexuellen Vorlieben seines ehemaligen Vorgesetzten, des inzwischen versetzten Pfarrers der Gemeinde, ausgehorcht und diese Informationen nachher genutzt haben, um den Geistlichen, aber auch andere Personen direkt damit zu konfrontieren.

Der Fall steht im Zusammenhang mit einem anderen Vorwurf, namlich dem Knupfen homosexueller Kontakte, auch unter Nutzung einer einschlagigen Internetkontaktborse.

Ins Rollen gebracht wurde der Fall durch den Beichtenden (Poenitenten) selbst, der sich verraten fuhlt. Auch mit der Art und Weise, wie das Bistum Essen den Fall behandelte, war er unzufrieden. Er wandte sich an Rom. Der Vatikan reagierte sofort. Die Glaubenskongregation zog den Fall an sich und beauftragte das Erzbistum Koln mit der Eroffnung des kirchenrechtlichen Verfahrens.

Die Kolner haben nun zu prufen, was dran ist an den erhobenen Vorwurfen. Aus kirchlicher Sicht waren sie gravierend: Erwiesen sie sich als zutreffend, hatte ein Priester der romischen Amtskirche das Beichtgeheimnis verletzt.

Wer beichtet, offenbart sich direkt Gott

In der Beichte gilt alles, was der Poenitent dem Geistlichen anvertraut, als direkt gegenuber Gott offenbart. Dieser intime Bereich zwischen Gott und dem Menschen ist absolut vertraulich. Die Beichte ist eines der sieben Sakramente, sie gehort zum Innersten und Heiligsten der Kirche.

Durch eine gultige Beichte erlangt der Sunder Vergebung der gebeichteten Sunden. So stehen die Beichte und vor allem das Beichtgeheimnis unter dem besonderen Schutz der Kirche. Dieser Schutz findet seinen Niederschlag im Gesetzbuch der Kirche, dem Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC), der das Beichtgeheimnis in Canon 983 CIC regelt.

Die Verletzung des Beichtgeheimnisses wird von der Kiche mit den Mitteln des Kirchenstrafrechts sanktioniert. So ist es einem Geistlichen nach Canon 983 CIC streng verboten, uber die Sunden des Bu?ers in irgendeiner Form zu sprechen, ihn in sonst einer Form zu verraten oder die Kenntnis seiner Sunden bei der Leitung einer Gemeinde oder anderen kirchlichen Einrichtung zu verwenden.

Das Kirchenrecht differenziert in Canon 983 § 1 CIC in zwei Arten des Siegelbruchs, wie die Verletzung des Beichtgeheimnisses auch genannt wird: der direkte und der indirekte Siegelbruch. Der direkte Bruch des Beichtgeheimnisses besteht darin, dass der Geistliche Name und Inhalt der Beichte einem Dritten mitteilt. Beim indirekten Bruch des Beichtgeheimnisses zitiert der Geistliche so aus der Beichte, dass eine dritte Person mit entsprechenden Kenntnissen Ruckschlusse auf den Betroffenen ziehen kann.

Daneben kennt Canon 983 § 2 CIC auch den Siegelbruch weiterer Personen, wie etwa einem hinzugezogenen Dolmetscher und sonstiger Dritter, die zufallig oder willentlich vom Inhalt der Beichte erfahren haben.

Die Rechtsfolgen: Exkommunikation

Prinzipiell sind die Rechtsfolgen des Siegelbruchs klar definiert, das Kirchenstrafrecht halt scharfe Waffen bereit. Der direkte Bruch des Beichtgeheimnisses fuhrt nach Canon 1388 § 1 CIC zur Exkommunikation des Taters. Allerdings ist die Exkommunikation eine Beugestrafe. Sie wird also nur solange verhangt, bis der Sunder sein Fehlverhalten beendet oder wiedergutgemacht hat.

Die Exkommunikation bedeutet entgegen einer allgemein verbreiteten Ansicht nicht den Ausschluss des Taters aus der Kirche, sondern (nur) den Verlust der Kirchengemeinschaft und damit gewisser Rechte innerhalb der Kirche. Der Exkommunizierte darf keine Sakramente empfangen oder spenden und er darf auch kein kirchliches Amt oder kirchliche Dienste und Aufgaben innerhalb der Amtskirche ausuben.

Die Exkommunikation ist aber auch eine so genannte Tatstrafe. Dies bedeutet, dass sie schon im Zeitpunkt der bewussten Begehung der strafbaren Handlung durch den Tater diesem gegenuber als bereits verhangt gilt. Es ist also nicht erforderlich, dass sie durch einen Bischof oder den Papst danach noch einmal gesondert verhangt oder verkundet wird.

Wer als Geistlicher das Beichtgeheimnis bricht, wird durch Rom exkommuniziert

Die Tatstrafe der Exkommunikation weist aber im Zusammenhang mit der Verletzung des Beichtgeheimnisses noch eine weitere Besonderheit auf. Und zwar fur den Fall, dass die strafbare Handlung nicht durch einen "normalen" Glaubigen, sondern durch einen Geistlichen begangen wird: Wenn ein Geistlicher das Beichtgeheimnis direkt verletzt hat, wird die Exkommunikation in einem gesonderten kirchlichen Gerichtsverfahren explizit festgestellt, das mit Urteil durch den Bischof (oder den Papst) endet.

Konkret bedeutet das, dass der solcherma?en verurteilte Geistliche als Exkommunizierter keinen Gottesdienst mehr halten, keine Sakramente spenden oder empfangen und seine Amter und seine Leitungsgewalt nicht mehr ausuben darf.

Hat der Geistliche hingegen "nur" einen indirekten Siegelbruch begangen, so fuhrt dies nicht automatisch zur Exkommunikation, sondern vielmehr zur Verhangung einer so genannten "gerechten Strafe", also einer Strafe entsprechend der Schwere der Tat. Eine solche kann im Wege des Dekretverfahrens, also eines regularen kirchlichen Verwaltungsverfahrens verhangt werden. Auch der Bischof kann namlich einen Kirchenverwaltungsakt erlassen.

Keine Strafbarkeit nach weltlichem Recht

Die Zustandigkeit fur die Durchfuhrung des kirchengerichtlichen Strafverfahrens wegen direkten Siegelbruchs obliegt der Kongregation fur die Glaubenslehre in Rom. Sobald also ein Bischof erfahrt, dass ein Geistlicher aus seinem Bistum einen direkten Siegelbruch begangen hat, muss er dies nach Rom melden. Rom entscheidet dann, wie das Verfahren gefuhrt wird. Im vorliegenden Fall hat Rom beispielsweise das Erzbistum Koln mit der Durchfuhrung des Verfahrens beauftragt. Die Kolner werden zunachst also den Sachverhalt aufklaren und dann muss man weitersehen.

Kommen wir nun zur weltlichen Seite des Falles: Der Bruch des Beichtgeheimnisses ist nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs (StGB) nicht strafbar. Im einschlagigen Straftatbestand der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) wurden Geistliche expressis verbis ausgenommen.

Der Grund fur diese Ausnahme liegt darin, dass es staatskirchenrechtlichen Grundsatzen widersprache, wenn der Staat eine Angelegenheit aus dem Bereich der innerkirchlichen Selbstverwaltung, zu der das Beichtgeheimnis zweifelsfrei gehort, mit seinen Wertungen und rechtlichen Sanktionen uberlagern konnte. Der Staat respektiert also insoweit die Art und Weise, wie die Kirche mit dem Bruch des Beichtgeheimnisses umgeht und ubernimmt deren Wertungen. Schutzt die Kirche das Beichtgeheimnis, kann der Staat Geistliche folglich nicht zwingen, dieses Geheimnis zu brechen. Insoweit ist es folgerichtig, in § 53 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht fur Geistliche vorzusehen.

Fur den Kaplan im Bistum Essen ist also derzeit nur eines sicher: Von Seiten des Staates hat er nichts zu erwarten. Wie die Kirche urteilen wird, bleibt spannend.

 

 

 

 

 




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