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Sakularitat Durch Zufall

Humanistischer Pressedienst
June 14, 2012

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Diplomatenpass Osterreich / Foto: consilium/europa.eu

Der Wiener Kardinal und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Christoph Schonborn, wird bald auf ein Privileg verzichten mussen. Der osterreichische Nationalrat hat am Mittwochabend beschlossen, Diplomatenpasse nicht mehr so gro?zugig zu verteilen wie bisher.

Christoph Schonborn wird seinen Diplomatenpass bald abgeben mussen. Das sieht zumindest das neue Passgesetz vor, das der Nationalrat am Mittwochabend beschlossen hat. Au?er Diplomaten sollen nur mehr Regierungsmitglieder und Abgeordnete, die fur die Republik im Ausland unterwegs sind, sowie EU-Abgeordnete das begehrte Dokument bekommen. Schonborn fallt unter keine dieser Kategorien.

Das alte Gesetz hatte das freizugiger gehandhabt. Wer den Pass einmal hatte, durfte ihn lebenslang behalten. Nutznie?er waren vor allem ehemalige Minister und Ehepartner von (Ex-)Regierungsmitgliedern. Auch „Geschaftsleute“ kamen in den Genuss des Dokuments, das lastige Formalitaten beim Zoll verhindert. Mehr als 3.000 dieser Passe waren zuletzt in Umlauf.

Einer der Nutznie?er war Kardinal Christoph Schonborn. Warum er ihn bekommen hatte, wusste er nach Aussagen gegenuber Medien selbst nicht so recht. Man habe ihm das Dokument „einfach so“ ausgestellt. Das Au?enministerium begrundete das damit, dass Vertreter der oberen Kirchenhierarche gelegentlich in „kirchenpolitischen“ Angelegenheiten im Ausland unterwegs seien. Warum das einen Diplomatenpass der Republik Osterreich erforderlich macht und nicht einen des Vatikan, erschloss sich der Offentlichkeit nicht ganz. Letzterer ist fur kirchenpolitische Agenden jeglicher Art zustandig. Die Republik Osterreich ist es nicht.

Dass die Offentlichkeit Kenntnis von Schonborns Privilegien hatte, ist auf die Informationspolitik des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien zuruckzufuhren. Die Aktivisten hatten zu recherchieren begonnen, als die Affare um die inflationar vergebenen Diplomatenpasse hoch zu kochen begann. Ausgelost hatte sie der ehemalige Finanzminister Karl Heinz Grasser. Er hatte seinen roten Pass um funf Jahre verlangern lassen. Als das bekannt wurde, schaumte die Volksseele. Grasser steht im Zentrum mehrerer Ermittlungen im Umkreis von Korruptionsaffaren in seiner Regierungszeit. Betroffen sind enge Freunde des Ex-Ministers. Ihm wird auch Steuerhinterziehung vorgeworfen und mehrere Stiftungen des ehemaligen Shooting-Stars der rechten Reichshalfte legen den Verdacht der Geldwasche nahe. Grasser hat stets beteuert, von nichts gewusst zu haben.

Fur genauso viel offentliche Erregung sorgte ein Diplomatenpass fur Alfons Mensdorff-Pouilly. Der Waffenlobbyist ist Ehemann der ehemaligen Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (OVP). Gegen ihn wurde und wird in mehreren (mutma?lichen) Korruptionsskandalen in halb Europa ermittelt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat ergeben, dass er im Zentrum eines Netzwerks gestanden haben konnte, mit dessen Hilfe sich auch Freunde Grassers reichlich bedient haben sollen.

Schonborns Pass sorgte bestenfalls fur Kopfschutteln. Niemand verstand, warum er ihn bekam. Nur fragte sich das auch niemand. Man nahm zur Kenntnis, dass ein Kirchenvertreter in Kirchenangelegenheiten des besonderen Schutzes der Republik bedurfe. Warum auch immer. Und das 94 Jahre, nachdem das Staatskirchentum in Osterreich abgeschafft worden war. Er ist sozusagen ein Kollateralschaden der neuen strengen Regelungen.

Mehr Trennung von Staat und Kirche war mit dem neuen Gesetz sicher nicht beabsichtigt. Sie ergibt sich eher zufallig. Vorausgesetzt, die neuen Regeln werden so streng gehandhabt, wie es auf dem Papier steht. Das wird sich spatestens erweisen, wenn das Gesetz drei Monate in Kraft ist. Dann muss Schonborn seinen Pass abgeben. Glaubt man seinen Aussagen in Medien, wird ihn das wenig storen. Was die Frage aufwirft, warum er das dann nicht langst getan hat.

 

 

 

 

 




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