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Halbgott Benedikt

Der Standard
June 18, 2012

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Muss nicht mit allen Versuchen der Vergöttlichung des Papstes, die manche Bischöfe am I. Vatikanischen Konzil (1869/70) angestrebt haben, endlich Schluss sein?

"Wenn ein Katholik mit dem Papst in Rom spricht, dann hat er die Pflicht, sich so zu öffnen als stünde er Gott gegenüber..."

Ich muss gestehen, dass mir dieses Gebot ziemlich neu ist. Aber die Formulierung kam dieser Tage direkt aus dem vatikanischen Staatssekretariat, aus dem Munde von Erzbischof Angelo Becciu, dem Subsitituten des Staatssekretariates, (l'Osservatore Romano Nr.23).

Becciu wollte damit verdeutlichen, wie schändlich seiner Meinung nach die Fladereien von Papst-Unterlagen sind, da sich ein gläubiger Briefschreiber, wenn er sich an den Papst wendet "durch absolute Diskretion geschützt fühlt."

Das lenkt natürlich vom Kern der Affäre ab. Soweit man es bisher überblicken kann, geht es ja nicht um den aufgedeckten Seelenstriptease einfacher Katholiken, sondern um allfällige vatikanische Intrigen oder um ganz profane Verbrechen wie Geldwäsche und Bestechung von Politikern.

Lassen wir aber das Vati-Leaks-Thema vorläufig beiseite. (Noch bleibt die Frage offen, ob der mutmaßliche Täter einfach ein kleiner Gauner war, der sich mit Indiskretionen Geld verdienen wollte, ein Handlager eines internen Machtkampfes oder aber ein Robin Hood, der zur Rettung der Kirche interne Fehlentwicklungen aufdecken wollte. Vielleicht wird er - es gilt ja die Unschuldsvermutung - auch noch zum Fall für Amnesty International...)

Bleiben wir bei Beccius Sicht vom braven Katholiken. Sie folgt dem Jahrhunderte währenden Versuch der Päpste, den Gehorsam gegenüber Gott zum Papst umzulenken. Machtpolitisch ist das ja ganz schlau, theologisch ein ziemlicher Unsinn.

Das hindert aber auch den Theologieprofessor am Papststuhl nicht, für die Kontinuität dieser Fehlentwicklung zu sorgen. In einer Ansprache an der päpstlichen Diplomatenakademie, also vor seinen künftigen Botschaftern, forderte der Höchste Pontifex der Gesamtkirche kürzlich (11.6.) seine Zuhörer auf, "die persönliche Verbindung mit dem Stellvertreter Christi als Teil eurer Spiritualität zu leben. Gewiss handelt es sich dabei um ein Element, das zu jedem Katholiken und noch mehr zu jedem Priester gehört."

Sollten unsere spirituellen Kräfte nicht eine Etage höher fließen? Muss nicht mit allen Versuchen der Vergöttlichung des Papstes, die manche Bischöfe am I. Vatikanischen Konzil (1869/70) angestrebt haben, endlich Schluss sein?

Es klingt leider ganz nach einem Sekten-Guru, wenn Benedikt XVI. in dieser Rede formuliert: "Das ist eine schwerwiegende Verantwortung, aber auch ein besonderes Geschenk, aus dem sich im Laufe der Zeit eine gefühlsmäßige Bindung innerer Vertrautheit mit dem Papst entwickelt..." Das hat mehr mit Gefühlsduselei als mit christlicher Spiritualität zu tun.

Leider wird es erst einem künftigen Papst vorbehalten bleiben, den Titel „Stellvertreter Jesu Christi" zu streichen und etwas demütiger allein die Rangbezeichnung "Diener der Diener Gottes" zu führen.

Benedikts Aussagen kommen freilich nicht überraschend. Schon in seiner allerersten Predigt als Papst (ein Zeitpunkt also, der Programmatisches erwarten lässt) sagte er den versammelten Kardinälen: "Als er mich zum Bischof von Rom erwählt hat, wollte der Herr mich zu seinem Stellvertreter, er wollte mich zum »Felsen« machen, auf den sich alle sicher stützen können."

Auch darin liegt eine kleine Irrlehre. Es ist kein Glaubenssatz der Katholischen Kirche, dass das Ergebnis einer Papstwahl tatsächlich dem Willen Gottes entspricht. Man kann auch - ohne Boden der Katholischen Kirche zu verlassen - vermuten, dass die Mehrheit der Kardinäle dem Heiligen Geist nicht gut genug zugehört hat. Das ist ja in der Kirchengeschichte schon öfters vorgekommen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Der derzeitige Papst hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig. (Wolfgang Bergmann, derStandard.at, 18.6.2012)

Wolfgang Bergmann, Magister der Theologie (kath.), 1988-1996

Pressesprecher der Caritas, 1996-1999 Kommunikationsdirektor der

Erzdiözese Wien und Gründungsgeschäftsführer von Radio Stephansdom. Seit

2000 Geschäftsführer DER STANDARD. 2010 erschien sein Romanerstling "Die kleinere Sünde" (Czernin Verlag) zum Thema Missbrauch in der Kirche.




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