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Zu Lange Her

TAZ
June 26, 2012

http://www.taz.de/Missbrauch-in-der-Kirche/!96178/

Hier wurden einst Schuler von einem Jesuitenpater misshandelt: das katholische St. Ansgar-Gymnasium Hamburg. Bild: dpa

Wenn es um sexuelle Ubergriffe geht, tut sich die Kirche immer noch schwer, eine Sprache zu finden. Von „Anerkennung von Leid“ spricht der Hamburger Domkapitular Ansgar Thim, Beauftragter fur Fragen der sexuellen Gewalt an Minderjahrigen beim Erzbistum Hamburg. 50 Antrage auf „Anerkennungsleistungen“ seien bei ihm eingegangen, 38 habe er an die Deutsche Bischofskonferenz nach Bonn weitergeleitet, sagt Thim auf der Pressekonferenz am Montag. „Hei?t das, Sie gehen davon aus, dass die Anschuldigungen in diesen Fallen der Wahrheit entsprechen?“ – „Ja.“

Thim ist ein gepflegter Herr mit randloser Brille, seine Aufgabe ist es, Gesprache mit den potenziellen Opfern zu fuhren. Und mit den Tatern. „Kein Fall ist wie der andere“, sagt er. Oft sei die Situation die, dass Vorwurfe erhoben wurden, und die Beschuldigten sagten: „Das war nicht so.“ Die Staatsanwaltschaft sei in allen Fallen eingeschaltet worden, aber sie ermittle in keinem – die Vorgange seien verjahrt.

Von den 38 Fallen, die das Erzbistum Hamburg nach Bonn weitergeleitet habe, sind viele in anderen Bistumern, aus denen die Betroffenen weggezogen sind. Viele der beschuldigten Priester seien im Ruhestand, viele seien bereits gestorben, sagt Thim. Es gelte, die „Spannung auszuhalten“: „Wir konnen auch nicht sagen, da wird schon was gewesen sein.“

Das Erzbistum hatte zur Pressekonferenz geladen, um seine neue „Ordnung zur Pravention von sexuellem Missbrauch“ vorzustellen. Doch statt uber die geplanten Sensibilitats-Schulungen fur das kirchliche Personal zu reden, mussten die Kirchenvertreter Fragen beantworten wie: „Gegen wie viele Priester des Erzbistums ist ein Disziplinarverfahren eingleitet worden?“ Gegen zwei, erklarte Domkapitular Thim, auf die Ruckantwort aus Rom warte man noch. Einer der beiden habe zugegeben, dass er Kinder missbraucht hat, er sei „aus dem aktiven Dienst genommen“ worden.

Ob es moglich ware, dass beschuldigte Priester wieder in den Dienst zuruckkehrten? Kontakt mit Kindern gehe naturlich nicht mehr, beeilte sich der Kirchenvertreter zu versichern. „Schwierig“ sei allerdings die Frage, ob Bruder dauerhaft aus dem Dienst entfernt, oder, unter Aufsicht gestellt, im nicht-pastoralen Bereich weiterbeschaftigt wurden.

Auch bei kirchlichen Disziplinarverfahren gilt eine Verjahrungsfrist, es ist dieselbe wie die gesetzliche: 20 Jahre, gerechnet ab dem 18. Lebensjahr des Opfers. Schon unter Papst Johannes Paul II. habe diese Frist aber „in bestimmten Fallen aufgehoben“ werden konnen, erklarte Thim. Zustandig dafur ist die Glaubenskongregation in Rom.

Definitiv nicht mehr im Dienst ist der Jesuitenpater, der am katholischen St. Ansgar-Gymnasium Hamburg als Sportlehrer unterrichtete. In einem Interview mit der Zeit erklarte der Mann, er habe Schuler „auf das bekleidete oder nackte Hinterteil“ geschlagen, teils mit der Hand, teils „mit Riemen und anderen Hilfsmitteln“. Er habe an einer „narzisstischen Personlichkeitsstorung“ gelitten, sagte er, sexuelle Erregung habe er nicht empfunden.

Um diesen Fall hatte sich nach kirchlichem Recht der Jesuitenorden kummern mussen – doch der ist inzwischen au?en vor: der Pater ist aus dem Orden ausgetreten und lebt in Sudamerika. Dem Spiegel gegenuber erklarte er, er sei „mit sich im Reinen“.

 

 

 

 

 




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