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Tv-kritik: Wenn Nonnen Kinder Stehlen

Tages Anzeiger
June 27, 2012

http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/fernsehen/TVKritik-Wenn-Nonnen-Kinder-stehlen/story/20070123

300'000 Neugeborene wurden in Spanien geraubt und heimlich verkauft – bis in die 90er-Jahre. Sowohl «Reporter» als auch «DOK» behandelt das Thema. Denn auch Schweizer sind betroffen.

«Reporter» begleitete die Basler Eltern Theo und Roser Hafliger-Lanaspa auf der Suche nach ihrem Sohn Ivan, der Ende der 70er-Jahre angeblich gestorben ist.

Tausende von Muttern haben in Spanien den vermeintlichen Tod ihres neugeborenen Babys beweint. Es sei kurz nach der Geburt gestorben, haben ihnen die Krankenschwestern gesagt, meist waren es katholische Nonnen.

Ihr angeblich totes Kind haben die meisten Mutter nie zu Gesicht bekommen; es liege schon im Sarg, es sei bereits weggebracht worden, es sei zu aufwuhlend, irgendetwas in der Art haben die Nonnen gesagt. Wenn eine Mutter einfach nicht nachgeben wollte, haben die Schwestern ihr ein gefrorenes Baby gebracht und gesagt, es sei ihres. Der nachsten Mutter haben sie dasselbe Baby gezeigt und gesagt, es sei ihres. Und der ubernachsten.

Organisiert von Nonnen und Arzten

Vor etwas mehr als einem Jahr kam ans Licht, dass all diese Kinder vielleicht noch leben. Schatzungen gehen davon aus, dass seit der Franco-Diktatur rund 300'000 Neugeborene offiziell fur tot erklart wurden, um anschliessend fur Tausende von Franken an Adoptiveltern verkauft zu werden – ein florierendes Geschaft, das perfekt organisiert war von Arzten und Pflegepersonal. Erst stahl man die Babys von Regimegegnern, spater von ledigen oder minderjahrigen Muttern – zur Wiederherstellung der Moral, wie sich eine Nonne ausdruckte – und in den Achtzigerjahren nur noch furs Geld.

Die meisten Adoptiveltern waren vermutlich ahnungslos, dass ihr neues Baby gestohlen worden war. Vielen wurde gesagt, minderjahrige oder ledige Mutter hatten sie weggegeben. Einige stotterten jahrelang das Geld fur ihr Adoptivkind ab, «wie die Leasinggebuhren eines Autos», sagt Antonio Barros im «DOK». Er fand vor etwa vier Jahren heraus, dass ihn seine Eltern einer Nonne abgekauft hatten, die ihn von seiner leiblichen Mutter gestohlen hatte. Barros kundigte nach dieser Entdeckung seinen Job und grundete die Hilfsorganisation Anadir, um die Verantwortlichen – hauptsachlich katholische Nonnen und Arzte – zur Rechenschaft zu ziehen.

Zweimal dasselbe Thema auf SF

Ein aufwuhlendes Thema, dem das Schweizer Fernsehen diese Woche sowohl die Sendung «Reporter» («Das geraubte Kind – Familie Hafligers Suche nach Ivan») als auch «DOK» («Spaniens gestohlene Kinder») widmet. Wahrend «Reporter» am Sonntag eine Basler Familie begleitete, deren neugeborener Sohn Ivan 1977 in einem spanischen Krankenhaus fur tot erklart worden war, rollte der gestrige «DOK» die ganze Geschichte auf, erzahlte die Hintergrunde der Diebstahle, besuchte gestohlene Kinder, Adoptiveltern und eine Mutter, die mit ihrem Baby aus dem Krankenhaus fliehen musste, nachdem man ihr gesagt hatte, es sei tot. Sie hatte es jedoch schreien horen, fand es und rannte mitsamt Baby davon. Die Polizei glaubte ihre Geschichte nicht.

«DOK» versuchte aber auch mit beteiligten Nonnen, Arzten oder katholischen Verantwortlichen zu sprechen. Diese stritten entweder ab oder wurden als dement bezeichnet. Bis 1987 durfte eine einzelne Person eine Adoption in Gang bringen. Meist war es die Oberin eines der Geburtshauser fur minderjahrige oder alleinerziehende Mutter, in denen auffallig viele Kinder «starben», teilweise mehr als ein Drittel. Stutzig wurde niemand. Und die Oberin bekam dafur Geld.

Sowohl der abgerundete «DOK» als auch der Einblick von «Reporter» ist sehenswert. Dass SF in derselben Woche in beiden Reportage-Gefassen dasselbe Thema behandelt, erstaunt zwar, geht aber bei solch einem Thema in Ordnung. «DOK» ist aufwendiger und informativer, «Reporter» dagegen zeigt den Schweizer Aspekt. Es ist einzig geschmacklerisch zu bemangeln, dass hier mit der Musik und den Off-Kommentaren manchmal etwas zu dick aufgetragen wurde. Eine solch erschutternde Geschichte kommt auch ohne diese Zusatze aus.

 

 

 

 

 




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