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Brutal Im Vatikan

By Daniel Deckers
Frankfurter Allgemeine
June 28, 2012

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/papst-benedikt-xvi-brutal-im-vatikan-11799208.html

Hinter dem Rucken Benedikts XVI. laufen einige Intrigen

Kaum eine Institution birgt so viele Mysterien wie die katholische Kirche, kaum ein Gemeinwesen so viele Ratsel wie der Vatikanstaat. Doch das alleine ist nicht der Grund, weshalb die Palaste rings um St. Peter noch heute eine ideale Projektionsflache fur Phantasien jeder Art uber Macht, Geld und Sex sind. Denn wie die Vergangenheit bietet auch die Gegenwart Verschworungstheoretikern, Medienleuten und Romanautoren mehr Stoff als genug. Ausgerechnet jenen Schongeist auf dem Stuhl Petri, der als Benedikt XVI. der „Entweltlichung“ der Kirche das Wort redet, hat die Weltlichkeit der Kirche nun so brutal eingeholt, dass manche um das Leben des Papstes furchten.

Anfang des Jahres wurde ruchbar, dass ein sizilianischer Kardinal namens Romeo wahrend eines Besuches in Peking dem Papst nur noch wenige Monate zu leben gegeben hatte. Eine scheinbar absurde Mutma?ung, doch festgehalten in einem Memorandum, das in perfektem Deutsch verfasst war und dem Papst von jenem Kardinal Castrillon Hoyos uberbracht wurde, dem uber der Aussohnung mit der Pius-Bruderschaft entgangen sein wollte, dass deren Bischof Williamson ein Holocaust-Leugner ist. Nicht minder absurd auch das Schicksal eines langjahrigen Diplomaten in papstlichen Diensten namens Vigano, der in der Verwaltung des Vatikanstaates einen Sumpf an Korruption und Misswirtschaft vorfand, mit eisernem Besen zu kehren begann und flugs auf den Botschafterposten in Washington wegbefordert wurde. Was der Erzbischof dem Papst daraufhin zu klagen wusste, war eines Tages haarklein in italienischen Zeitungen nachzulesen.

Die Augen und Ohren sind uberall

Der Appetit auf Schriftstucke aus den Handakten des Papstes und seiner Vertrauten war so gro?, dass gestohlene Dokumente jungst in Buchform erschienen. Wie viele Informationen noch ihrer Verwendung harren, wird sich zeigen. Denn ausgerechnet wahrend des Pontifikats des ersten Deutschen auf dem Stuhl Petri ist der Vatikan zu einem Ort geworden, an dem nichts und niemand vor unbefugten Ohren und Augen sicher sein kann. Die Auswirkungen dieses Desasters auf die Kommunikation in der Kirche sind schon jetzt mit Handen zu greifen: Niemand wei?, wem er noch vertrauen kann.

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Immerhin wurde vor Monatsfrist der Kammerdiener des Papstes als eine Quelle der Indiskretionen enttarnt: Paoletto hatte uber lange Zeit hinweg brisanteste Dokumente muhelos entwenden konnen. Doch wer den kleinen Paul dazu angestiftet haben konnte, die an Fahrlassigkeit kaum zu uberbietende Naivitat der Entourage Benedikts auszunutzen, ist weiterhin ein Ratsel.

Sicher hat das blinde Vertrauen des Papstes in seine Paladine wie den Kardinalstaatssekretar Bertone und seinen Privatsekretar Ganswein auf vielen Fluren des Vatikans zu mittlerweile chronischem Verdruss uber die Mischung aus Selbstbewusstsein und Inkompetenz gefuhrt, mit der die Kirche seit Jahren gefuhrt wird. Aber diese Gemutslage ist auch im Verbund mit den ublichen romischen Kabalen und Rivalitaten von anderer Qualitat als das Bestreben, dem mittlerweile 85 Jahre alten Papst durch die Zerstorung seiner Intimsphare so zuzusetzen, dass sein Ableben vor der Zeit befordert wird. Genau aber das ist offenbar das Ziel, weil es nicht nur um Macht geht, sondern auch um Sex und Geld.

Benedikts Kampfansage

Denn was immer man uber Benedikt sagen kann: Der prinzipienfeste Papst aus Deutschland hat an gleich zwei Tabus geruhrt. Sein leises, aber unnachgiebiges Beharren auf Ahndung sexueller Ubergriffe von Geistlichen auf Kinder und Schutzbefohlene ist nicht nur eine Kampfansage an eine jahrhundertealte Kultur klerikaler Vertuschung, sondern an jede Form der Missachtung der priesterlichen Lebensform, sei es in Gestalt homosexueller Netzwerke, von denen gerade der Vatikan durchzogen ist wie ein Roquefort mit Schimmel, sei es in Gestalt von Geistlichen jeden Ranges, die sich im Schutz ihrer Macht an Frauen vergehen. Fur sie alle ist jeder Tag ein schlechter, an dem dieses Pontifikat noch kein Ende gefunden hat.

Dasselbe gilt fur jene, denen der Papst vor zwei Jahren mit der Grundung einer „Financial Information Authority“ den Kampf angesagt hat. Dieses Gremium soll das undurchdringliche Finanzgeflecht innerhalb des Vatikans so auf Transparenz trimmen, dass Geldwasche kunftig nicht leichter ist als in der gewohnlichen Bankenwelt. Welche Rolle Ettore Gotti Tedeschi, dem Chef der Vatikanbank, zugedacht war und was er wirklich getan hat, ist bis jetzt ein Ratsel. Aber dass der Opus-Dei-Mann kurz vor der Enttarnung Paolettos wie ein raudiger Hund vom Hof gejagt wurde, deutet darauf hin, dass in der Bank eine der letzten Schlachten geschlagen wird. Eine echte Kampfpause wird aber erst dann eintreten, wenn Benedikts Pontifikat zu Ende geht. Erst dann wird jene Ruhe einkehren, die notig ist, um alle Spuren zu verwischen, die in das Zwischenreich aus Mafia, Politik und Geistlichkeit weisen.

Doch gleich wie viel Zeit Benedikt bemessen ist - sein Nachfolger wird vor Aufgaben stehen, deren Bewaltigung fast ubermenschliche Krafte erfordert. Im Blick auf die Weltkirche tut ein modernes Regierungssystem not, im Blick auf den Vatikan eine Reform an Haupt und Gliedern.

 

 

 

 

 




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